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Grenzüberschreiter mit Hang zum Gesamterlebnis
Foto: Melbinger Der Grazer Cellist von Weltrang liebt das grenzüberschreitende Spiel.
KLIPP: Warum spielen Sie gerne bei Konzerten Kompositionen, die nicht so häufig im Repertoire zu finden sind, wie zuletzt Glasunov und Rozsa in der Helmut-List-Halle?
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Friedrich Kleinhapl: Vielleicht prägt mich eine gewisse Angst vor Langeweile. Ich bin ständig auf der Suche nach Neuem, Interessantem. Auf dieser Suche stieß ich auf das Cellokonzert von Miklos Rozsa. Ich halte es für eines der besten und eindrucksvollsten Konzerte, das ich jemals gespielt habe. Es wird im konventionellen Konzertbetrieb kaum aufgeführt, denn der
wird im Großen und Ganzen von drei oder vier Konzerten dominiert: Haydn, Schumann und Dvorák. Deshalb werde ich zum nächsten Jubiläum des Nationalfeiertags mit den Grazer Philharmonikern E. W. Korngolds Cello-Konzert spielen. Es ist auch für mich neu, aber großartig.
Kleinhapl: Ich glaube, dass das Motto der Eggenberger Schlosskonzerte 2003 viel über mich selber sagt: Tradition ist nicht die Verehrung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Es ist mir wichtig, Potentiale verschiedener Stilrichtungen, Epochen, Gesellschaften und Gebiete miteinander zu verbinden und Grenzen zu überschreitet, in jeder Richtung.
KLIPP: Kann die Musik die Welt verändern?
Kleinhapl: Kunst, und im Speziellen Musik, ist für mich die höchste Form der sozialen Begegnung, weil sie zu einer nonverbalen Auseinandersetzung auf emotionaler Ebene führt und ein enormes Konfliktlösungspotenzial besitzt. Außerdem wird mir immer mehr bewusst, dass Kunst nicht Beiwerk ist, sondern zu den Fundamenten der Lebensfähigkeit einer sozialen Gesellschaft gehört, vielleicht auch durch ihre Möglichkeiten verschiedenste Gebiete und Gesellschaftsstrukturen miteinander zu verbinden. Aus all diesen Gedanken entspringt auch mein Wunsch, irgendwann einmal in großer Form kunstüberschreitende Ereignisse stattfinden zu lassen. Mit Literatur, Malerei, Musik, aber auch kulinarischen Beiträgen, die zu einem Gesamterlebnis verschmelzen.
Friedrich Kleinhapl, Grazer Cellist von Weltrang, hinterfrägt allzu enge Grenzziehungen im Konzertgeschehen. Er geht nicht nur mit seinen musikalischen Aufführungen grandiose Wege jenseits ausgetrampelter Konzertpfade. Er strebt kunst- und gesellschaftsüberschreitende Gesamtkunstwerke an und geht auch in seiner Partnerschaft mit der Hypobank neue Sponsorenwege.
Friedrich Kleinhapl ist gefragter Cellist mit inzwischen weltweiter Konzerttätigkeit, künstlerischer Leiter der ORF-Konzertreihe Eggenberger Schlosskonzerte, die er zu neuen musikalischen Höhen führte. Er ist ein großer Experimentator und ständig auf der Suche nach „seinem Ton“. Er nimmt permanent das Wagnis von Uraufführungen auf sich, wie etwa der Cellokonzerte von Christoph Cech, Ed Neumeister, Johannes Berauer, Dirk d’Ase. In Planung ist unter anderem ein Konzert für großes Orchester der Jazzlegende Bob Brookmeyer. Seit 1998 spielt er auf dem 324 Jahre alten Cello von Giovanni Tononi aus der Sammlung wertvoller Instrumente der Österreichischen Nationalbank.
KLIPP: Sie spielen sowohl Klassik als auch Gegenwartsmusik. Ist das nicht ein sehr spannungsreicher Bogen, dem Sie sich aussetzen?
Foto: Schafschetzy KLIPP: Vor 12 Jahren haben Sie sich durch eine schwere Krankheit der zeitgenössischen
Friedrich Kleinhapl vor einem Bild in seiner Grazer Wohnung


Das Cello immer dabei: Entspannung auf dem Sofa
Musik zugewandt. Können Sie Genaueres erzählen?
Kleinhapl: Ich hatte vor 12 Jahren einen Gehirntumor. Eine vollkommen überraschende Diagnose. Er wurde bei einer Magnetresonanzuntersuchung entdeckt und sollte sofort operiert werden. Doch ich suchte den Homöopathen Dr. Horst Nussmüller in Deutschlandsberg auf, da eine Operation nicht mein Weg gewesen wäre. Im Verlauf der Behandlung verlor ich mein Kurzzeitgedächtnis, mein Sehvermögen und Gehör verschlechterten sich massiv. Die Symptome verschwanden im Verlauf einer unglaublichen, spektakulären Nacht, nach welcher ich noch eine ganze Woche durchgehend wach war. Dieses Ereignis hat mich grundlegend verändert. Davor war ich ein sehr konservativer Mensch, sehr beschränkt auf formale Schönheit, auf romantisch-klassische Literatur. Durch dieses Erlebnis hat sich meine Weltsicht vollkommen verändert. Ich begann, Grenzen anzuzweifeln, Freiraum für Neues zu schaffen, mich zu öffnen, gesellschaftliche Dogmen zu negieren.
KLIPP: In der Partnerschaft mit der Hypobank sind Sie ebenfalls für die heimische Musikwelt neue Wege gegangen. Was bringt Ihnen dieses persönliche Sponsoring der Hypo Steiermark?
Kleinhapl: Ich bewundere die Kreativität und den Mut der Hypo Steiermark, einen derartigen Weg einzuschlagen und damit vom populistischen Mainstream abzuweichen. Ich glaube auch für die Hypo sprechen zu können, dass er sich für beide Seiten als absolut glücklich herausgestellt hat. In dieser Synergie wird meine Musik zu einem hörbaren und erlebbaren Symbol für das exklusive Privatbanking „Hypo Premium“ und andererseits unterstützt die Bank meinen Weg enorm. Mich begeistert dabei immer wieder die Offenheit der Hypo Steiermark und ihre Bereitschaft zu neuen Denkweisen. Nicht zuletzt zeigt sich diese Offenheit auch im Engagement der Hypo bei den Eggenberger Schlosskonzerten, deren künstlerische Leitung mir 2003 vom ORF angeboten und übertragen wurde. Diese Aufgabe ist wiederum aufgrund der hervorragenden Voraussetzungen sehr attraktiv für mich. Das energetisch höchst interessante Schloss Eggenberg, der ORF als großartiger Veranstalter und die Hypo Steiermark als Sponsor bieten eine ideale Basis, um eine Kammermusikreihe auf sehr hohem Niveau zu gestalten, in der auch Platz für neue Musik abseits vieler stark überstrapazierter Klischees ist. Ein Versuch, starke Energien aus unterschiedlichen Epochen zusammenfließen zu lassen, um in diesem Kontext Neues entstehen zu lassen und uns einen neuen Blick auf unsere eigene Welt zu ermöglichen. ■