
6 minute read
Gerhard Raab
Abseits gängiger Strömungen
„Es ist die Linie, die Kontur, die ich suche.“
Advertisement
Der Mann, der ebenso gelassen wie bestimmt seinen Weg verfolgt, ist ausgestattet mit dem Durchhaltevermögen eines Marathonläufers. Er wirkt gesammelt und konzentriert, Gerhard Raab gehört zu den souveränen Fi-
guren der österreichischen Kunstszene: Zurückhaltend überstand er den Boom der Neuen Wilden, beharrlich und ganz undogmatisch bleibt er bei der Sache und mit ebensolchem Gleichmut nimmt er zur Kenntnis, dass seine Bilder und Objekte heute wieder stark gefragt sind. Er denkt lieber zweimal nach, bevor er etwas Unachtsames sagt, längere Gesprächspausen im Interview gehören dazu. (Geb. 1956 in Graz, 1993–1997 Akademie für bildende Künste, Prof. Gunther Damisch, Wien, 1997 Diplom für Graphik und Malerei, 1997–2001 Studium Bildhauerei, Prof. Bruno Gironcoli, Wien, 2001 Diplom für Bildhauerei, seit 1976 Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.) Der Werkstoff Schaumgummi gehört zum festen Repertoire in Raabs Oeuvre. Ein Werkstoff, emotionslos, distanziert und steril, der in den sechziger und siebziger Jahren von Künstlern wie Verber Panton dazu benutzt wurde, die spießige Nachkriegsgesellschaft in psychodelische Delirien aus Kunststoff zu katapultieren. Bei Gerhard Raab erlebt der verpönte Plastikzauber seine Wiederauferstehung in vielfarbiger Noblesse, sensiblen Linien, kraftvollen Farben, rätselhaften Formationen und puristischen Teilungen. Die ObjektBilder sind bunt und mobil, geraten unter Raabs Choreographie in Schwingung. Gerhard Raab: „Es ist für mich auch ein reizvolles Spiel mit der Oberfläche.“ Durch ihre bloße Präsenz zaubern sie eine Atmosphäre, die jedem Raum Charisma verleiht; Schaumgummi gibt materiellen Halt. Er verdichtet in seinen Objekten Farben und
Formen zu flächigen Konstruktionen, da bedarf es größerer Aufmerksamkeit des Betrachters, um nicht in gesetzte Sehfallen zu tappen. Die Farbakkorde, intuitiv gefunden, von der Anonymität des Schaumstoffes getragen, zusätzlich noch hinter Plexiglas gesetzt, erweisen sich letztendlich als bedeutungslos. Gerhard Raab: „Es ist die Linie, die Kontur, die ich suche, sie hat für mich Gewichtung, bestimmt die Komposition. Die Farben sind beliebig auswechselbar und dienen nur dazu, die Kontur zu verdeutlichen.“ Von weiblichen Aktfotos ausgehend, für den Künstler ein unerschöpflicher Fundus an gestalterischen Möglichkeiten, reduziert er am Com-
puter durch Kontrasterhöhung und durch Eliminierung aller Grau- und Farbwerte Formen und Umrisse, bis er für sich die ultimative Linie gefunden hat: Metaphern für den ganzen Menschen. Es scheint, als triebe die Schwere des Daseins den suchenden Künstler in die harmonischen Gefilde der Abstraktion, die Verwandlung vom weiblichen Körper in ein System von Linien und Schablonen: Festkörper und Körpergrenze hören sich auf, Fragmentierung ist eine unweigerliche Folge. Für ihn ist der künstlerische Prozess bzw. seine Handschrift dann ausgeblendet. Was folgt, ist Handwerk – und das auf solideste Art und Weise. Die Ausfertigung übernimmt eine Firma in Niederösterreich, die sich auf das Schneiden von Schablonen auf Schaumstoff spezialisiert hat. Beim Kauf eines seiner Bildobjekte erwirbt der Käufer auch gleichzeitig ein Zertifikat in Form einer signierten Diskette, das es ihm erlaubt, maximal fünf Schablonen in beliebiger
Farbwahl nachzubestellen –was dem Sound-Tüftler der
Sampler, ist dem visuellen Gestalter das Spiel mit der Oberfläche.
Seine Entwürfe sind ideale
Vorlagen für das Siebdruckverfahren. Dafür steht die glatte
Farbigkeit ebenso wie die gewissermaßen industrielle
Nutzbarkeit der Entwürfe, die mit wenigen Farb- und Formveränderungen zu ganz neuen
Werken umgestaltet werden können. Mit sensibel gesetzten
Linien versucht er Dramen sichtbar zu machen, die sich im
Kopf abspielen – abseits gängiger Strömungen präsentiert
Gerhard Raab Elementardarstellungen, mit denen er in der
Gegenwartskunst eine Position ohne Parallelen markiert. ■
v o n S a b i n e R ö ß l - S c h ö g l e r

K u l t u r


Gerhard Werner: 120 Platten und 200 Grammophone gesammelt. Begeistert – seine Hörer von Frohnleiten bis Leibnitz.

Nostalgie aus feinen Rillen
Wie sich Gerhard Werner in der Pension seinen Radiomacher-Traum auf 94,2 MHz erfüllte.
In einer Sackstraße, versteckt in einem kleinen Wald in Raaba bei Graz, findet man eine feine Radio-Perle. Denn von dort sendet der 66-jährige ehemalige Kriminalbeamte Gerhard Werner seit bald einem Jahr täglich zwölfeinhalb Stun-
den lang „Radio Nostalgie“ –und das bedeutet melodiösen Jazz-Swing und Tanzmusik pur. Auf dem Programm stehen nur Schellack-Schallplatten aus den Jahren 1920 bis 1950 – Werner kann dabei auf einen Fundus von rund 120.000 Titeln zurückgreifen, die er in den letzten 45 Jahren gesammelt hat. „Ich bin ein Swinger“, erklärt er. „Das ist die Musik, die ich liebe – und damit bin ich nicht allein.“ Hunderte Briefe und Postkarten hat er seit dem Sendestart im Juli 2003 bereits bekommen, die Absender finden sich in jeder Altersgruppe. „Auch Jugendliche sind darunter, denen diese Art Musik gefällt“, freut er sich. „Die können ja nichts dafür, dass es auf allen anderen Radiosendern nur mehr ,KrachbummMusik‘ und Geschrei gibt.“ Jahrelang hat er versucht, sein Programm anderen Sendern anzubieten – „Aber irgendwann hatte ich es satt, dauernd ein Bittsteller zu sein.“ Darum beschloss er, sich um eine der begehrten Radiofrequenzen zu bewerben. „Es war ein harter Kampf, weil es 48 Mitbewerber gab. Aber ausschlaggebend dafür, dass ich den Zuschlag erhielt, war die Einzigartigkeit meines Programms. Das findet man nämlich in ganz Europa nicht!“, ist er stolz. Die Einsprüche der Mitbewerber („Vor allem aus dem Zeitungsbereich“, so Werner) sind mittlerweile in der letzten Berufungsinstanz – der engagierte Radiomacher ist frohen Mutes, auch in der Letztentscheidung die Frequenz behalten zu dürfen. Darum hat er sich bereits eine zweite Antenne gekauft, um die Sendeleistung in Zukunft noch verbessern zu können. „Auf 94,2 MHz kann man ,Radio Nostalgie‘ von Frohnleiten bis Leibnitz empfangen.“ Und außerdem auch per Internet weltweit auf der Homepage www.radionostalgie.at.
v o n B e r n d H a d l e r
Leben und Leute
E i n t e u r e s H o b b y
Freilich: Billig ist die Musikleidenschaft des Pensionisten nicht. „Ich weiß nicht genau, wie viel Geld ich bereits reingesteckt habe“, meint Werner, der aber nichts bereut. Im Garten baute er ein eigenes Studio mit zwei Pulten, an denen gearbeitet werden kann. Außerdem arbeiten sieben Mitarbeiter („Der Älteste ist bereits 80 Jahre alt!“) an eigenen Sendungen, wie etwa der „Literaturecke“ oder „Berichten über Erfinder und Erfindungen“ sowie am Klassikbereich, in dem es vor allem Operetten zu hören gibt. Doch Radiomann Werner liebt nicht nur die Musik aus der Zwischenkriegszeit, sondern ist grundsätzlich ein „Oldies-Fan“. In seiner Garage stehen zwei Oldtimer, im Haus verteilt finden sich rund 200 Grammophone, die als eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art gelten, dazu sammelt er auch alte Uhren – Nostalgie, wohin man auch blickt. Wenn er jedoch über die Musik von Glenn Miller, Duke Ellington (den er übrigens wie viele andere Altstars auch persönlich getroffen hat) & Co. spricht, wird seine Leidenschaft schnell verständlich: „In allen Liedern gibt es wunderbare Melodien und Harmonien – das macht diese Musik so einzigartig!“ Wunschlos glücklich ist er jedoch noch nicht: Denn dass „Radio Nostalgie“ praktisch werbefrei über den Äther kommt, ist nicht ganz im Sinne des Erfinders. „Werbekunden wären sehr willkommen“, so Werner. „Jeder dritte Grazer hat bereits auf der Nostalgiewelle mitgeswingt – ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Zielgruppe von der Wirtschaft ignoriert werden kann!“ ■