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Jeder in seinem Tempo
Zwei Grazer machen in der Behindertenarbeit ihre Vision wahr Jeder in seinem Tempo
Alle Menschen sind gleich, aber nicht alle Menschen haben gleiche Chancen. Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderung, zum Beispiel, werden oft unterschätzt und diskriminiert, weil sie langsam sind, vielleicht im Rollstuhl sitzen, motorisch schwach sind oder eine andere kleine Schwäche haben. Die beiden Grazer Walburga Fröhlich und Klaus Candussi engagieren sich in ihrem (Berufs-)Leben stark für die Schwachen.
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G e m e i n s a m e Vi s i o n
„Diese Menschen können alles oder fast alles lernen! Sie brauchen nur genug Zeit dafür, passende Schulung und Hilfe“, wissen die beiden, denn sie haben viele Jahre Erfahrung im Sozial-
bereich und mit behinderten Personen. Daher die Behauptung: „Es gibt Arbeiten, die sie viel besser als alle anderen erledigen können. Mit Geduld, im ihrem eigenen Tempo.“ Als sie sich bei einem Projekt kennen gelernt haben, hatten sie eine gemeinsame Vision: Alle Menschen sollen gleiche Chancen haben. Im Jahre 2000 gab es in London ein großes, internationales Treffen, bei dem sie in diese Welt gleichsam eingetaucht sind. „Wir können alles lernen“, war dort der Tenor der Behinderten. Und die beiden Grazer nahm diese Haltung sofort gefangen und sie entschlossen sich, Behinderten zu helfen, sie in das normale Leben, in dem sie selbst für sich sorgen können, zu integrieren. Sie gründeten „Atempo“ – sinngemäß übersetzt: jeder in seinem Tempo. Unter diesem Motto reichten sie vor 5 Jahren vier Projekte ein, die aus dem Fonds Behindertenmilliarde finanziert werden sollten. „Heute lebt das, was wir uns vor fünf Jahren gewünscht und gedacht haben“, freut sich Walburga Fröhlich, in ihrem Kreis einfach „Burgi“ genannt. „Unser Ziel war und ist, Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderung für qualifizierte, innovative Berufe auszubilden, damit sie einen Job im ersten Arbeitsmarkt finden und ihn erfolgreich ausüben können. Sie sollen die gleiche Chance haben wie andere auch. Alle unsere vier Projekte wurden angenommen. So konnten wir bald Hilfsmittel, Materialien und Lehrräume anschaffen und ihnen Ausbildung in verschiedenen Richtungen anbieten.“ Begonnen hat das Duo Fröhlich/Candussi mit 12 Mitarbeitern in Graz, heute zählt die stark wachsende Mannschaft bereits 50 Personen. Das Interesse für die Projekte und Dienstleistungen ist groß, sogar über die österreichischen Grenzen hinaus. „Wir haben einen regen Austausch mit ausländischen Organisationen. Und wir lernen voneinander ununterbrochen. In jedem Land gibt es innovative Ansätze. Wichtig ist nur, dass jeder Mensch in jedem Land seinen Platz bekommt.“ ■
v o n V e r a L e o n
Walburga Fröhlich und Klaus Candussi: Man muss erkennen, wo die Stärken und Schwächen des Menschen mit Behinderung liegen.

Durch die Ausbildung mehr Chancen in der Arbeitswelt
Die „Vier Italiener“: Capito, Daqui, Nueva und Sud.
Capito bedeutet barrierefreie Informationen. Es geht um verschiedene Texte, die leicht leserlich und verständlich gemacht werden. „Das heißt, unsere Teilnehmer lernen in der Schulung Texte auf Verständlichkeit zu verarbeiten.“ Die Partner, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen sind z.B. Ämter und Behörden.
Bei Daqui werden EDVGrundlagenkenntnisse erlernt sowie die Arbeit mit Datenbank. Die Teilnehmer werden befähigt verschiedene Auftragsarbeiten im Datenbereich, Datenerfassung, Programmieren, Versand, Bürohilfsdienste und einiges mehr durchzuführen.
Nueva bietet die Ausbildung zum/r Experten/in, die sich mit der Erstellung von Wohnkatalogen beschäftigen. Sie machen Interviews mit Bewohnern in Wohnheimen. Die Kataloge dienen dazu, die Menschen mit Lernschwierigkeit und Behinderung über Wohnmöglichkeiten zu informieren. Seit 2001 gibt es eine Zweigstelle von Nueva auch in Wien.
Und schließlich das Projekt Sud (selbst und direkt): Menschen mit Lernschwierigkeiten informieren selbst über ihre Anliegen und Forderungen. Sie vertreten sich selbst.
Dass alle Projekte des Duos Candussi/Fröhlich italienische Namen bekommen haben, liegt an ihrer Sympathie für unser südliches Nachbarland. „Wir waren damals in Italien auf Urlaub und wir ließen uns durch die italienische Sprache inspirieren“, klärt Walburga Fröhlich auf.