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15 Mio-Euro-Investition in Bulgarien
Es ist keine Entscheidung über Nacht. Die Kontakte mit Bulgarien gehen bis ins Jahr 1997 zurück. Was damals als „One-Man-Show” begann, erreicht in diesem Jahr seinen Höhepunkt: Karl Polzhofer aus Pöllau investiert mit seiner Kapo- Gruppe und Partner Rudolf Leitner rund 16 Millionen Euro in den Bau eines Fensterund Türenwerkes auf der grünen Wiese sowie die Errichtung eines Geschäftszentrums in der Fußgängerzone in Plovdiv.
Plovdiv-Fußgängerzone: Gebäude wird für 4,5 Millionen Euro zur „Star Gallery“ umgebaut.
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Steirisches Parade-Unternehmen Kapo ist risikofreudig

We n n e i n „ J a “ e i n „ N e i n “ i s t Kopfbewegungen können in Bulgarien gefährlich und verhängnisvoll sein, denn was bei uns als „Ja“ gilt, ist dort ein „Nein“. „Als bei Verhandlungen die bulgarischen Geschäftsleute ständig mit dem Kopf geschüttelt haben, fragten wir uns völlig verunsichert: Warum sind die mit nichts einverstanden?“, erzählt Karl Polzhofer. „Bis ich und wir aufgeklärt worden sind, dass unser ,Ja‘, das Nicken mit dem Kopf, in Bulgarien ,Nein‘ bedeutet.“ Bei einem Lokalaugenschein in Bulgarien konnten auch Journalisten einen Eindruck gewinnen, wo das Land knapp zwei Jahre vor dem Beitritt zur Europäischen Union steht. Das Resümee ist zum Teil sehr, sehr ernüchternd: Auf vielen Ebenen werden noch Jahrzehnte vergehen, bis das Land echte EU-Reife erlangen wird. Auf der mehrstündigen Busfahrt fällt dem Beobachter eines ganz besonders auf: Es gibt viel Schmutz in Siedlungen, auf den Straßen, außerhalb der Orte; ein Großteil der Wohnungen und Gebäude in den Städten Sofia und Plovdiv wirkt heruntergekommen. Die Gemeinden sind nach der Wende total verarmt. Da und dort aber entsteht Neues, ziehen westliche Firmen ihre attraktiven neuen Geschäfte, Niederlassungen und Produktionsstätten auf. Der EU-Beitritt im Jahre 2007 wird das Land vor gewaltige Herausforderungen stellen. Die EU wird die Bulgaren mit ihren Konsumgütern förmlich überschwemmen, Spekulanten werden sich im Land die Türklinken in die Hand geben und die Bulgaren können nur versuchen, so gut es geht mitzuschwimmen. Es wird ein schmerzhafter Prozess, der aber hoffentlich der jungen Generation mehr Chancen bringt. Der Aderlass vor Jahren nach der Wende war gewaltig, weil sich hunderttausende junge Menschen Richtung Westen absetzten. Mit dem Beitritt zur EU soll die Tristesse überwunden werden, ansonsten befürchtet man eine weitere Ermüdung der Gesellschaft. Als Muntermacher agieren auch namhafte österreichische Unternehmen, die bereits am interessanten bulgarischen Markt tätig sind. So baut die STRABAG in Sofia den internationalen Flughafen und Autobahnen, die niederösterreichische EVN hat fast die Hälfte der Stromversorgung übernommen, die VAMED errichtet die neue Universitätsklinik in Sofia, Knauf, Billa, Wiener Städtische sind weitere bekannte österreichische Investoren, die bulgari-
15-Millionen-Euro-Investition in Bulgarien sche Mobilfunk-Kette gehört zur Holding von Josef Taus.
v o n J ü r g e n L e h n e r Modell des 11 Millionen teuren Kapo Fenster- und Türenwerkes in Plovdiv. Karl Polzhofer: „Das Land bietet so viel.“

N a c h We n d e v i e l e F e h l e r
Bis zur Wende galt Bulgarien als die Speisekammer des Ostblocks. Man produzierte drei Mal so viel landwirtschaftliche Güter, als man benötigte. Einer der Hauptabnehmer war die Sowjetunion. Dieses Bild hat sich total gewandelt. Heute importieren die Bulgaren Obst und Gemüse. Auf der Busreise zwischen Sofia und Plovdiv fahren wir an unbebauten Feldern vorbei, an Obst- und Gemüseplantagen, die praktisch verfallen sind. Nur ab und zu leuchtet eine grüne Insel heraus. Privat- und Eigeninitiative lautet die Zauberformel, mit der man den Zustand beenden will. Das Problem dabei: Früher waren die landwirtschaftlichen Flächen im Besitz des Staates, dieser gab sie nach der Wende wieder den ur-

Bekannte Logos
sprünglichen Besitzern bzw. deren Erben zurück. „Und da es in vielen Fällen schon die Enkelkinder sind, die noch dazu oft kein Interesse an der Landwirtschaft haben oder irgendwo in der Welt verstreut wohnen, ist es ungemein schwierig, rasch und mit einer Rechtssicherheit Grund und Boden zu kaufen“, erklären unsere Begleiter.
L i c h t b l i c k i n P l o v d i v
Nach zwei Stunden Fahrt und dem ernüchternden Kurzbesuch in Sofia spazieren wir durch die Fußgängerzone in Plovdiv. Einer Stadt, die etwa so groß wie Graz ist und völlig anders als die Hauptstadt – kleine, schmucke Geschäfte, viele Menschen, eine nette Altstadt mit Cafés, Restaurants, Antiquitätenläden. „Wenn man sich hier einmal ein bisschen umgesehen hat, dann fühlt man sich schnell wohl“, sagt Karl Stoppacher. Er ist als langjähriger Mitarbeiter die rechte Hand von Kapo-Chef Karl Polzhofer und lernt bereits seit einem Jahr fleißig Bulgarisch. „Wenn du nicht selbst vor Ort Hand anlegst, dann hat eine solche Investition keine Chance, gut zu laufen“, sagt er. Er wird das rund zehn Millionen Euro teure Fensterund Möbelwerk in Plovdiv führen. „Meine Frau und ich werden damit zu Pendlern, aber es ist eine reizvolle Aufgabe“, freut er sich auf die Herausforderung. Auch das übrige Führungsteam der Kapo-Gruppe steht hinter dem Expansionsschritt, weil man erkannt hat, dass nach anfänglicher Skepsis damit auch der Standort Pöllau profitieren kann. Im Sommer wird mit dem Bau begonnen, Ende 2006 will Karl Polzhofer die Eröffnung vornehmen und die Produktion starten. „Wir werden vorerst rund 50 Mitarbeiter beschäftigen, von denen bereits jetzt viele bei Aufenthalten in Pöllau immer wieder geschult werden.“ Herzstück des Werks wird die modernste Produktionsstraße sein, die es in der Branche zur Zeit gibt. Um unüberbrückbare Hürden und Überraschungen zu unterbinden, werden in Pöllau und in Plovdiv zwei idente Anlagen in Betrieb sein. „Auch als Absicherung für den Fall, dass eine Produktion ausfällt.“ Klar ist, dass sich die Qualitätsfenster und -türen nur die einkommensstarke Gruppe der Bulgaren leisten kann. Doch schon jetzt bearbeiten Mitarbeiter der Kapo Bulgaria den riesigen türkischen Markt mit viel Erfolg. Und man werde, so Karl Polzhofer, von Plovdiv aus künftig auch die übrigen südosteuropäischen Länder gut bedienen können. Möglich gemacht hat das alles aber auch sein bulgarischer Partner Dimitar Manolov. „Ohne ihn hätte ich das nie gewagt, er ist einfach ein absoluter Top-Man, spricht sechs Sprachen wie Türkisch, Deutsch, Ukrainisch, Russisch, Italienisch.“ Seine hervorragenden Kontakte zu allen wesentlichen Behörden waren ausschlaggebend, dass das riesige Projekt sehr, sehr rasch alle erforderlichen Genehmigungen erhielt. „Ohne Partner vor Ort kannst du den Osteuropa-Markt nicht bearbeiten.“

Bei der Büroeinweihung in Plovdiv durch den griechisch-orthodoxen Priester. Kapo-Partner, Baumeister Rudolf Leitner und der Bulgare Dimita Manolov, verlässlicher, langjähriger Partner, vor Ort.

N e u e s G e s c h ä f t s z e n t r u m i n d e r F u ß g ä n g e r z o n e
Bei der Eröffnung des Büros gab es traditionell – wie das in Bulgarien der Fall ist – den Segen des griechisch-orthodoxen Geistlichen. Gemeinsam mit seinem Partner, dem Baumeister Ing. Rudolf Leitner aus Übelbach, erwarb Karl Polzhofer ein mehrstöckiges Geschäftshaus in der Fußgängerzone. Rund fünf Millionen Euro werden investiert sein, bis das Schmuckstück in der Fußgängerzone eröffnet sein wird. „Die Besucherfrequenz ist hoch – fast 50.000 Menschen sind da täglich unterwegs – und daher gehen wir davon aus, dass unser Haus zum neuen Herzeigestück für Plovdiv wird.“ Nicht zuletzt deshalb hat man dem kommenden Zentrum mit „Star Gallery“ einen ambitionierten Namen gegeben. Die Renovierung und der Ausbau des Gebäudes erfolgen durch die Gruppe „United Designers“. Es handelt sich dabei um erfahrene österreichische Experten für Projektabwicklungen – wie den Niederösterreicher Paul Maier, den Statiker Timur Uzunoglu, den Techniker Bernhard Hammer und eben Baumeister Rudolf Leitner. Das Geschäftszentrum in Plovdiv soll gleichsam die Visitenkarte für weitere, künftige Vorhaben in Bulgarien sein. Und Karl Polzhofer ist überzeugt, dass man mit diesem Schritt auf das richtige Pferd setzt: „Das Land bietet so viel, es gibt so viele Ideen, etwa für den Bau einer Therme oder eines Dienstleistungszentrums. Ich bin immer wieder überrascht, wie offen und veränderungswillig die Menschen hier sind.“ ■

Jetzt hat noch der Schafhirte das Wort. Karl Stoppacher: „Bald werden hier schon die Baumaschinen den Ton angeben.“