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KLIPP COVERSTORY

Panik, Endzeitstimmung, ungläubiges Staunen, Schock und Bestürzung, weit seltener Erleichterung. So reagieren steirische Blaue auf Haiders Abspaltung. Im Februar 2000 noch selbstbewusster Sieger, droht fünf Jahre später der FPÖ der Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit. Für den steirischen FPÖ-Chef Leopold Schöggl schlicht ein Super-Gau. Doch wie heißt es: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Tr ä n e n b e i F u n k t i o n ä r e n

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„Ich kann es einfach nicht fassen, ich will es nicht glauben, mit einem Schlag sind 30 Jahre Aufbauarbeit vernichtet“, versucht ein Grazer Funktionär seine Tränen gar nicht zu verbergen. Trotz aller Kritik an der Regierungsarbeit war für ihn eine Spaltung der FPÖ durch Haider dennoch unvorstellbar. Weil ja keine grundlegenden FPÖ-Werte über Bord geworfen wurden. Dass Jörg Haider die Partei wegen seiner Angst vor einer Demontage und einem Scheitern auf dem Parteitag zerstören würde, wagte kaum jemand wirklich zu denken.

K a n n ’s d e r B e s s e r w i s s e r n o c h b e s s e r ?

Er hat seine Partei seit Jahren in Geiselhaft. Einmal war er weg, dann wieder da, pflanzte er seine Kameraden. Mehrmals gründete er die FPÖ neu, doch nie tat er den letzten Schritt. Als er seine Schwester Ursula Haubner gleichsam zur Statthalterin machte, war es um die Partei entgültig geschehen. Nett, aber ohne Charisma, ohne den Punch einer Gestalterin, auch eher gehemmt in ihrem Auftreten, gefördert und überbewertet durch den Bruder, wurde sie in den letzten Wochen zur Statistin degradiert. Was Jörg Haider ankündigte und ankündigt, muss sie umsetzen, etwa den Ausschluss von Andreas Mölzer aus der FPÖ. Dabei wollte sie eigentlich nur eines, Obfrau bleiben und in Ruhe weiter regieren. Dass daraus nichts wurde, dafür darf sie sich bei ihrem Bruder bedanken. Eines hatte er ihr mit der Gründung des BZÖ zumindest erspart: Dass sie am Parteitag der FPÖ am 23. April gegen den Wiener Obmann Strache ins Rennen musste. Chancen hätte sie keine gehabt. Eine Partei mit einer Familienführung kann nicht mehr für den Wähler aber auch für viele Funktionäre attraktiv genug sein. Wer davon profitierte, ist Kanzler Schüssel. Seine größte Leistung besteht darin, dass es unter seiner Regierungszeit gelungen ist, die FPÖ auszubremsen, auszutricksen und sie letztendlich zu spalten. Ob sich am Ende doch noch Jörg Haider an Kanzler Schüssel rächen wird – heute wagt keiner zu sagen, ob das gelingt.

Leopold Schöggl will durchhalten … … auch FPÖ-Klubobfrau Dietrich Knerzl (Liezen): Sympathie für BZÖ

S t e i r e r g e h e n e i g e n e n We g

FPÖ-Obmann Leopold Schöggl benötigte mehrere Tage, um sich vom Schock zu erholen. Doch dann war klar: Er verbleibt in der alten FPÖ und mit ihm auch eine solide Mehrheit an Funktionären. Er steht im Herbst auf dem Prüfstand und hat damit für die Landtagswahl noch schlechtere Karten, auch wenn es heißt: Jetzt erst recht. Trotz dieser zum Teil aufgesetzten Einigkeit nach außen wird es ganz schwierig. Mit Bleckmann und Rossmann wird die FPÖ als Partei ihre Aushängeschilder im Nationalrat verlieren, im Landtag wird sich ein BZÖ-Club etablieren. Laut steirischem Gesetz erhalten bereits zwei Abgeordnete den Club-Status.

Und für wen marschieren künftig die steirischen Bezirkschefs?

Gerhard Kurzmann in Graz: Er geht davon aus, dass eine große Mehrheit der Grazer Gruppe bei der FPÖ bleibt. Franz Lafer in Feldbach, auch Landtagsabgeordneter: Er macht seinen Schwenk zum BZÖ rasch wieder rückgängig und will mit Schöggl an einem Strang ziehen.

Ruth Siegel in Deutschlandsberg: Wir bleiben freiheitlich und unterstützen Schöggl.

Verena Graf in Bruck: Blau hat eindeutig Vorrang, nur zwei Teilnehmer zeigten Sympathie für die BZÖ.

Anton Kogler in Hartberg: Er sei kein Wendehals, für ihn gibt es nur eine FPÖ.

Gerald Raidl in Judenburg: Er hält sich bedeckt. Man weiß allerdings, dass Schöggl und Dietrich mit ihm nicht besonders gut können.

Karl Wiedner in Leibnitz: Er hofft auf einen steirischen Weg

Foto: Peter Philipp

GR Korschelt, Graz: Bestürzt Uray-Frick: hält Blau die Treue Wiedner: Schwankende Haltung

Ferstl: bleibt auf Schöggl-Linie … … ebenso Verena Graf (Bruck) Lafer: BZÖ-Schwenk widerrufen Reindl (Weiz): steht zu seiner FPÖ

der FPÖ, nachdem er in einer Kurzphase für das BZÖ kandidieren wollte.

Friedrich Grabner in Leoben: Er setzt auf den eigenständigen, steirischen FPÖ-Weg.

Anton Knerzl in Liezen: Er zeigt Sympathie für das BZÖ, aber auch für eine eigenständige FPÖ in der Steiermark.

Waltraud Dietrich in Knittelfeld, Klubobfrau der FPÖ: Sie bekennt sich zu dieser. Eine Doppel-Mitgliedschaft ist laut Partei-Statut nicht zulässig.

Gerald Deutschmann in GrazUmgebung: Der Bezirk bleibt blau, er halte nichts vom BZÖ.

Engelbert Weilharter in Murau: Keine Sympathien mit dem BZÖ, Murau steht voll hinter der FPÖ.

Karl Grafeneder in Mürzzuschlag: Wir fühlen uns den Wählern verpflichtet und stehen hinter der FPÖ.

Gerhard Hetzl in Voitsberg: Er hat Probleme mit dem Kurs Schöggls und tendiert zum BZÖ und zu Haider.

Hermann Reindl in Weiz: Er bleibt der FPÖ treu.

Harald Fischl in Fürstenfeld: Er ist bekanntlich der neue Finanzchef des BZÖ, verlässt also die steirische FPÖ. Wolfgang Pircher in Radkersburg: Wir stehen voll zur FPÖ, grenzen uns aber vom nationalen Lager deutlich ab.

M e h r h e i t f ü r N e u w a h l e n

Mit Hohn und Verachtung attackierte Haider in den 90erJahren seinerzeit Heide Schmid, als diese sich von Jörg Haider lossagte und ebenfalls „von oben“ das Liberale Forum gründete. Sie hätte keine demokratische Legitimation, griff Haider damals Heide Schmid und ihre Schicksalsgenossen heftigst an. Die könne man nur durch Wahlen erlangen. Nun setzte er mit der Gründung BZÖ den gleichen Schritt und sieht sich sehr wohl vom Wähler her legitimiert. In zahlreichen Umfragen kommt aber ganz klar zum Ausdruck, dass sich die Mehrheit der Österreicher für eine Neuwahl ausspricht.

G e s c h l o s s e n h e i t i s t w i e d e r d a

Obwohl Jörg Haider davon ausgeht, dass die Mehrheit der FPÖ-Steirer seinem BZÖBündnis beitreten werden, ist das bis dato überhaupt nicht der Fall. In einem Kleine-ZeitungInterview gibt er sich allerdings optimistisch, dass sich die Mehrheit der Funktionäre und der Basis für orange entscheiden werden. Von den Mandataren haben sich bisher nur Kurt List und Theresia Zierler eindeutig für Haiders BZÖ ausgesprochen, wobei letztere ohnehin bereits ihren Abschied aus der Politik angekündigt hat. Da im Herbst im Land neu gewählt wird, fällt ihre Entscheidung daher überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Am 22. Mai findet ein ordentliche FPÖ-Landesparteitag mit Neuwahlen statt. Obmann Leopold Schöggl hatte im Jahre 2003 nur noch 74,7 Prozent Zustimmung erhalten. Als er sich im Jahre 2001 das erste Mal als Überraschungskandidat dem

blauen Parteitag präsentierte, schaffte er noch 94,5 Prozent. Damals allerdings war er nur FPÖ-Insidern bekannt.

Köhldorfer (Ring Freiheitlicher Unternehmer): Richtige Entscheidung?

B Z Ö b e r e i t s m e h r a l s 1 0 0 0 M i t g l i e d e r

Auf der Homepage des Bündnisses Zukunft Österreichs (www.bzoe.at) haben sich bereits mehr als 1000 Personen als Mitstreiter eingetragen. Haiders alte Kampfgefährten stehen parat: Denn die vorläufige Adresse der neuen Bewegung ist zufälligerweise identisch mit jener der Werbeagentur des HaiderFreundes Gernot Rumpold in Wien.

D e r b y B l a u g e g e n O r a n g e : N u r e i n e r ü b e r l e b t

Politologe Peter Filzmaier hält es laut Interview mit Hubert Patterer in der Kleinen Zeitung (6. 4. 2005) für realistisch, dass sich das BZÖ als Kleinpartei behauptet. Im politischen Abstiegsderby Orange gegen Blau sieht der Politologe Peter Filzmaier klare Vorteile für die Mannschaft des BZÖ. „Haider hat eine Galgenfrist bis zur Wahl, während Strache in der heikleren Ausgangslage ist. Er hat nur ein kurzes Zeitfenster, um sein Strahle-Image zu festigen, denn schon in wenigen Monaten droht ihm und seiner FPÖ im Burgenland, in der Steiermark und in Wien eine Serie schwerer Einbrüche.“ Mit dieser Einstandspackung, so der Politikwissenschafter, könne Strache wohl nur schwer eine aussichtsreiche Obmann-Karriere bauen. Auf ein K.O. durch Aushungern dürfte auch die Taktik Haiders abzielen. Filzmaier: „Er rechnet damit, dass die FPÖ-Alt schon bald in der Versenkung verschwindet und zerfällt. Wenn einer stirbt, erhöhen sich die Überlebenschancen des anderen.“ Laufen beide ein, würde man

Bleckmann: steht sie zu Haider? … Harald Fischl tut das List sympathisiert mit BZÖ … … dies tut auch Zierler

sich kannibalisieren. „Sieben Prozent dividiert durch zwei, vielleicht kommt da einer gerade noch röchelnd davon und schafft den Einzug ins Parlament.“ Auch wenn es einmalig sei, dass eine Partei in der Regierung einen solchen Identitätswechsel vornehme, hält Filzmaier vorzeitige Neuwahlen dennoch für unwahrscheinlich: „Paradoxerweise hat das BZÖ die Stabilität erhöht, ungeachtet der Frage, ob das neue Bündnis in der Regierung legitimiert ist. Die Abweichler sind draußen, so hat man bis zur Wahl 2006 Zeit gewonnen.“ Auch die ÖVP werde alles tun, um Neuwahlen zu vermeiden, glaubt Filzmaier. Sie wären ein zu hohes Risiko, „da genießt die ÖVP lieber weiter das Privileg einer De-facto-Alleinregierung.“ Der Politikexperte hält es für möglich, dass sich das BZÖ trotz aller Arabesken als Kleinpartei behauptet und nahe an die Zehn-ProzentMarke kommt. Dem pflichtet auch Politologe Fritz Plasser bei: „Ich würde Haider noch nicht ins Ausgedinge stellen. Er könnte mit seiner Rückgewinnungsexpedition von der ÖVP zwei, drei Prozent zurückholen. Auch ein älterer Haider hat seine kommunikativen Stärken.“ Worüber altgediehnte blaue Funktionäre erleichtert sind: dass die Geiselhaft des Duo Haider-Haubner ein Ende genommen hat. ■

Damals, im Jahr 2001, war die die FPÖ-Welt noch heil. Von der Kraft des Neuen ist heute nichts mehr spürbar.

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