Katharina Gruzei „seziert“ eine brauchtümliche Goldhaube. Fotos: Katharina Gruzei
... und wir begegneten uns in einem dritten Raum ... Vielförmiges Kunstschaffen im Rosental. An welchem Ort (be)findet sich DIE Bedeutung und wo findet Definition statt? Gibt es eine Möglichkeit Unbestimmtes einfach stehen zu lassen, für das sogenannte „Andere“ einen sensiblen Umgang und einen Ort der Reflexion herzustellen? Die Theorie des dritten Raumes von Homi K. Bhaba bietet einen Weg, sich von einer Definitionsmacht rund um kulturelle Symbole zu lösen. Kulturen sind in diesem Sinne nicht essentialistisch bestimmt und in sich abgeschlossene und statische Gebilde, sondern dynamisch, performativ, veränder- und vor allem verhandelbar. Die von der Kuratorin, Kulturmanagerin und Geschäftsführerin des k&k Maria Malle ausgewählten Künstler*innen bewegen sich mit ihren Arbeiten in einem dieser dritten Räume, wenn sie versuchen, vermeintlich Klares zu hinterfragen oder vermeintlich Unverbindbares auf seine Parallelen hin zu überprüfen. Katharina Gruzei greift in einem ihrer Beiträge ein aktuelles wie auch heikles Thema auf: die Luftraumüberwachung der österreichischen Grenzen. In ihrer Videoarbeit mit dem Titel „Yaw“ wird der/die Betrachter*in in Vogelperspektive mit dem Panoptikum der österreichischen Grenzüberwachung „vertraut“ gemacht – befremdlich wirken die Drehbewegungen der Radarschirme, die Geräuschkulisse hinterlässt ein klaustrophobisches Gefühl und legt Assoziationen frei. Dramaturgisch setzt sich diese Drehbewegung fort, wenn die Kamera mit „Argusaugen“ das Dekonstruieren einer brauchtümlichen Gold haube verfolgt und der Künstlerin beim Sezieren der einzelnen Bestandteile über
die Schulter blickt. Beiden „Systemen“, dem Heimatschutz wie auch der schützenden Kopfbedeckung ist dabei inhärent, dass sie sich über eine abgeschlossene Form behaupten und zu einem (konstruierten) Außen hin abgrenzen. Beides stellt die Künstlerin hier zur Disposition. Berge, Ströme, Äcker, Dome – vielgerühmte Symboliken, deren Beliebtheit und Bedeutung in den Foto- und Videoarbeiten von Marko Lipuš überprüft und hinterfragt werden [siehe die Titel- und Rückseite dieser Ausgabe]. Was wäre eine zukunftsreiche, also utopische Deutung dieser? Mit welchem politischen Hintergrund entsteht jeweils welche Identifikationsschablone und sind diese Symbole nicht eigentlich unabhängig von nationalstaatlichen Grenzen? Das Land und die Berge kümmern sich wohl kaum um das fließende Übergehen in ein „anderes“ Land. Das Land und die Berge SIND einfach, Definitionen folgen jedoch der Logik einer Ab- und Ausgrenzung, einer Definition des „Eigenen“ über das „Fremde“ und „Andere“. Diesen kulturhistorisch überdefinierten Begriffen und deren „Landschaft(en)“ stellt Lipuš etwas gegenüber, dass sich geografisch nicht eingrenzen und festhalten lässt und dem unaufhaltsame Bewegung als ein intrinsischer Wert gilt: die Musik. So begegnen sich unschuldige Landschaften, durch welche vor 100 Jahren ein Strich gezogen wurde und Soundscapes aus dem 21. Jahrhundert, die den Blick, die Richtung und die Wahrnehmung der Betrachter*innen verzerren und mitunter verwerfen. Auch hier wird der dritte Raum als Ort der Reflexion und des Diskurses eröffnet.
zweiklang. dvozvok. Ergänzt wird die Ausstellung von „zweiklang/dvozvok“, einem ambitionierten Musikprojekt unter der Leitung von Stefan Thaler, welches hochkarätige Musiker*innen beider Volksgruppen aus Kärnten sowie renommierte Gäste aus der Österreichischen Jazzszene zusammenbringt (Tonč Feinig, Thomas Käfel, Clemens Salesny, Michael Erian, Daniel Nösig, Mario Vavti sowie Bertl Mayer und Willi Landl). An einem Septemberabend werden traditionelle slowenische und Kärntner Lieder, die sich in das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben haben und somit zu einem Konzept von Identität beitragen und beigetragen haben, zerlegt und in neue künstlerische Bezüge und somit in neue Kontexte überführt. Das traditionsreiche Volkslied wird mit den Mitteln der Improvisation wandelbar gemacht und mit zeitgenössischen, experimentellen Klängen versetzt – neue Töne für neue (Gedanken-)Räume werden hier entwickelt. ● Tanja Peball geboren in Villach, lebt in Graz, manchmal auch am Weißensee. Dramaturgin und Autorin, Fotografin, u. v. m.
Ausstellung Marko Lipuš & Katharina Gruzei: imagined carinthia – rethinking reality Vernissage: 23. April, 19 Uhr Ausstellungsdauer: bis 30. Juni Musikprojekt: zweiklang/dvozvok 26. September, 20 Uhr k & k – Kulturni in komunikacijski center/ Kultur- und Kommunikationszentrum Šentjanž v Rožu/St. Johann im Rosental www.kkcenter.at | www.carinthija2020.at
DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5
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