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Oeventrop und Olympia
VON OEVENTROP NACH OLYMPIA
von Hermann-J. Hoffe
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Werfen wir heute mal einen Blick zurück. Wir sind im Jahr 2012. Damals wie heute war die Welt im Umbruch. Eurokrise, Wirtschaftskrise und dies und das. Das Klagen war groß. Die internationale Sportwelt allerdings kannte nur ein Thema: Olympische Spiele in London. So war das auch im Sauerländer Städtchen Oeventrop.
DTU20: Helena, ein großer Moment in deiner sportlichen Laufbahn war der Gewinn der Bronzemedaille 2012 bei den Olympischen Spielen in London. Schildere uns doch noch einmal die Gefühle und Gedanken, nachdem klar war: Ich habe die Bronzemedaille gewonnen?
Helena: Ich habe im ersten Moment pure Erleichterung gefühlt. Der Weg zu dieser Medaille war so lang und oft auch nicht einfach. Knieprobleme waren mein ständiger Begleiter in der Vorbereitung und wenn man dann an so einem Tag für all die Arbeit belohnt wird, ist das schon extrem erleichternd. Es hat sich bewahrheitet, dass man irgendwann für alles belohnt wird. Man muss nur geduldig sein. Durch die vielen mitgereisten Fans war natürlich auch schnell die große Freude da. Diesen historischen Moment vor Ort mit meiner Familie und all meinen Freunden zu teilen und im deutschen Haus zu feiern, bleibt unvergesslich.
DTU20: Zehn Jahre danach, wie bewertest du in der Rückschau diesen sportlichen Erfolg für dich?
Helena: Bislang hat keine Dame nach mir eine Olympiamedaille gewinnen können. Das macht meinen Erfolg von vor zehn Jahren für mich noch bedeutender. Ich hätte nicht erwartet, dass diese Medaille noch so lange nachwirken wird. Vor allem in meiner neuen Funktion als Medienreferentin kommt mir der frühere Erfolg oft noch zugute, da mich die Leute erkennen und einordnen können. Das macht es mir in manchen Situationen auch einfacher.
DTU20: 2012 war der absolute Höhepunkt in der sportlichen Laufbahn. Wann hast du das erste Mal mit Taekwondo in Berührung gekommen?
Helena: Zum ersten Mal mit Taekwondo in Berührung gekommen bin ich schon im Kindergarten. Mein damaliger Freund Thomas hat schon Taekwondo gemacht und war einmal mit seinem Dobok im Kindergarten. Als sein Vater Roland sich dann in Oeventrop mit der Sportschule selbstständig gemacht hat, habe ich sofort angefangen.
DTU20: Wie und wann wurde dein Talent entdeckt und ab wann hast du gezielt auf eine sportliche Laufbahn im Taekwondo hingearbeitet?
Helena: Talent hatte ich eigentlich für diese Sportart nicht. Ich habe einfach Spaß am Training gehabt und mich so nach und nach entwickelt. Als ich 2003 das erste Mal in die Jugend-Nationalmannschaft berufen wurde und bei der Jugend-EM überraschend Gold geholt habe, ging so langsam das gezieltere Training los. 2004 folgte der Vizetitel bei der Jugend-WM und ich habe erstmals richtig hart für ein Turnier trainiert und eine wirklich anstrengende Vorbereitung gehabt. Ab diesem Moment gehörte Taekwondo zu meinem Leben dazu.
DTU20: Was waren die wichtigsten Meilensteine auf deinem sportlichen Weg?
Helena: Wichtige Meilensteine waren natürlich anfangs die Erfolge im Jugend-Bereich. Dadurch habe
ich eine Bestätigung bekommen: „Hey, ich bin echt gut in dieser Sportart“. Auch der Wechsel 2005 in den Seniorenbereich, der leider mit meinem ersten Kreuzbandriss begann, war ein wichtiger Meilenstein. Diese Zeit hat mich enorm stark gemacht und schon hier habe ich gelernt, wie man aus einem Tief etwas Positives mitnehmen kann. Ein weiterer enorm wichtiger Erfolg, aber auch ein Tiefschlag war das Jahr 2007. Ich schloss mein Abitur ab, gewann meine erste Senioren-WM Medaille und riss mir leider im selben Jahr auf der Olympiaqualifikation erneut das Kreuzband. 2008 dann nach dieser wirklich schwierigen Phase den EM-Titel zu gewinnen und zu den Olympischen Spielen zu fahren, war ein absolutes Highlight meiner Karriere und prägend bis heute. 2009 war eine kleine Durststrecke, ehe ich mich 2010 mit Bronze auf der EM und Bronze bei der WM 2011 zurückmeldete. Der nächste große Meilenstein war natürlich 2012 die Qualifikation zu den Olympischen Spielen in London, die ich mit meiner Teamkollegin Sümeyye damals in Kazaan erkämpfen konnte. Über London 2012 brauchen wir nichts sagen: Das war definitiv der größte Meilenstein und das größte Geschenk meiner Karriere. nicht ein einziges Mal zuhause war, nicht so konsequent durchgezogen. Die Zielsetzungen waren für mich oft ganz entscheidend, um Rückschläge zu verkraften. Als ich 2012 auf der Europameisterschaft direkt im ersten Kampf verloren habe, war ich enttäuscht. Kurz vor den Olympischen Spielen solch eine Niederlage einzustecken, war nicht schön. Doch gemeinsam mit meinem Mentaltrainer Ulli Kuhl habe ich mich daran erinnert, was ich in diesem Jahr erreichen wollte: Eine olympische Medaille. Das war das Ziel für 2012. Und nicht die EM-Medaille. Das Bewusstsein, dieser Niederlage nicht so viel Aufmerksamkeit zu schenken, weil 2012 das Ziel ein anderes war, habe ich mir mit meinem Mentaltrainer erarbeitet.
DTU20: Hattest du ein Vorbild?
Helena: Sportlich hatte ich in dem Sinne kein Vorbild. Mein Onkel Stefan hat mich aber stets inspiriert. Er hat gesundheitlich einige Hürden in seinem Leben meistern müssen und hat dennoch stets das Beste aus so manchen misslichen Situationen gezogen. Das fand ich bewundernswert.
DTU20: Was hat neben Taekwondo in deiner Jugendzeit eine große Rolle gespielt?
Helena: Ich habe versucht eine fast normale Jugend neben dem Sport zu haben. Ich hatte meine Clique, mit der ich mich getroffen habe. Zum Shoppen, zum Quatschen und später dann auch zum Feiern. Ich denke dieser Ausgleich zwischen Sportlerleben und „normalem“ Leben war sehr wichtig für mich.
DTU20: Was hat dich besonders motiviert, immer wieder weiterzumachen?
Helena: Der Wunsch nach einer Olympischen Medaille!
DTU20: Wie bist du nach Rückschlägen, zum Beispiel Verletzungen, wieder in die Erfolgsspur gekommen?
Helena: Der unbedingte Glaube an ein Ziel und das Bewusstsein, dass es viel Arbeit erfordert, ganz oben zu stehen. Ohne zum Beispiel 2007 das konkrete Ziel gehabt zu haben „Ich will nach Peking“, hätte ich die fünf Wochen Reha, in denen ich
DTU20: Als Referentin für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit in der DTU musst du immer bestens über Taekwondo in Deutschland informiert sein. Wie schaffst du das bei einer Familie mit drei heranwachsenden Kindern und deiner Mitarbeit im Hotel deines Mannes?
Helena: Die Arbeit macht mir Spaß. Das Leben mit meinen Kindern macht mir Spaß. Und wenn einem die Dinge Spaß machen, fällt vieles leichter. Natürlich gibt es Phasen, wo nicht immer alles rosarot ist. Das ist bei drei Jungs in unserem Haus eh schwierig. Aber ich denke, der Sport hat mir wirklich viel gelehrt. Wenn etwas erledigt werden muss, wird es erledigt. Meine Mama hat mir mal etwas Schönes gesagt: „Was man hat, das hat man.“ Und so arbeite ich oft meine ganzen Dinge im Alltag ab. Ich habe To-Do-Listen für die Arbeit, einen klassischen Küchenkalendar mit Terminen der Familie und durch die Selbstständigkeit meines Mannes bekomme ich auch viel Unterstützung. Wenn ich Hilfe brauche, ist er (meistens zumindest) verfüg-


bar. Kein Tag ist bei uns gleich, jeder Tag ist anders und wir haben wenig Alltagsrituale. Das erfordert viel Organisation, ist aber auch stets spannend. Oft hilft es mir, nicht so viel nachzudenken, sondern einfach zu machen. Dann schafft man an einem Tag mit drei Kindern doch eine ganze Menge. Nur mit dem Abschalten und auch mal nichts tun, habe ich noch ein paar Probleme. Die einzigen Auszeiten verbringe ich dann mit Sport.
DTU20: Welche Botschaft möchtest du jungen Taekwondo-Sportlerinnen und -Sportlern mitgeben, die sich für Leistungssport mit dem Ziel Olympia interessieren?
Helena: Alles kommt zu seiner Zeit. Man braucht Geduld, großes Vertrauen und die Bereitschaft, ab einem gewissen Punkt alles für das Ziel herzugeben. Dann wird die harte Arbeit belohnt. Leistungssport ist hart, aber zugleich lernt man so viele Dinge, die einem später im Leben so viele positive Eigenschaften mit auf den Weg geben.
DTU20: Was wünscht du dir für die kommenden zehn Jahre im Olympischen Taekwondo in Deutschland?
Helena: Ich wünsche mir weitere Olympiamedaillen und historische Erfolge, wie wir zum Beispiel beim Grand Prix in Paris erleben durften: Ela Aydin gewinnt die erste Grand Prix Medaille für das Damen-Nationalteam.

Außerdem wünsche ich mir mehr Ruhe im Hintergrund, weniger Missgunst und mehr Gemeinsamkeit für das olympische Feuer.
DTU20: Wird einer deiner Söhne mal Taekwondo ausüben und dort für Polen oder Deutschland an den Start gehen?
Helena: Aktuell sieht es nicht so aus, dass einer von meinen Jungs Taekwondo macht. Der Älteste ist total dem Skisport verfallen und wird sicherlich hier seine sportlichen Erfolge suchen. Ob für Deutschland oder für Polen wird sich noch herausstellen. Er hat beide Staatbürgerschaften und könnte es sich aussuchen. Mein größter Stolz wäre es natürlich, wenn er mal in Deutschland-Teamkleidung die Piste runtersaust. In unserer Umgebung gibt es keinen Taekwondo-Verein. Ich müsste dies selbst auf die Beine stellen und da fehlt mir aktuell die Zeit zu. Darum stellt sich die Frage mit dem Taekwondo aktuell leider noch nicht.
DTU20: Wo sieht dich die Taekwondo-Gemeinde in Deutschland demnächst?
Helena: Ich versuche auf allen Deutschen Meisterschaften präsent zu sein oder besuche auch häufiger den Bundesstützpunkt in Nürnberg. Aber feste Termine sind bislang noch nicht geplant.

