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Pure Freude und Stolz

GOLDMEDAILLE GEWONNEN

von Helena Stanek

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Yanna Schneider erlebte 2012 den ersten großen sportlichen Moment in ihrer Laufbahn. Sie gewann bei den Jugendweltmeisterschaften in Ägypten die Goldmedaille. Was waren ihre Gefühle und Gedanken nach diesem sensationellen Erfolg? Im Interview schildert uns die deutsche Jugendweltmeisterin wie es war, nachdem sie die Goldmedaille gewonnen hatte.

DTU20: Yanna, wie waren deine Gefühle und Gedanken, nachdem klar war: Ich habe die Goldmedaille gewonnen?

Yanna: In diesem Moment überwog die pure Freude und stolz war ich natürlich auch. Ich konnte alle fünf Kämpfe genießen und locker angehen. Dass es am Ende zu so einem großartigen Erfolg kam, daran hatte ich selbst nicht geglaubt.

DTU20: Zehn Jahre danach: Wie bewertest du in der Rückschau diesen sportlichen Erfolg für dich?

Yanna: Als ich damals die Medaille gewonnen habe, war mir gar nicht so richtig bewusst, was ich dort eigentlich gewonnen habe. Noch heute profitiere ich von diesem Erfolg, da mich die Leute nach wie vor mit diesem Titel identifizieren und zuordnen können. Die Tatsache, dass ich bis heute die einzige deutsche Jugendweltmeisterin geblieben bin, macht den Erfolg noch besonderer.

DTU20: 2012 war sicherlich der Höhepunkt in deiner sportlichen Laufbahn. Wann bist du das erste Mal mit Taekwondo in Berührung gekommen?

Yanna: 2003. Damals war ich sieben Jahre alt, ziemlich dünn und recht groß. Mein Papa fand, dass ein Kampfsport eine gute Option darstellte, um ein wenig Körperspannung und Selbstbewusstsein aufbauen zu können. Demnach suchten wir nach einem Verein in unserer Nähe. Und so begann meine Zeit beim TKDSwisttal.

DTU20: Hat das Ziel vom Papa funktioniert? Bist du heute selbstbewusst?

Yanna: Definitiv! Ich würde nicht behaupten, dass ich ein wahnsinnig ausgeprägtes Selbstbewusstsein habe, aber ich habe über die vielen Jahre und durch herausfordernde Situationen wie etwa Trainings, Turniere und schwierige Entscheidungen gelernt, wann es wichtig und richtig ist, selbstbewusst aufzutreten. Ich würde behaupten, dass ich mich inzwischen ganz selbstbewusst sowohl im Training als auch auf der Matte durchsetzen kann.

DTU20: Wie und wann wurde dein Talent entdeckt und ab wann hast du gezielt auf eine sportliche Laufbahn im Taekwondo hingearbeitet?

Yanna: Überaus großes Talent habe ich vermutlich nicht. Vielmehr war ich immer fleißig und habe demnach immer hart gearbeitet. Meistens hatte ich ein Talent im Zweifeln und habe daher häufig Extrarunden gedreht. Aber am Ende hat es dazu beigetragen, dass ich besser und stärker wurde und so zum Erfolg gekommen bin. Die sportliche Laufbahn war somit ein Nebenprodukt, da ich immer erst dann zufrieden war, wenn ich einen Erfolg erzielt habe. Und der macht bekanntlich hungrig nach mehr.

DTU20: Was waren die wichtigsten Meilensteine auf deinem sportlichen Weg?

Yanna: Als nach wie vor erfolgreichste Jugend Athletin der DTU blicke ich auf eine sehr erfolgsgeprägte und schöne Zeit in der Jugend zurück. Der WM-Titel sticht da natürlich besonders hervor. Aber auch meine zwei Medaillen auf der Jugend-EM sind besondere Erinnerungen, die ich an diese Zeit habe.

Im Seniorenbereich wehte dann plötzlich ein anderer Wind und ich habe gemerkt, dass man sich Startplätze hart erkämpfen muss und der Erfolg nicht mehr garantiert ist. 2016 war ich im Olympia-Kader und gehörte zu einer engen Auswahl an Sportlerinnen, die die Möglichkeit hatten, auf der Qualifikation für Olympia kämpfen zu können. Diese Zeit war sicherlich sehr prägend, da viele Reisen, ein spürbarer Konkurrenzkampf, viel Training sowie eine Achterbahnfahrt der Gefühle Alltag waren. Die Art und Weise der Nichtnominierung legt bis heute sicherlich einen Schatten über diese doch sehr lehrreiche und aufregende Zeit. In den nächsten beiden Jahren legte ich den Fokus vermehrt auf mein Studium und verfolgte keine großen sportlichen Ziele. Erst 2019 fand ich meine alte Motivation und setzte mir das Ziel, die Nominierung für die anstehende WM zu erreichen. Ich schaffte es, alle Kriterien zu erfüllen und wurde erneut zu Hause gelassen. Das war für mich bis dato die schwerste mentale Herausforderung, diese Entscheidung zu verarbeiten. Vielleicht kam Covid mir sogar ganz gelegen, um mich in Ruhe zu hinterfragen, was ich will. Aber mein Ehrgeiz und mein gesunder Körper waren sich einig, dass die Reise noch nicht vorbei ist. Somit stehe ich heute 2022 immer noch hier und kämpfe mit den besten 32 der Welt auf einem Grand Prix.

DTU20: Was hat neben Taekwondo in deiner Jugend eine große Rolle gespielt?

Yanna: Mir war es schon damals wichtig, mit meinen Freunden Zeit zu verbringen und die Dinge zu tun, die nicht nur ausschließlich mit dem Sport zu tun hatten. Da gehörte es auch mal dazu, im Club feiern zu gehen, irgendwo abzuhängen oder einfach unterwegs zu sein. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich etwas verpasse, wenngleich ich sicherlich weniger unterwegs war, als das Teenager unter „normalen“ Bedingungen tun.

DTU20: Was hat dich besonders motiviert, immer wieder weiterzumachen?

Yanna: Meine Motivation bestand immer darin, dass ich in einigen Situationen gespürt und gesehen habe, was in mir steckt. Auch wenn ich nicht die erfolgreichste Damen-Sportlerin bin, so blicke ich auf viele herausragende Leistungen zurück. Und mit Leistungen meine ich nicht nur Medaillen. Zudem wollte ich nie, dass andere Personen darüber bestimmen ob und wann ich mit dem Sport aufhöre. Und vor allem nach der Nichtnominierung 2019 war mir klar: Jetzt erst recht! Aber auch der Rückhalt, die Liebe und die unbändige Überzeugung etwas Großes zu erreichen, die mir mein Verein, meine Familie und mein Freund entgegenbringen, motivieren mich, weiterhin hart an mir zu arbeiten.

DTU20: Wie bist du nach Rückschlägen, zum Beispiel Verletzungen, wieder in die Erfolgsspur gekommen?

Yanna: Mit Verletzungen hatte ich zum Glück bisher wenig zu tun. Vor der Jugend WM hatte ich mir die Kapsel vom großen Zeh gerissen. Da konnte ich vier Monate nicht trainieren. In der Zeit selbst war es belastend, aber das Ergebnis spricht für sich. Ansonsten musste ich nie durch Verletzungen Rückschläge erleiden.

DTU20: Hattest du ein Vorbild?

Yanna: Mein Vorbild warst immer du, Helena. Ich fand, dass du damals eine sehr authentische und emphatische Athletin warst. Ich habe selbst miterlebt, wie hart du für deine Erfolge gearbeitet hast und wie viel Verletzungsrückschläge du einstecken musstest. Trotzdem warst du immer nahbar und hast dir für dein Umfeld Zeit genommen und bist wertschätzend mit uns jungen Sportlerinnen und Sportlern umgegangen. So wollte ich auch immer werden.

DTU20: Welche Botschaft möchtest du jungen Taekwondo-Sportlerinnen und -Sportlern mitgeben, die sich für Leistungssport mit dem Ziel Olympia interessieren?

Yanna: In erster Linie ist es mir wichtig, dass es am Ende „nur“ ein Sport ist, der vor allem Spaß machen soll. Der Leistungsdruck wird mit steigendem Erfolg ganz von alleine hinzukommen. Trefft ansonsten eigene Entscheidungen und tragt die Konsequenzen eurer Entscheidungen – positive und negative. Ein Ziel zu definieren, ist auch sehr wertvoll. Das macht einige Situationen leichter.

DTU20: Was wünscht du dir für die kommenden zehn Jahre im Olympischen Taekwondo in Deutschland?

Yanna: Erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler, die sich ihre Träume verwirklichen können.

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