Energie fürs Leben

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Ungeborgene Schätze Niemand, der im Ausseerland-Salzkammergut lebt, würde auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, dass die Narzisse – oder „Narcissiflora poetica“ wie sie der Botaniker auf Latein nennt – mehr ist als nur ein hübsches Frühlingsblümelein. Die Pflanze wächst in derartig rauen Mengen auf den Wiesen, Lichtungen und Hängen, dass Landwirte sie sogar als für das Vieh unverträgliches Unkraut abstempeln. Vor allem letztere Einschätzung könnte nicht weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. „Es gibt wahrscheinlich keine zehn Orte auf der Welt, an denen diese Pflanze so häufig vorkommt wie bei uns“, stell Kräuterkundler Franz Bergler richtig. „Gleichzeitig ist die Narzisse ein Indikator für eine Biodiversität, die weitum ihresgleichen sucht“, fügt er hinzu. Sie ist der augenscheinlichste Beweis für einen wahren Pflanzenschatz, der in der Region Jahr für Jahr blüht und gedeiht. Unbeachtet von den meisten – Einheimischen wie Gästen.

Zwar ersetzt die Kräuterkunde nicht den Arztbesuch – wer sich allerdings mit heimischen Gewächsen auskennt, der kann durch deren kundige Verarbeitung durchaus vorbeugen und lindern. Man muss wissen, was man tut und alte Rezepte und Anleitungen können dabei eine große Hilfe sein.

Naturbelassene Böden Dass hierzulande im Frühling im Übermaße sprießt, was andernorts als absolute Rarität gilt, liegt an der Beschaffenheit der Böden selbst. „Man hat bei uns nie viel gedüngt – und wenn, dann selten mit Kunstdünger“, erklärt Bergler. Die lange Tradition der Viehwirtschaft in Kombination mit der gebirgigen Topographie sei dafür verantwortlich, meint er und „… Gott sei Dank war das bei uns immer so …“, fügt er hinzu. Und während er persönlich Narzissen auch als durchaus bemerkenswert empfindet, gilt seine ganze Aufmerksamkeit dennoch eher jenen Gewächsen, die nicht so im Mittelpunkt stehen wie die Narzissen, die beim größten Blumenfest Österreichs im Frühsommer mit fantasievollen Figuren große Beachtung finden. Franz Berglers Interesse gilt vor allem jenen Arten, die nahrhaft, gesund und heilsam am Wegesrand von Tauplitz bis Altaussee blühen. Von der Mehrheit der Menschen ignoriert.

c_TVB Ausseerland-Salzkammergut, Tom Lamm

c_Franz Bergler

Wild aber herzlich Ob es nun wilde Erdbeeren, wilder Salat oder irgendeine andere Pflanze ist – die unkultivierte Version enthält ihre Nähr- und Wirkstoffe immer in konzentrierterer Form als ihre veredelten Verwandten, weiß Franz Bergler zu berichten. „Die wilde Pastinake, die bei uns überall wächst, ist ein gutes Beispiel dafür“, untermauert der Kräuterkundler sein Argument. „Es bemerkt sie nur niemand …“, fügt er hinzu. Und dieses Schicksal teilen die meisten Wurzeln, Rinden, Blüten und Knospen im Wald und auf der Wiese. „Wir leben in Wahrheit auf einem Schatz, den niemand heben mag“, kommentiert der Kräuterexperte das Ausmaß an verlorenem Wissen innerhalb unserer modernen Konsumgesellschaft. Das sei triftiger Mitgrund dafür, dass er sich um die Gründung eines entsprechenden Vereins in der Region bemühte. „Wildkräuterleben“ steht mittlerweile auf den Fahnen einer steigenden Zahl von Interessierten, die sich auf die altbekannten Vorzüge des heimischen Pflanzenschatzes besinnen möchten. „Wer sich ein bisschen auskennt, der kann von heimischen Pflanzen gesünder leben, seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren und dabei auch noch Geld sparen“, ist er überzeugt. Alles sei nur eine Frage der Kommunikation. „Das ist der Grund, warum ich mich dazu entschlossen habe, mein Wissen weiterzugeben.“

­Franz Bergler hat es sich zur ­Aufgabe gemacht, altes Kräuter­wissen weiterzugeben.

Altes Wissen, neu vermittelt „Früher gab es den Aberglauben, dass, wenn man das Rezept für eine Heilsalbe oder einen Tee weitersagt, das Produkt seine Wirkung verliert. Das war noch zu Zeiten meines Vaters so und ist wahrscheinlich nicht unmaßgeblich Mitgrund dafür, dass so vieles über die Jahrhunderte verschwunden ist“, erzählt Franz Bergler. Heutzutage sei die „Kräutlerei“ aber wieder voll im Trend – das Pendel schwinge offensichtlich wieder zurück. In den vergangenen 20 Jahren hätte sich laut ihm die Zahl der Kräuterinteressierten vermehrfacht. „Das ist ja auch kein Wunder, bedenkt man, wie effizient heimische Pflanzen und deren Extrakte zur Vorbeugung und Linderung von Beschwerden beitragen können.“ Einige Beispiele lässt er stehenden Fußes folgen: Lärchpechsalbe aus Schweineschmalz, dem Pech der Lärche und Propolis unterstützt die Wundheilung. Eine Salbe aus der Neunblättrigen Zahnwurz – im Volksmund Soagl genannt – wirkt schmerzlindernd und regenerierend. Mädesüß als Tee oder unverarbeitet konsumiert wirkt gegen Kopfschmerzen besser als Aspirin (welches sich übrigens den Wirkstoff in der Rinde der gemeinen Weide zu Nutze macht).

Vor- und Umsicht Bei all den herrlichen Möglichkeiten, die die Natur des AusserlandSalzkammergutes auch bietet: Wichtig ist, und das betont Franz Bergler ausdrücklich, dass man sich genau darüber im Klaren ist, welche Pflanze man wie verwendet. „Die Kräuterkunde ersetzt nicht den Arzt!“, stellt er unmissverständlich klar. Wie überall anders auch gilt auch für das Kräuteln „Wissen ist Macht“. Außerdem müsse jedem, der den Schatz der Natur anzapfen möchte klar sein, dass er immer nur so viel „ernten“ soll, wie für ihn nötig ist. „Ein Überernten der Landschaft wäre damit ausgeschlossen“, erklärt Franz Bergler. Sie sei durchaus in der Lage, den Eigenbedarf auf natürliche Weise immer wieder zu ersetzen.

Wir leben im Ausseerland-Salzkammergut auf einem Schatz, den die wenigsten zu heben wissen. Groß und ausgiebig ist die Vielfalt der heimischen Arten. Franz Bergler

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