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Wo sich Natur, Kultur und Geschichte vereinen

Gelten noch die alten Strecken? Streben Gipfel noch zur Höh’? Liegt im bergumhegten Becken noch der Altausseer See?

Auszug aus „Sehnsucht nach Altaussee“ Friedrich Torberg verfasst 1942 in Kalifornien

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Wo sich Natur, Kultur und Geschichte vereinen

Es gibt Dinge, die finden ganz selbstverständlich zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Die Natur im Ausseerland ist an sich bereits ein Meisterwerk, doch es lässt sich durchaus noch um zusätzliche Facetten erweitern.

Natur und Kultur etwa sind an unzähligen Orten so untrennbar miteinander verwoben, dass man kaum ein Platzerl findet, das seinen Zauber nicht aus dieser Symbiose speist. Und dort, wo sich die Elemente Natur und Kultur in höchstem Feinheitsgrad vereinen, passiert Geschichte ganz von allein. So wurde das Ausseerland bereits in den vergangenen Jahrhunderten von vielen Menschen öffentlichen Interesses besucht, die das Rampenlicht mit den milden Sonnenstrahlen und der Ruhe der Region tauschten. Fast alle von ihnen haben hier ihre Spuren hinterlassen – darunter sehr viele erfreuliche, zweifellos aber auch so manche unerfreuliche. Ganz so, wie es dem Wesen der Geschichtsschreibung entspricht. Die weniger erbaulichen Gestalten füllen die Geschichtsbücher, den unzähligen positiven Geistern aber sind die schönen Dinge des Ausseerlandes gewidmet. Die Via Artis etwa ist eine Gruppe von Themenwegen, die sich den unzähligen Künstlern widmen, die zwischen Loser und Grimming Inspiration gefunden haben, oder sogar aus dieser einzigartigen Region stammen.

Von Brahms bis Torberg – Altaussee als Heimat großer Künstler

In Altaussee bedarf es keiner zeitgeschichtlichen Reise, um großer Kunst auf der Spur zu sein. Der idyllische Ort am Fuße von Loser und Trisselwand ist die Heimat zweier großer Persönlichkeiten gegenwärtiger Kunst. 1941 wurde hier die berühmte Schriftstellerin Barbara Frischmuth geboren, die mit ihren Werken Jahr für Jahr die Literaturszene begeistert. Nur zwei Jahre später erblickte Klaus Maria Brandauer das Licht der Welt, die er bisweilen mit großartigen schauspielerischen Leistungen entzückt. Beide, sowohl Frischmuth als auch Brandauer, sind in Altaussee allgegenwärtig und das völlig zu Recht. Die Via Artis widmet sich in Altaussee daher primär den Größen vergangener Epochen. Der Wanderweg führt in einer wunderschönen Runde um den Ortsteil Fischerndorf, dem Zentrum der Gemeinde Altaussee. Ausgangspunkt und Station I ist das Literaturmuseum im Kur und Amtshaus, wo auch genügend Parkplätze zur Verfügung stehen. Im Mitelpunkt steht hier eine allgemeine Präsentation der Ausseer Künstlerwelt. Der Weg führt von da an durch das Ortszentrum weiter entlang des Augstbachs in Richtung See. Auf etwa halber Strecke gibt es die ehemalige KönigsgartenVilla mit der Station II „Friedrich Torberg“ zu entdecken. Der 1908 in Wien als Friedrich Kantor geborene Schriftsteller, Journalist, Publizist, Drehbuchautor und Herausgeber schrieb viele Gedichte und Schriften in Altaussee. Nach seiner Emigration in die USA schrieb er 1942 das im Ausseer Kontext wohl bedeutendste Gedicht „Sehnsucht nach Altaussee“.

Noch versunken im Gedanken an die weite Sehnsucht des großen Denkers an seine liebgewordene Zweitheimat Altaussee führt die Via Artis weiter zum Romantik Hotel Seevilla, der ehemaligen Villa Wagner. Hier wurden im Jahr 1882 zwei Werke des 1833 in Hamburg geborenen Komponisten Johannes Brahms uraufgeführt. „Frühlingsquintet“ und das Klaviertrio op. 87 feierten hier, direkt am Altausseer See, unter Mitwirkung von Brahms, seines Mäzens László Wagner und etlichen Laien ihre Premiere. Dieser Eindruck begleitet die Wanderer an der Via Artis, die nun dem See entlang in Richtung Kirche führt. Vorbei an Bootshüten und vielen interessanten Aussichtsplatzerl am See sowie dem Seehotel Altaussee und dem Friedhof thront auf der linken Seite die WassermannVilla. Hier lebte der im Jahr 1873 im mitelfränkischen Fürth geborene Schriftsteller Jakob Wassermann bis zu seinem Tode im Jahr 1934. Er verbrachte viel Zeit in Altaussee, erst als Gast, und später als Besitzer der prachtvollen Villa über dem See. Seinem Schaffen ist die vor der Villa angebrachte Station IV gewidmet. Weiter der Via Artis folgend führt der Weg in Richtung Jausenstation Kahlseneck, wo er etwa 100 Meter nach dem Gasthaus links in den Wald abzweigt. Bis zu diesem Punkt verläuft der Weg nahezu flach. Bis man aber die nächste Station am höchsten Punkt des Weges erreicht, gilt es, einen idyllischen Waldweg über Altaussee mit knapp 100 Höhenmetern zu bewältigen. Dafür wird man mit einem herrlichen Ausblick auf Ort und See sowie mit spannenden Informationen zu Christine „Christl“ Kerry belohnt. Die Malerin und Zeichnerin wurde 1889 in Wien geboren und verbrachte bereits in ihrer Kindheit viele Sommer in Altaussee, wo ihre Eltern die sogenannte „KerryVilla“ hoch über Altaussee errichteten. Kerry verstarb 1978 hier und fand, ebenso wie Jakob Wassermann, auch am örtlichen Friedhof ihre letzte Ruhestäte. Von der Kerry Villa gelangen die Via ArtisWanderer auf einem wunderschönen Weg wieder direkt zurück ins Ortszentrum.

Via Artis Altaussee, 4,3 km, 104 Höhenmeter

© Tom Lamm, TVA

▴Torberg, Brahms und Wagner sind nur drei von vielen Künstlern, die Wanderer durch Altaussee begleiten.

Spazierend durch das Literaturdorf Altaussee

Ein ganz besonderes Kulturerlebnis bietet das Literaturmuseum Altaussee. Die im Kur und Amtshaus beheimatete Institution ist nicht nur als Museum eine liebevolle Hommage an die vielen Kulturschaffenden der Region. Das engagierte Team rund die Schirmherrin Barbara Frischmuth lässt die historischen Platzerl in der Losergemeinde neu aufleben. In einem etwa zweistündigen Rundgang zieht man unter Begleitung eines einheimischen Literaturguides durch den Ort. Dabei entdeckt man nicht nur den bezaubernden Literaturgarten vor dem Museum, sondern auch die vielen Refugien und Feriendomizile, die einst zur zeitweisen Heimat großer Künstler wurden. Informationen dazu gibt es direkt im Museum und auf der Website www.literaturmuseum.at.

Psychoanalyse, Kunst und Theologie – Grundlsee im Bann von Kunst und Natur

Die Grundlsee Variante der Via Artis führt von der Seeklause am westlichen Ende praktisch den gesamten See entlang bis zur Ortschaft Gößl, am Ostende des etwa sieben Kilometer langen Sees. Station I ist gleich vier großen Persönlichkeiten gewidmet, die im Ausseerland zumindest zeitweise lebten. Eugenie Schwarzwald (1872–1940) war eine renommierte Reformpädagogin und eröffnete unweit dieses Platzerls ein Erholungsheim für Künstler. Der Name Sigmund Freud (1856–1939) bedarf eigentlich keiner weiteren Worte. Der weltweit berühmte Begründer der Psychoanalyse besuchte das Ausseerland erstmals 1892 und liebte weite Wanderungen und Ausflüge in die Wälder, wo er leidenschaftlich gerne Pilze sammelte. Auch dem Dichter Felix Braun (1885–1973) und seiner Schwester, der Dichterin und Malerin Käthe BraunPrager (1888–1967) sind spannende Texte der Station I gewidmet. Der Weg führt weiter zur Villa Karajan, errichtet vom Großvater des weltberühmten Dirigenten und Pianisten Herbert von Karajan (1908–1989). Dieser verbrachte vor allem in seiner Kindheit viele Sommer hier. Weiter geht es in die Ortschaft Bräuhof, wo erneut vier große Persönlichkeiten im Mitelpunkt der Via Artis stehen. Hier geht es um den berühmten Theologen, Reformer und Friedenskämpfer DDDDr. Johannes Ude (1874–1965), die Malerin Katharina Wallner (1891–1969), den Maler und Grafiker Dietrich Heinrich Volz (1901–1984) und den Dichter Rudolf Jeremias Kreutz (1876–1949). An dieser Stelle folgt die Via Artis Grundlsee dem Panoramaweg bis in die Ortschaft Kreutz. Ludwig Gabillon (1828–1896), Paul Dahlke (1904–1984) und Josef Kainz (1858–1910) waren allesamt Größen der Schauspielkunst, entweder als Burgschauspieler oder später auch im Film. Die Malerin Edith Kramer (1916–2014), die Schauspielerin und bildende Künstlerin Elfe GerhartDahlke (1919–2007), der Dichter Hermann Broch (1886–1951) und der Maler Hanns Kobinger (1892–1974) kompletieren diese Stationen der Via Artis. Es folgt ein längerer, aber umso idyllischerer Fußmarsch durch Buchenwälder bis nach Gößl, wo das große

© Tom Lamm, TVA

Diandl, merk dir den Bam, wo ma z’såmm kemma san, wåchst in Winta ban Schnee a rots Resal auf d’ Heh, Du narrischa Bua, du bist voller Fåxn, und wia kånn denn in Winta a Resal wåchsn? Sågst ållweil von Gernhåbn, sågst ållweil von Liabn, sågst ållweil von Voglfång, und i siach nia koan fliagn. Sågst ållweil von Furtgehn, von Urlaub nehma. I werd wohl amål furtgehn und neama kemma.“

Abschiedslied aufgezeichnet von Konrad Mautner 1910 in Gößl und veröffentlicht im „Steyrischen Rasplwerk“

◂Auf den Spuren von Psychoanalyse, Kunst und Theologie, führt die Via Artis entlang des Grundlsees.

▾Der Weg beginnt bei der Seeklause, am westlichen Ende des Sees.

Finale der Via Artis Grundlsee wartet. Hier gibt es noch einmal einen bunten Mix aus Aristokratie, Brauchtum, Lyrik und Malerei. Ähnlich wie im Kurpark Bad Aussee ist auch hier eine Station dem Schaffen des großen Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) gewidmet, schließlich traf er hier erstmals seine spätere Frau, die Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl. Neben Erzherzog Johann stehen der für das Ausseer Brauchtum bedeutende Volkskundler Konrad Mautner (1880–1924), der Dramatiker und Mundartforscher Alexander Baumann (1814–1857) sowie der Maler Mathias Johann Ranftl (1805–1854) im Fokus. Die Via Artis Grundlsee ist allerdings kein Rundweg, weshalb eine vorherige Planung des Rückwegs per Bus oder Schiff empfohlen wird. Auch in Bad Aussee und Bad Miterndorf gibt es eigene Via ArtisRundwege, die wesentlich mehr Zeit und auch größere Distanzen überwinden, und daher nur in Etappen zu empfehlen sind.

Via Artis Grundlsee, 7,6 km, 180 Höhenmeter

© Zink, TVA

© nixxipixx, TVA

▴Die Ranftlmühle – ein Sinnbild für die Energie des Wassers.

Durchatmen am Toplitzsee

Die Via Artis Grundlsee ist in Gößl zu Ende. Dafür beginnen dort gleich mehrere empfehlenswerte Wege zum sagenhaften Toplitzsee. Weg Nummer eins führt über die Dorfstraße auf asphaltierten Wegen bis zum Gasthof Veit und die letzten Siedlungen auf dem Weg zum Toplitzsee. Danach wandert man über einen sehr komfortablen Forstweg weiter bis zum tiefdunklen Seeufer. Wer mehr Natur und weniger Dorf sehen möchte, wird sich auf den anderen beiden Wegen wohlfühlen, die gemeinsam den Rundweg DurchAtmen ergeben.

Auf diesem Weg sind Wanderer eingeladen, die beeindruckende Umgebung mit allen Sinnen zu genießen. Hier ist man angehalten, die vielen spannenden Gerüche des Waldes einmal genauer unter die Lupe – oder besser gesagt unter die Nase zu nehmen. Holz, Schwammerln, Erde, Kräuter, Laub, Wasser und vieles mehr vereinen sich zu einem wohltuenden Gesamtkunstwerk. Je weiter der Weg in den dichten Wald hineinführt, desto mehr große und kleine Naturwunder gibt es zu bestaunen. Ein magischer Baumstumpf oder die spannende Flechten Safari vermiteln ganz neue Impressionen aus dem Element Wald. Stress und Anspannung verfliegen hier bereits auf den ersten Metern. Spätestens beim Anblick des tosenden Stimitzbachs ist die Welt rundherum vergessen. Auf seinem nur kurzen Weg von der beeindruckenden Quelle einige hundert Meter weiter hinten, nimmt der eiskalte Gebirgsbach vielseitigste Formen an. Entspringend aus mächtigen Karstquellen, passiert er anfangs recht unspektakulär die weiten Gößler Wiesen. Sobald er den Wald erreicht hat, wird er abwechselnd seicht und weit, um sich dann wieder äußerst gewaltig durch engste Schluchten zu drängen.

Die spektakuläre Kraft des Bachs wussten die Menschen schon immer zu nutzen. Ein mächtiges Relikt aus vergangenen Zeiten ist etwa die 1850 errichtete Ranftlmühle, benannt nach dem Maler Mathias Johann Ranftl (1805–1854). Dabei ist die Mühle Sinnbild für die Energie des Wassers, das zum einen die Mühle viele Jahrzehnte antrieb und gleichzeitig die größte Gefahr für sie darstellte. So mussten in den vergangenen Jahren nach mehreren Hochwassern viele Teile erneuert und sogar ein neuer Zulauf errichtet werden. Der Stimitzbach hate zuvor unter der Wucht der Wassermassen einfach seinen Verlauf geändert und die Mühle nicht mehr direkt bedient. An der alten Mühle vorbei gibt es viele weitere Gelegenheiten, auf verschiedene Weisen durchzuatmen. Beim Liegen auf riesigen Steinen etwa oder im intensiven Austausch mit den uralten Baumriesen am Wegesrand. Der Zauber dieser weitgehend naturbelassenen Gegend endet aber nicht am Toplitzsee. Auch der Weg zurück entlang des Flussbets der Toplitz weiß zu begeistern. Am Ende des etwa 3,5 Kilometer langen Weges erreicht man tiefenentspannt wieder seinen Ausgangspunkt.

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