
7 minute read
Auf die Feinheiten kommt es an
from dein Moment. #1
Der traditionelle Handdruck im Ausseerland
Was wäre das Ausseerland ohne die Tracht? Es gibt kaum eine Region, in der die Tracht so urtümlich überlebt, und dennoch den Sprung in die Moderne geschafft hat. Sie hat sich oft weiterentwickelt, ist sich aber immer treu geblieben. Zwischen Loser und Grimming wird viel Wert auf qualitative und traditionell hergestellte Trachten gelegt. Und selten ist die Tracht so vor politischer Einvernehmung und dem Abdrängen in bestimmte Ecken und Enden der Gesellschaft verschont geblieben, wie im Ausseerland. Hier tragen sie alle gerne – die Einheimischen und die Gäste. Lederhose und Dirndlgwand dienen als Festagskleidung für besondere Anlässe ebenso, wie für Alltag und Berufsleben. So vielseitig, wie die Einsatzmöglichkeiten der Ausseer Tracht, sind auch die Accessoires, die zur echten Tracht gehören. Grundlage dafür sind die edlen Stoffe, die seit Jahrhunderten für die Herstellung der Kleidungsstücke verwendet werden. Neben den Lederhosenmachern und Trachtenschneidern hat sich dadurch ein weiteres traditionelles Handwerk entwickelt, die Handdruckerei.
Advertisement
Von Ostasien über Byzanz ins Ausseerland
Die Geschichte des händischen Bedruckens von Stoffen, die früher „Zeug“ genannt wurden, ist vermutlich an die 1.000 Jahre alt. Die ersten Völker des Altertums, die den „Zeugdruck“ in unsere Breiten brachten, waren am Schwarzen Meer beheimatet. Vermutlich um die erste Jahrtausendwende brachten sie die kostbaren Produkte samt dem Wissen um die Herstellungstechniken aus Ostasien und Indien nach Byzanz. Von da aus eroberte das prachtvolle Handwerk Sizilien, Spanien, Oberitalien und schließlich die Alpenländer, wo die Kunst in Klöstern ausgeübt und kontinuierlich verfeinert wurde. Einen massiven Aufschwung erhielt das Handwerk, als Seefahrer im 17. Jahrhundert aus Ostindien neue Stoffe in bunten Farben und Musterungen mitbrachten. Zu dieser Zeit entstanden auch erste große Druckereien in England, Frankreich, Holland und Deutschland. Erst im Jahr 1759 wurde in Fridau, Niederösterreich, die erste industrielle Zeugmanufaktur Österreichs eröffnet. Viele heute noch gängige Druckmuster wurden dort entworfen und erstmals auf Stoffe gedruckt. Wichtigstes Werkzeug dazu sind die im Zuge der späteren Industrialisierung fast in Vergessenheit geratenen Druckmodel. Diese zumeist aus dem Holz von Obstbäumen, Buchsbaum oder Linden erzeugten Stempel stellen heute die Basis des handwerklichen Stoffdrucks dar, wie er im Ausseerland gepflegt wird.
Die Familie Mautner – die Begründer des Ausseer Handdrucks
Die Geschichte des Ausseer Handdrucks beginnt im späten 19. Jahrhundert. 1880 wurde in Wien der Volkstumsforscher Konrad Mautner geboren, der große Teile seiner Kindheit am Grundlsee verbrachte. Er stammte aus einer Industriellenfamilie, die sich in der Textilbranche einen großen Namen machte. Mautner selbst widmete seine Zeit aber lieber dem Brauchtum. Dafür entwickelte seine Frau Anna, selbst der SeidenweberDynastie Neumann entstammend, großes Interesse an der traditionellen Tracht, sah diese aber durch den stetig wachsenden Einfluss industrieller Stoffe gefährdet. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, suchte sie nach echten Handdruckern. Fündig wurde sie, der Überlieferung nach, weit außerhalb des Ausseerlandes – bei einem Handdrucker namens Gagl in der Südsteiermark. Wo genau dieser beheimatet war, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Bewiesen ist aber, dass Anna Mautner mit der Unterstützung Gagls und seiner Techniken ihre eigene Handdruckerei ins Leben gerufen hat.
Im November 1935 meldete Anna Mautner in Grundlsee, im Ortsteil Archkogl, das freie Gewerbe der Handdruckerei an. „Grundlseer Handdruck“ hieß das Unternehmen, mit dem die engagierte Trachtenliebhaberin das Ausseer Gwand wieder traditioneller und auch individueller gestalten wollte. Die Drucke entwickelten sich dabei ständig weiter, wobei sie durch ein großes Netzwerk an Bekannten und Freunden in der Textilindustrie auch immer wieder mit der Übergabe echter Modeln aus aufgelassenen Manufakturen unterstützt wurde. In dieser Zeit entstand der heute so einzigartige wie beeindruckende Mautnersche Buntdruck, ein Druckverfahren, bei dem mehrere Farben und Muster übereinandergelegt werden. Gleichzeitig definierten sich auch die heute klassischen Farben des Ausseer Dirndls. Mit ihren Kollektionen schaffte sie es in die Kataloge großer Versandhäuser (Trachtenkatalog Kastner & Öhler) ebenso, wie in viele Mode und Trachtengeschäfte. Bereits 1937 betrieb sie in Wien eine Fabrikationsstäte für ihre Grundlseer Drucke, bediente rund 60 Händler und wurde anlässlich der Pariser Weltausstellung 1937 sogar mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. 1938 endete der steile Aufstieg der jüdisch stämmigen Anna Mautner mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich. Ihr Vermögen in Wien und Grundlsee wurde beschlagnahmt und arisiert. Anna Mautner gelang drei Jahre später mit ihren Kindern – Mann Konrad verstarb bereits 1924 – über Bukarest, Lissabon und England die Flucht in die USA.
◂Peter Wach führt einen der vier Ausseer Handdruck-Betriebe.

Der Nachfolgebetrieb entstand an einem Faschingdienstag
Schon 1946 kehrte Anna Mautner wieder nach Grundlsee zurück, wo sie ihren Betrieb neu gründete. Nach vielen wechselhaften Jahren fand sie in einer einstigen Angestellten eine würdige Nachfolgerin. Am Faschingdienstag des Jahres 1960 übergab sie ihren Handdruckbetrieb an die Grundlseerin Maria Pressl, später verheiratete Prisching.
An diesem Tag, scherzhaft als höchster Feiertag im Ausseerland bezeichnet, begann die jüngere Geschichte der Mautner Handdrucke. Maria Prisching, im Ausseerland auch Steirer Mirzl genannt, führte den Betrieb von da an mit ihrem Ehemann Josef Prisching bis ins Jahr 1984. Dreizehn Jahre zuvor, im Jahr 1971, gründeten der Schneidermeister und Trachtenhändler Hellmut Wöll und der Fotograf Sepp Wach die „Ausseer Handdruckerei“. Auch sie griffen auf alte, in den Kriegswirren durch viele Hände gegangene Druckmodeln aus den einstigen Beständen Anna Mautners zurück. Nach nur drei Jahren trennten sich die Geschäftspartner. Wöll übersiedelte mit seiner „Ausseer Seidendruckerei, Handdruck und Heimatkunst“ ins Niederösterreichische Straß, wo er bis 2003 Ausseer Drucke industriell fertigte. Nach Schließung erwarb das Ausseer Kammerhofmuseum rund 400 historische Druckmodeln aus seinen Beständen. Sepp Wach hingegen gründete sein Unternehmen „Sepp Wach Seidenhanddrucke“, das heute von seinem Sohn Peter Wach geleitet wird. Sepp Wachs erste Frau Elfriede Wach machte sich nach der Trennung im Jahr 1981 mit der „Steirischen Seidenhanddruckerei Elfriede Wach“, später „Sekyra Handdrucke“, heute „Handdrucke Markus Wach“ selbstständig. Inhaber und kreativer Geist ist heute Markus Wach, Sohn von Elfriede und Sepp Wach. Das ursprüngliche Unternehmen „Mautner Handdrucke“ wurde 1996 von Martina Prisching, spätere Reischauer, wieder ins Leben gerufen. Die Tochter des ehemaligen Besitzerehepaars entdeckte nach vielen Jahren in der Versicherungswirtschaft die alte Familienleidenschaft wieder neu. Diese drei Unternehmen „Mautner Drucke“, „Sepp Wach Seidenhanddrucke“ und „Handdrucke Markus Wach“ gelten als Nachfolgebetriebe von Anna Mautners Handdrucken. Das erlesene Quartet an Ausseer HanddruckManufakturen kompletiert Christiane Eder. Sie ist mit „Ausseer Modehanddruck Christiane Eder“ das einzige Unternehmen in diesem Bereich, das sich nicht auf die Druckmodel von Anna Mautner beruft. Ihre Druckwerkzeuge stammen aus dem eigenen Familienbesitz.
Ausseer Handdrucke als Trend abseits der Trachtenwelt
Dank Anna Mautner und ihrem unvergänglichen Schaffen konnten die Trachten, wie sie im 19. Jahrhundert im Ausseerland erstmals von „Zugereisten“ dokumentiert wurden, in der Ausseer Modewelt verewigt werden. Ihr ist es zu verdanken, dass die Ausseer Tracht heute wieder einen unverwechselbar eigenen Stil pflegt, der Vorbild für viele Trachtenkollektionen im gesamten Alpenraum ist.
Doch wer sagt, dass Handdrucke nur auf Trachten edel aussehen? Das haben sich die kreativen Ausseer Handdrucker auch gefragt – und spannende Kreationen ins Leben gerufen. Markus Wach etwa bedruckt schon lange nicht mehr nur Dirndlstoffe und Trachtentücher. Kunstvolle Krawaten, liebevoll verarbeitete Handtaschen, Hosenträger, feine Lederhandschuhe, Leinenschals, Tischwäsche, Vorhänge und sogar Polsterbezüge werden in seinem Unternehmen gefertigt. Selbst Lederhosen hat Markus Wach bereits bedruckt. Der Kreativität sind dabei keine

Auszeit aussee
Ferien im Ausseerland ... so privat wie zu Hause! www.auszeitaussee.at

© Erich Hagspiel, Mautner Drucke

Grenzen gesetzt. In seiner Frau, der Salzburger Designerin Susanne Spat, hat er eine kongeniale Partnerin gefunden, mit der er gemeinsam auch erfolgreich Akzente in der modischen Neuinterpretation der Tracht setzt. Auch bei seinem Halbbruder Peter Wach gibt es kaum Grenzen, wenn es um bedruckbare Stoffe geht. Damastischwäsche, Heimtextilien und Krawaten hat er ebenfalls in seinem Sortiment.

Mautner Home – handgefertigte Accessoires für Zuhause Martina Reischauer, Inhaberin der Mautner Drucke, hat überhaupt eine eigene Kollektion an Wohnaccessoires ins Leben gerufen. Zu den auch im Onlineshop erhältlichen Stücken zählen etwa Polster mit den vertrauten Namen „Trisselwand Aussee“, „Gößler Wand“ oder „Rötelstein“ sowie die Tischläufer „Backenstein“ oder „Loser“. Alle Produkte entsprechen dem klassischen Ausseer Wohnstil und werden im alt überlieferten Druckverfahren mit Modeln per Hand bedruckt. Auch der klassische Ausseer Leinenbzw. Lodenvorhang und dazu passende Lodendecken oder Lampenschirme runden dieses typische Wohngefühl der Region ab.
© Martina Reischauer, Mautner Drucke
© Martina Reischauer, Mautner Drucke
▴Mautner Home ist eine Kollektion an Wohnaccesoires der Mautner Drucke.
◂Martina Reischauer bei der Arbeit in ihrer Werkstatt