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LDL-C-Senkung noch im hohen Alter?“
Therapie kann auch bei Hochbetagten sinnvoll sein – entscheidend ist das Gesamtrisiko
Prof. Dr. Andreas Zirlik, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie, MedUni Graz.
Der Therapieentscheid, ob erhöhte Cholesterinwerte bei älteren Menschen über 75 Jahre pharmakologisch behandelt werden sollen oder nicht, muss sehr individuell gefällt werden. Ausschlaggebend sei die Summendosis der Belastung, so Prof. Dr. Andreas Zirlik, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik Graz, im Gespräch mit der Hausärzt:in.
HAUSÄRZT:IN: Gilt „The lower, the better“ auch für Menschen ab 75 Jahren?
Prof. ZIRLIK: Grundsätzlich gilt dieses Prinzip ein Leben lang. Allerdings sollte man zwei Punkte beachten: Zum einen ist die Cholesterinbelastung – so wie jeder andere Risikofaktor – ein Integral über Zeit: Demzufolge lassen sich aus einem punktuellen Wert keine Rückschlüsse ziehen. Ein Beispiel: Wenn bei einem herzgesunden 78-jährigen Patienten erstmalig ein hoher Wert gemessen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus Schäden ergeben, gering. Zum anderen ist die Korrelation zwischen hohem LDL-Cholesterin und kardiovaskulären Ereignissen in der Gesamtpopulation zwar eindeutig belegt. Dennoch entwickeln 25-30 % der Menschen trotz hohen LDL-Cholesterins niemals vaskuläre Erkrankungen.
Der Nutzen einer primärpräventiven Statintherapie ist bei jungen Menschen gut belegt. Ist eine solche auch bei der älteren Generation sinnvoll?
Wenn bei jungen Menschen sehr hohe LDL-Werte auftreten, dann liegt der Verdacht nahe, dass eine heterozygote genetische Belastung im Sinne einer familiären Hypercholesterinämie besteht. In diesem Fall ist eine frühzeitige Pharmakotherapie ratsam, um die Kurve über viele Jahre flach zu halten. Anders sieht es aus, wenn ein asymptomatischer 80-Jähriger, der in seiner Anamnese keine Gefäß- oder vaskulären Erkrankungen aufweist, die Erstdiagnose einer Hypercholesterinämie erhält. Basierend auf dem Nutzen-RisikoProfil, wird man bei diesem Patienten keine lipidsenkende Therapie mehr starten. Hingegen profitiert ein Patient, der zusätzlich zu den erhöhten Fettstoffwechselwerten noch andere Begleiterkrankungen hat, die mit deutlich erhöhtem Risiko einhergehen, auch in höherem Alter von einer neu begonnenen Statintherapie.
Der Metabolismus verändert sich im Laufe der Jahre – auch Multimorbidität ist bei älteren Menschen ein Thema. Worauf gilt es besonders zu achten, wenn Statine im Alter verordnet werden?
Im Allgemeinen sind Statine gut verträglich. Statininduzierte Muskelenzymentzündungen treten bei etwa einem Prozent der Patientinnen und Patienten auf. Wegen der Polypharmazie mit zunehmendem Alter sind jedoch Interaktionen zu beachten, und gegebenenfalls ist eine Dosisreduktion vorzunehmen. Zu Wechselwirkungen kann es beispielsweise bei gleichzeitiger Einnahme von bestimmten Immunsuppressiva respektive AntiViren-Medikamenten kommen – ebenso bei einer Kombination mit anderen Lipidsenkern. Da sowohl Statine als auch Fibrate mit dem Risiko einer muskulären Toxizität und konsekutiv mit dem einer Rhabdomyolyse behaftet sind, ist bei der gemeinsamen Verabreichung besondere Vorsicht Cholesterin Fake News vs. Fakten geboten. Generell ist es bei älteren Menschen wichtig, nicht mit der höchsten Dosis zu beginnen.
Gibt es Alternativen zu Statinen – ist etwa eine Ernährungsumstellung zielführend?
Im Normalfall stellt die Statintherapie die Basistherapie dar – auch aufgrund ihrer antiinflammatorischen Effekte. Bei Kontraindikationen oder Statinintoleranz sind auch Ezetimib – ein Cholesterinaufnahmehemmer im Darm – sowie die Bempedoinsäure, welche eine Erhöhung der LDL-Rezeptoren in der Leber bewirkt, eine Option. Bei schweren Lipidstoffwechselstörungen mit deutlich erhöhten LDL-Werten können zudem PCSK9-Inhibitoren eingesetzt werden. Small interfering RNA (siRNA) unterbinden durch RNA-Interferenz die hepatische Synthese von PCSK9 – der Abbau von LDL-Rezeptoren wird gehemmt. Bei Übergewicht sollte immer eine Gewichtsabnahme angestrebt werden. Das LDL-C selbst lässt sich jedoch nur schwer über alleinige Diätmaßnahmen kontrollieren – im Schnitt gelingt eine Senkung um max. 15 Prozent.
Das Interview führte Mag.a Sylvia Neubauer.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
Bei vorliegenden kardiovaskulären Erkrankungen sollte eine Statintherapie gestartet oder fortgesetzt werden. • Bei Personen über 75 Jahre ohne weitere Risikofaktoren liegen derzeit keine überzeugenden Hinweise für ein positives
Nutzen-Risiko-Verhältnis zum Start einer
Statintherapie in der Primärprävention vor. • Besonders im hohen Alter sollte aufgrund potentieller Nebenwirkungen nicht mit der höchsten Statindosis gestartet werden.
Eine Kombination mit anderen lipidsenkenden Therapien könnte angestrebt werden. • Bei Polypharmazie sollten mögliche Wechselwirkungen berücksichtigt werden.