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Damit wir wissen was wir tun“
Dr.in Susanne Rabady, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, im Interview mit der Hausärzt:in
HAUSÄRZT:IN: Um Wissenslücken in der österreichischen Bevölkerung zu schließen, hat die Österreichische Lungenunion im Oktober eine groß angelegte Awareness-Kampagne zu COVID-19-Therapien gestartet. Eine sinnvolle Herangehensweise?
Dr.in RABADY: Das Erste und Wichtigste ist aus meiner Sicht: Risikopersonen sind durch die rezente Impfung geschützt. Nicht immer vor der Ansteckung, aber mit sehr, sehr hoher Sicherheit vor einem schweren Verlauf. Wir sehen bei geimpften Risikopersonen praktisch keine schweren Verläufe. Das ist der beste Schutz. Antivirale Therapien wird man sinnvollerweise bei einer starken Risikokonstellation verschreiben, z. B. bei immunsupprimierten Personen und/oder wenn bei Patienten die letzte Impfung schon länger zurückliegt. Man muss das im Einzelfall genau abwägen und mit der Patientin/dem Patienten besprechen.
Sind die Kolleg:innen in den Allgemeinpraxen ausreichend informiert, um im Fall der Fälle rasch und richtig zu handeln?
Wir haben an der Karl-Landsteiner-Universität bereits zu Beginn der Pandemie eine Infoplattform für die Primärversorgung eingerichtet. Hier finden sich alle Informationen, die Hausärztinnen und -ärzte brauchen: von der Diagnostik über Klinik und Verlauf bis hin zu Impfungen und Medikamenten1. Die Website wird regelmäßig aktualisiert. Man kann sich hier oder auf der ÖGAMHomepage auch unseren wöchentlichen Newsletter ansehen bzw. ihn abonnieren.2 Auch einen wöchentlichen 15-minütigen Videopodcast geben wir heraus – inzwischen auch zu anderen Themen als COVID. Darüber hinaus bieten wir ein Pointof-Care-Webtool3: Die Kolleg:innen können damit blitzesgeschwind – mit einem Knopfdruck – herausfinden, wie bei der Therapie vorzugehen ist. Auch die Medikamenten- und Evidenzübersicht kann sehr hilfreich sein. Bei Paxlovid z. B. braucht es ja ein Medikationsmanagement. Die Vorgehensweise wird Schritt für Schritt erklärt. Auch zu Long COVID gibt es ein solches webbasiertes Point-of-Care-Tool. Wir haben wirklich alles. Die Kolleginnen und Kollegen müssen es nur wissen und die Plattformen nutzen.
Wie wichtig sind andere Maßnahmen wie Hygiene und Masken?
Hygienemaßnahmen gewinnen gerade wieder an Bedeutung. Das Coronavirus wird bekanntlich nicht über Schmierinfektionen übertragen, sondern durch Aerosole. Anders verhält es sich jedoch mit all den „Winterviren“ , die jetzt auf uns zukommen. Die Hygienespender bekommen damit endlich einen Sinn! Die Maske verhindert sowohl bei COVID19 als auch bei anderen respiratorischen Viren die Infektion. Niemand von uns hat sich je in der Praxis infiziert, solange er die Maske aufgehabt hat. Angesteckt haben sich die Leute, wenn sie zum Kaffeetrinken gegangen sind und die Maske abgenommen haben. Nämlich gegenseitig. Die FFP3-Maske in der Ordination schützt also wirklich, auch vor Influenza. Denn COVID ist ja jetzt nicht mehr unser einziges Problem. In ein paar Wochen ist eine Grippeepidemie sehr gut möglich. Ähnlich verhält es sich mit anderen respiratorischen Viren wie dem RSV, unter dem die Kinder so leiden.
Ihre abschließenden Forderungen an die Politik?
Erstens das Maskentragen propagieren! Es geht nicht darum, Infektionswellen komplett zu verhindern. Das ist sowieso nicht machbar. Die Leute tragen im Privatbereich keine Masken. Es geht darum, sie flacher zu halten, weil unsere Ordinationen jetzt schon übergehen. Und wenn ich mir da eine Epidemie mit mehreren Erregern – Stichwort Twindemie – vorstelle, dann bin ich froh, dass ich selbst nicht mehr in der Praxis bin … Zweitens auf Impfaufrufe setzen – auch zum Beispiel in Bezug auf Influenza. Die Epidemie wird heuer wahrscheinlich deutlich früher eintreffen als früher. Jeder Kollege/jede Kollegin kann einen Beitrag leisten, indem er/sie seine/ihre Patientinnen und Patienten anregt, sich impfen zu lassen. Wien ist hier vorbildhaft. Eine sehr ernsthafte Anregung abschließend von mir: Bitte die Grippeimpfung in allen Bundesländern gratis anbieten und sie bewerben! Wir sollten den Menschen klar vermitteln: Man kann sich vor einer schweren Erkrankung schützen.
Das Interview führte Mag.a Karin Martin.
1 kl.ac.at/coronavirus 2 oegam.at/covid-19, covid-19.infotalk.eu 3 kl.ac.at/allgemeine-gesundheitsstudien/antivirale-therapie
Dr.in Susanne Rabady, Ärztin f. Allgemeinmedizin und ÖGAM-Präsidentin, leitet das Department für Allgemein- und Familienmedizin an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und ist Mitglied der Coronakommission.