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Längere Ausbildungszeit unweigerlich erforderlich“
Univ.-Prof.in Dr.in Anita Rieder, Vizerektorin der MedUni Wien für Lehre, im Gespräch über die künftigen Anforderungen an das Studium
HAUSÄRZT:IN: Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht Facharztausbildung und -titel für die Allgemein- und Familienmedizin?
Prof.in RIEDER: Der Facharzttitel allein ist nicht das Anliegen der Allgemeinmedizin, sondern die daraus resultierenden Konsequenzen für die Umsetzung in die tägliche ärztliche Praxis. Die Anforderungen an die hausärztliche Tätigkeit sind groß, denn es muss ein komplexes Versorgungsspektrum abgedeckt werden. Das muss sich in der Ausbildungsqualität niederschlagen. Die Ausbildung für Ärztinnen und Ärzte in der Allgemeinmedizin ist genauso spezifisch und fokussiert zu sehen, zu behandeln und anzubieten wie jene für andere Fachärzt:innen. Dies ist ein wichtiges Zeichen für den Nachwuchs, der sich für die Allgemeinmedizin entscheiden will.
Inwiefern betrifft die Umstellung die MedUni?
In der Lehre haben wir als MedUni Wien in unserem Entwicklungsplan und unserer Leistungsvereinbarung einen Schwerpunkt Allgemeinmedizin gesetzt. Wir haben viele Lehrinhalte bereits im Pflichtcurriculum und kooperieren mit den niedergelassenen Kolleg:innen. Im Klinisch Praktischen Jahr ist es möglich, acht bis sechzehn Wochen in der Allgemeinmedizin zu verbringen. Wir haben ein spezifisches Exzellenzprogramm mit Hospitationen und aktuelle Spezialfortbildungen. Eine Facharztausbildung Allgemeinmedizin verändert für uns daher grundsätzlich wenig im Studium. Die Professur Primary Care wird gerade besetzt. So sind wir gut vorbereitet und bauen unser Exzellenzprogramm aus, und mit der Professur werden weitere Inhalte aus Primary Care Medicine eingebracht werden. Für die Universitätskliniken könnte man sich vorstellen, dass dann Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin in Ausbildung in einzelne Abteilungen für einen kleineren Teil ihrer Ausbildung rotieren könnten, um diesen Versorgungslevel ebenfalls kennen zu lernen.
Das Studium wird jedenfalls länger dauern …
Ja, bei einer Facharztausbildung ist eine längere Ausbildungszeit unweigerlich erforderlich. Wobei ihre Vorteile dann auch umgesetzt werden müssen – nämlich, dass die fachspezifische Ausbildung vertieft werden kann und die Qualitätssicherung gewährleistet wird. Eine längere Ausbildungszeit ermöglicht somit auch die längere praktische Ausbildung im Setting Primärversorgung/Allgemeinmedizin, die Vorbereitung auf die selbstständige Tätigkeit und ein breiteres Portfolio berufsspezifischer Kompetenzen.
Sind Ausbildung und Titel als Allheilmittel im Kontext des Ärztemangels zu sehen?
Nein, natürlich sind sie kein Allheilmittel, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Für weitere Schritte sind vor allem Politik, Kassen und Ärztekammer gefragt, damit die Absolvent:innen auch eine ausgezeichnete Facharztausbildung erhalten und die Rahmenbedingungen in den Ordinationen und Primärversorgungszentren attraktiv genug sind. Als MedUni Wien können wir durch unser Curriculum dazu beitragen.
Bei der Früherkennung demenzieller Erkrankungen nehmen die Hausärztinnen und -ärzte eine sehr zentrale Rolle ein. Sie haben durch eine oftmals langjährig bestehende vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung die Chance, das sensible Thema Hirngesundheit frühzeitig bei ihren Patientinnen und Patienten anzusprechen. „Viele von ihnen sind sehr dankbar, wenn von Expert:innenseite der Anstoß kommt, kognitive Probleme zu thematisieren, da dieses Thema immer noch häufig mit Scham und Unsicherheit besetzt ist“, sagt Julia Wimmer-Elias, Psychologin der MAS Alzheimerhilfe. Die Demenzexpertin empfiehlt routinemäßig Fragen in Vorsorgeuntersuchungen mit aufzunehmen. So könnten die Hausärzte potenzielle Warnsignale für das Vorliegen einer demenziellen Erkrankung erheben:
• „Haben Sie das Gefühl, vergesslich zu sein?“ • „Haben Sie bei der Bewältigung gewohnter Alltagsaktivitäten
Schwierigkeiten?“ • „Bemerken Sie Persönlichkeitsveränderungen?“
Falls sich ein Demenzverdacht zeigt, können Hausärzte frühzeitig weitere Abklärungsschritte einleiten und die Patienten haben ehest möglich Zugang zu medikamentösen bzw. psychosozialen Behandlungsmöglichkeiten.
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