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Je schneller, umso besser“

Corona-Medikamente und der Status quo – was aktuell in der Frühphase der Erkrankung zu beachten ist

Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, klinischer Pharmakologe an der MedUni Wien.

© shutterstock.com/JINOLD

„Vorsicht ist jedenfalls bei Immunsuppressiva und oralen Gerinnungshemmern geboten.“

Steigende Zahlen und ein unsicherer Herbst rücken die Bedeutung der antiviralen Therapieoptionen wieder vermehrt in den Fokus. Was ist aktuell bei der medikamentösen Therapie einer Corona-Erkrankung zu berücksichtigen? Darüber berichtete Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, Facharzt für Innere Medizin und Klinische Pharmakologie sowie Vorstand der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien, im Gespräch mit der Hausärzt:in.

HAUSÄRZT:IN: Eine kurzes Update: Welche antiviralen COVID-19-Medikamente kommen derzeit in Österreich zur Anwendung und was ist dabei zu beachten?

Prof. ZEITLINGER: Grundsätzlich unterscheidet man zwei Gruppen: monoklonale Antikörper und Small Molecules. Zu den monoklonalen Antikörpern zählen Sotrovimab (Xevudy®) und das Kombipräparat Tixagevimab/ >

INFO

Antivirale COVID-19-Medikamente im Überblick

Monoklonale Antikörper Sotrovimab (Xevudy®) i. v. Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®) i. v.

Small Molecules

Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) p. o. Remdesivir (Veklury®) i. v. Molnupiravir (Lagevrio®) p. o.

Für Lagevrio® gibt es ein Compassionate-

Use-Programm basierend auf der Artikel-5(3)-

Empfehlung der EMA. Dadurch können beispielsweise in Wien niedergelassene

Ärztinnen/Ärzte ihre Patienten für die Therapie bei der MA 15 anmelden.

Stand: 1.8.2022.

Cilgavimab (Evusheld®). Sie zeichnen sich durch eine lange Halbwertszeit aus. Bei Evusheld® ist zum Beispiel eine Gabe für die Therapie ausreichend – eine höhere Dosis wird momentan jedoch für Omikron-Varianten diskutiert. Die Schutzdauer wird nach der Anwendung auf sechs bis zwölf Monate geschätzt. Diese Medikamente eignen sich vor allem zur Prophylaxe oder zur Therapie von seronegativen Patienten. Die Small Molecules Nirmatrelvir/ Ritonavir (Paxlovid®) und Molnupiravir (Lagevrio®) kommen oral zum Einsatz. Beide sind angezeigt zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen, welche keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und ein erhöhtes Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs haben. Für Lagevrio® gilt derzeit eine Compassionate-Use-Empfehlung (siehe Infobox). In die Gruppe der Small Molecules fällt auch Remdesivir (Veklury®). Das Arzneimittel wird intravenös verabreicht und ist daher nur für das Spital geeignet. Bei allen antiviral wirksamen Substanzen ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich gegeben werden. Vor allem Remdesivir wurde anfangs zu spät eingesetzt und für schwere späte Formen zugelassen. Jetzt weiß man, dass das Medikament zu Beginn der Erkrankung gegeben werden muss.

Wie gut wirken die antiviralen Medikamente nach aktuellem Kenntnisstand gegen die derzeit kursierenden neuen Varianten?

Grundsätzlich wirken alle fünf. Es ist aber anzunehmen, dass die Wirkung der monoklonalen Antikörper stärker durch Mutationen beeinträchtigt wird.

Welche Ratschläge können Sie Allgemeinmediziner:innen geben, um Risikopatient:innen eine sichere und rasche Behandlung mit antiviralen Substanzen zu ermöglichen?

Es gilt: Je schneller, umso besser. Alte, immunsupprimierte oder ungeimpfte Patienten profitieren am meisten. Bei Paxlovid® sind die Interaktionen zu beachten, jedoch nicht zu fürchten. Wenn ein Patient Medikamente mit geringer therapeutischer Breite einnimmt, dann sind eher Wechselwirkungen zu erwarten. Mit einem Drug-InteractionChecker können diese ausgeschlossen werden, zum Beispiel über die Seite covid19-druginteractions.org. Falls eine Interaktion auftreten sollte, dann setzt die Wirkung rasch ein. Nach Absetzen ist diese aber nach ein bis zwei Tagen verflogen. Vorsicht ist jedenfalls bei Immunsuppressiva und oralen Gerinnungshemmern geboten.

Welche Informationen sollten unbedingt an diese Patient:innen weitergegeben werden?

Patienten sollten nur jene Medikamente nehmen, die auch mit dem Arzt abgesprochen sind und die ganze Packung der antiviralen Substanzen aufbrauchen. Sie sollten sich zudem auf eventuelle Nebenwirkungen wie Geschmacksstörungen und Durchfall einstellen. Schwangere dürfen keine der Small Molecules bekommen. Nach Absetzen der Corona-Medikamente kann der Ct-Wert weiter abfallen, dies tritt allerdings bei sehr wenigen Patienten auf.

Welche Erfahrungen gibt es mittlerweile mit Kombinationen von antiviralen und antientzündlichen Medikamenten zur Behandlung von COVID-19 in der ersten Phase der Erkrankung?

In der Frühphase sind die antientzündlichen Arzneimittel, zum Beispiel NSAR, vor allem für die Therapie der Symptome Fieber und Schmerzen gedacht. Cortison hat erst bei Hospitalisierten einen Stellenwert. Vor klinisch relevanten Interaktionen braucht man sich bei den üblichen Schmerzmitteln nicht zu fürchten.

Derzeit sind antivirale Medikamente nur für Hochrisikopatient:innen zugelassen. Ist diesbezüglich eine Änderung in Sicht?

Eher nicht, sie werden aber weltweit „off label“ auch für andere Gruppen verwendet.

Sind für Herbst Engpässe in puncto Verfügbarkeit zu erwarten?

Nein, Österreich hat genug antivirale Medikamente zur Verfügung. Momentan besteht das Problem vielmehr darin, dass wir die Medikamente nicht zu den Patienten bekommen.

Nach wie vor stellen die antiviralen Medikamente lediglich eine Ergänzung zur Impfung dar. Welchen Patient:innen würden Sie jetzt schon zu einem „vierten Stich“ raten?

Auf jeden Fall allen Patienten über 65 Jahre und allen Immunsupprimierten, wenn die letzte Impfung länger als sechs Monate her ist. Nach vier Monaten ist die vierte Impfung aber bereits möglich. Jüngere Personen sollten frühestens sechs Monate nach der letzten Impfung überlegen, ob sie den besseren Schutz in der Sommer- oder Herbstwelle wollen, nach neun Monaten gibt es von mir jedenfalls eine Empfehlung zur Impfung.

Das Interview führte Mag.a Ines Pamminger, BA.

AKTUELL

„ Im Juni 2022 hat die Europäische Kommission die Marktzulassung für Valnevas inaktivierten COVID-19-Ganzvirusimpfstoff

VLA2001 zur Verwendung als Erstimpfung bei Menschen im Alter von 18 bis 50 Jahren in Europa erteilt.

„ Im Juli 2022 wurde der COVID-19-Impfstoff

NVX-CoV2373 von Novavax in der Europäischen Union für Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren bedingt zugelassen.

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