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Mehr als eine Wetterauswirkung“

Hitze und Kälte in der TCM – besonders Sportler:innen sollten auf ihren Temperaturhaushalt achten

Dr. Christopher Po Minar, Arzt für Allgemeinmedizin und Traditionelle Chinesische Medizin, Gründer und Ärztlicher Leiter des Anshen Institutes für TCM und Heilkunst in Wien, im Gespräch.

Die Traditionelle Chinesische Medizin misst Hitze und Kälte einen besonders hohen Stellenwert bei. Dr. Christopher Po Minar erklärt, warum es essenziell für Gesundheit und körperliche Fitness ist, dass die Temperatur im Lot bleibt.*

HAUSÄRZT:IN: Welche Bedeutung haben Hitze und Kälte in der Traditionellen Chinesischen Medizin?

Dr. MINAR: Prinzipiell steht der Mensch nach Ansicht der TCM immer in Interaktion mit seiner Umwelt, und ist er an diese nicht angepasst, kann Krankheit entstehen. Hitze und Kälte sind zwei grundlegende Themen in der Chinesischen Medizin. Neben diesen beiden „Klimata“ kennt die TCM Feuchtigkeit, Trockenheit und Wind als pathogene Faktoren, die von außen in den Körper eindringen können. Jedoch entstehen sie – durch diverse Ungleichgewichte – mitunter auch im Inneren. In der TCM steht Yin für Kälte, Yang für Hitze, und letztendlich ist es für Gesundheit auschlaggebend, dass eine Balance zwischen beiden besteht.

Wie unterscheidet sich die Sicht der TCM auf Hitze und Kälte von jener der westlichen Schulmedizin?

Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Chinesische Medizin – wie viele andere komplementärmedizinische Richtungen – das Prinzip einer Grundkonstitution kennt, etwa die fünf Elemente oder Yin und Yang betreffend. So neigt ein Menschen von Grund auf eher zu Hitze oder zu Kälte. Des Weiteren gibt es in der TCM das Konzept von chronischer Hitze und Kälte – entweder im gesamten Körper oder lokal begrenzt in bestimmten Arealen, Geweben oder Organen. Hitze und Kälte sind also nicht nur etwas Vorübergehendes, das vom Wetter abhängt.

Was bedeutet das für Sportler:innen?

Dass Hitze und Kälte im Körper balanciert und gut verteilt sind, ist bei jedem Menschen wichtig. Bei der Sportlerin, beim Sportler umso mehr. Vor allem Profisportler sind besonderen Belastungen ausgesetzt und möchten große Leistungen erbringen. Daher ist es entscheidend, die „Maschine“ gut zu pflegen – vergleichbar mit einem Rennauto, welches natürlich auch ganz anders gewartet werden muss als ein Auto, das „normal“ im Alltag fährt.

Welche Erkrankungen oder Verletzungen werden beispielsweise durch einen unausgeglichenen Temperaturhaushalt begünstigt?

Das Herz ist nach Ansicht der TCM besonders hitzeanfällig, denn es stellt das Feuerelement und die Quelle allen Yang dar. Zu viel lokale Hitze führt typischerweise zu Entzündungen oder Entzündlichkeit – etwa im Magen oder in den Gelenken. Bei zu warmem Blut können Hautausschläge, Neurodermitis etc. entstehen. Die Niere ist, als Organ des Wasserelementes, vor allem in Bezug auf Kälte empfindlich. Kälte im Nierenbereich führt beispielsweise zu chronischen Harnwegsinfekten, im Blut kann sie eine Hypertonie verursachen, im Verdauungstrakt ein Reizdarmsyndrom. Besteht Kälte in den Gelenken und Kollateralen, bedeutet das, sie werden zu wenig durchblutet und die Verletzungsgefahr steigt – insbesondere beim Sport.

Welche Ursachen können hinter zu viel Hitze im Körper stecken?

Während das Yin im Körper die Flüssigkeiten, die Schleimhäute und die Substanz sind, repräsentiert das Yang die Funktion der Organe beziehungsweise die abgestrahlte trockene Wärme des Blutes. Das Yang, die Wärme, wird durch das Blut im Körper verteilt. Hat ein Patient kalte Füße, vermuten wir auch in der Schulmedizin eine schlechte Durchblutung. Umgekehrt kommt es häufig zu lokaler Hitze durch Stagnation. Wärme im Körper ist natürlich wichtig, aber wenn die Zirkulation nicht funktioniert, dann brennt sozusagen etwas an. So wie die Flamme eines Feuerzeugs unsere Haut nicht verletzt, solange sie in Bewegung bleibt. Außerdem kann Hitze aufgrund eines Mangels – einer „Leere“ – des Yin aufsteigen. Darüber hinaus erzeugt Stress meistens Hitze, ebenso Zeitdruck oder Begierde, ständig im Streben zu sein.

Und wie kommt es zu einem Überschuss an Kälte?

Zu viel Kälte im Körper kann zum Beispiel durch eine Schwäche des Qi, unserer Lebenskraft, entstehen. Kraftlosigkeit, etwa nachdem man zu wenig geschlafen hat, kennt jeder ... Man ist dann einfach kälteempfindlicher. Oder es steckt ein Yang-Defizit oder die Grundkonstitution dahinter, beispielsweise eine Blutschwäche. Zudem kann Kälte aus diversen emotionalen Zuständen wie Angst, zu wenig Lebensfreude oder Liebe resultieren.

© shutterstock.com/Blackspring

Gerade bei Kälte unterscheiden wir sehr stark zwischen der inneren und äußeren. Letztere attackiert uns häufig in Form von Windkälte, vor allem, wenn wir schwitzen und die Poren offen sind. Steht also ein verschwitzter Sportler im Wind, kann diese Kälteinvasion eine Verkühlung, im schlimmsten Fall sogar eine Nervenentzündung oder Fazialisparese nach sich ziehen.

Welchen Einfluss hat die Ernährung?

Nahrungsmittel wärmen oder kühlen den Körper – so eine ihrer Haupteigenschaften laut TCM. Dabei bestimmt auch die Zubereitungsweise die Thermik. Zu viel Hitze oder Kälte kann einerseits auf eine Übermenge entsprechender Nahrungsmittel zurückzuführen sein, andererseits kann etwa eine kühlende Ernährung eingesetzt werden, um eine Überhitzung auszugleichen und vice versa (siehe Infobox).

Mit welchen weiteren Maßnahmen kann man dem Überhitzen und dem Unterkühlen entgegenwirken?

Abgesehen vom Offensichtlichen, dass man eben nicht bei 40 Grad in der Sonne Sport ausübt oder bei minus zehn Grad im T-Shirt hinausgeht, gilt es, die eigene Konstitution zu kennen. Sprich:

Wenn ich weiß, dass ich zu viel Hitze habe, muss ich im Sommer besonders aufpassen, und wenn ich zu viel Kälte habe, sollte ich mich vor ihr schützen. Therapeutisch kommt sowohl bei Wärme als auch bei Kälte häufig eine spezifische Kräutertherapie zum Einsatz. Um eine Kälteinvasion aus dem Körper zu bekommen, verwendet man viele heißscharfe Kräuter, bei innerer Kälte typischerweise wärmende Kräuter wie Zimt, Nelken, Fenchel, Anis oder Akonit, auch die Moxibustion stellt hier eine Behandlungsmethode dar. Außerdem können etwa Akupressur bzw. -punktur und diverse Übungen – beispielsweise aus dem Qigong – Yin und Yang regulieren.

KÜHLENDE UND WÄRMENDE NAHRUNG

Hitzeverursachend:

„ Chili, Knoblauch, „heiße“ Gewürze, fettiges

Essen, Fleisch etc. „ Gebratenes, Frittiertes und Gegrilltes

Kälteverursachend:

„ Rohkost, Salat, Obst, Wassermelone,

Pfefferminztee etc. „ Blanchiertes, Gedünstetes und in Wasser

Gekochtes

Wie kann sichergestellt werden, dass der Wasserhaushalt im Gleichgewicht bleibt?

Nach einer schweißtreibenden sportlichen Einheit gilt es immer, das Yin wiederaufzubauen, was durch Einnehmen von Wasser, dickeren Suppen oder saftigem Obst erreicht werden kann. Die Birne stellt hierbei einen Klassiker dar – mit Birnenkompott lässt sich etwa das Yin der Lunge stärken.

Das Gespräch führte Anna Schuster, BSc.

* Der Experte war Vortragender beim „Kärntner Ärztesymposium – Sportmedizin und Prävention“ von 21. bis 24. Juli 2022 in Bad Kleinkirchheim, sportärztetage.at.

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Diese Veranstaltung entspricht 5 DFP-Punkten der Österreichischen Ärztekammer. Diese Veranstaltung entspricht 5 DFP-Punkten der Österreichischen Ärztekammer. ANMELDUNG: per E-Mail an fortbildung@medcongress.at ANMELDUNG: per E-Mail an fortbildung@medcongress.at Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich. ORGANISATION: medCongress GmbH, Gabriele Rech ORGANISATION: medCongress GmbH, Gabriele Rech2221 Gr. Schweinbarth, Hochleitengasse 34/Top 1

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