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So gehen Patient:innen gut beraten auf Reisen

Welcher Impfschutz in welchen Ländern gegeben sein sollte

Nach mehr als zwei Jahren Pandemie wollen viele Menschen ihr Fernweh wieder stillen, und es zieht sie in mehr oder weniger ferne Länder. In die Planung sollten Reisende auch die entsprechenden für die Gesundheit relevanten Vorkehrungen mit einbeziehen. „Ein geplanter Urlaub ist ein guter Anreiz, den Impfstatus zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren, auch für Reisen innerhalb Europas“ , meint Dr. Hermann Laferl, Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin an der Klinik Favoriten, im Rahmen eines Pressegesprächs*. Unabhängig von der geplanten Destination und Art der Reise sollte kontrolliert werden, ob der Impfschutz gemäß dem Österreichischen Impfplan (noch) gegeben ist: die Kombinationsimpfung Diphtherie-Tetanus-PertussisPolio (dT-IPV-PEA), die MMR-Impfung, aber auch jene gegen Hepatitis B und FSME. Polio etwa hätte bereits vollständig ausgerottet sein sollen, doch ist dies bis dato nicht gelungen. In der Ukraine kam es 2021 zu einem kleineren Ausbruch. „Aufgrund des Krieges und der unterbrochenen Impfkampagne speziell in Bezug auf Kinder ist zu befürchten, dass sich die Kinderlähmung wieder mehr verbreiten wird“ , zeigt sich Dr. Laferl besorgt. Wie bedeutend es ist, Patienten auf die Wichtigkeit des Impfens hinzuweisen, zeigt sich auch am Beispiel Diphterie. So wurden in Österreich beispielsweise seit 2014 nach 20 diphteriefreien Jahren wieder einzelne Fälle von (Schleim-) Hautdiphterie, dieses Jahr sogar bereits zwei Fälle von respiratorischer Diphterie, gemeldet.

EXPERT:INNEN:

Doz.in Dr.in Ursula Hollenstein

Infektiologin und Fachärztin für Tropenmedizin, Traveldoc/ Reisemedizinisches Zentrum Wien

© privat

Dr. Hermann Laferl

Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin an der Klinik Favoriten, Wien

Keine Pflicht, jedoch mehr als Kür

Eine reisemedizinische Beratung wird etwa sechs bis acht Wochen vor Urlaubsantritt empfohlen. Reine Reiseimpfungen, die nur einer Dosis bedürfen, sollten spätestens zehn Tage vor der Abreise erfolgen. Selbst wenn für die Einreise in bestimmte Länder keine Impfungen verpflichtend sind, können einige Vakzinationen zum Schutz sinnvoll sein. „Ein Blick auf die Informationen des Reisebüros genügt meist nicht“ , betont Doz.in Dr.in Ursula Hollenstein, Infektiologin und Fachärztin für Tropenmedizin in Wien. „Oft wird nur angegeben, dass nichts vorgeschrieben ist. “ Davon abzugrenzen seien jedoch die für den persönlichen Schutz empfohlenen Impfungen. Hepatitis A beispielsweise liegt bei den durch eine Immunisierung vermeidbaren Reiseinfektionen seit vielen Jahren ganz weit vorne. Das Virus kommt weltweit vor, gehäuft jedoch in Regionen mit schlechten hygienischen Bedingungen, und wird primär durch kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel übertragen. Wichtig ist auch die Aufklärung der Reisenden über das Thema Rabies. Zwar ist die Krankheit selten, jedoch zu hundert Prozent tödlich. Im Unterschied zu anderen Impfungen benötigt man im Fall eines Bisses trotz Basisimpfung eine zweifache Auffrischung im Land selbst, so die Impfung nicht unmittelbar vor der Reise durchgeführt wurde. „Ungeimpfte benötigen im Fall einer Exposition innerhalb von 48 Stunden ein Immunglobulin und eine mehrteilige Impfung. Immunglobuline sind allerdings in großen Teilen Asiens, Afrikas und Südamerikas nur in ganz wenigen Städten vorhanden“ , so Doz.in Hollenstein.

Andere Länder, andere Sitten – und andere Keime

Da viele Tropenkrankheiten durch Stechmücken übertragen werden, sollten sich Reisende der Wichtigkeit der Expositionsprophylaxe durch Repellentien – beispielsweise Diethyltoluamid (DEET) – bewusst sein. Kleidung und Moskitonetze können zusätzlich mit Insektiziden wie Permethrin imprä-

gniert werden. Als häufigste „Tropenkrankheit“ gilt das Dengue-Fieber. Dagegen sind mehrere Vakzin-Kandidaten in klinischer Erprobung, bislang ist in Europa jedoch kein Impfstoff zugelassen. Der Impfstoff Dengvaxia ist Menschen in Endemiegebieten vorbehalten, die bereits mit Dengue infiziert waren. Gegen Malaria stehen grundsätzlich Notfallmedikamente zur Verfügung. „Ab einer gewissen Malariahäufigkeit im Reiseland sollte man es allerdings nicht mehr auf das Notfallmedikament ankommen lassen“ , meint Doz.in Hollenstein und rät Reisenden zusätzlich zum Mückenschutz zu Chemoprophylaxe. Besonders gut verträglich sei Atovaquon/Proguanil. In vielen asiatischen Ländern gilt die Japan-B-Enzephalitis als häufigste virusbedingte Hirnentzündung, allerdings gibt es aktuell auch in Australien einen Ausbruch. Vor allem im Sommer empfiehlt die Expertin bei Reisen in betroffene Gebiete einen Impfschutz: „Die Impfung ist sehr gut verträglich. Zwei Impfdosen müssen vor Antritt der Reise injiziert werden. Die dritte Teilimpfung, die einen Schutz von über 97 Prozent für etwa zehn Jahre ermöglicht, verabreicht man nach frühestens einem Jahr, am besten vor der nächsten Asienreise.“

Keine Impfung, keine Einreise

Für Patienten meist schwer durchschaubar sind Informationen zu jenen Impfungen, die für Fernreisen erforderlich sind. So wird zum Beispiel die Gelbfieberimpfung in einigen Staaten West- und Zentralafrikas generell bei der Einreise verlangt. In vielen anderen Ländern besteht eine solche Impfpflicht nur für Menschen, die aus einem Gelbfieberland einreisen. Die Reisemedizinerin ist jedoch überzeugt: „Dem Risiko zu erkranken sollte man sich jedenfalls nicht aussetzen. “ Neben fast symptomlosen Infektionen gebe es nämlich schwere Krankheitsverläufe mit Blutungen und Organversagen, die in über 50 Prozent der Fälle tödlich seien. Eine weitere vorgeschriebene Impfung ist jene mit einem tetravalenten Impfstoff gegen Meningokokken-Erkrankungen (ACWY). Dies gilt allerdings nur für die Teilnahme an Pilgerfahrten in Saudi-Arabien.

Margit Koudelka

* Pressegespräch des Österreichischen Verbandes der

Impfstoffhersteller am 30. Juni in Wien.

AKTUELL

Geschützt im Herbst

Langsam ist es wieder an der Zeit, an die Influenza respektive an den Schutz vor einer Infektion zu denken. Mit Flucelvax Tetra wurde erstmals in Europa ein Zellkultur-basierter, tetravalenter Influenza-Impfstoff zugelassen. Dieses Vakzin wird bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren angewendet. Es enthält Proteine vier verschiedener inaktivierter Influenza-A- und Influenza-B-Virusstämme (Typ A-H1N1, Typ A-H3N2 und zwei Typ-BStämme), die aufgrund der amtlichen Empfehlung für die jährliche Grippesaison ausgewählt wurden. Influenza zählt übrigens auch zu den häufigsten impfpräventablen Erkrankungen bei Reisen.

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