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LDL-C kann bei Adipösen täuschend niedrig sein“
Die Cholesterin-Zielwerte sollten stets in Relation zur kardiovaskulären Risikokategorie stehen – unabhängig vom Gewicht
Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak von der Universitätsklinik für Innere Medizin an der Med Uni Graz.
Hohes LDL-Cholesterin wird oft (nur) als Lifestyle-Faktor und Folge von Adipositas gesehen. Das ist zu kurz gegriffen. Tatsächlich wirken auch andere – insbesondere genetische – Faktoren mit, welche das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen erhöhen können – selbst bei schlanken Personen. „Ein Mensch mit hohem LDL-C steigt quasi jeden Tag die Eiger-Nordwand hoch. Hat er nur diesen einen Risikofaktor, ist er zunächst mit guten Schuhen und Seil unterwegs. Liegt zusätzlich eine Hypertonie vor, dann nutzt er schon schlechtes Schuhwerk. Mit einem weiteren Risikofaktor erklimmt er die Wand ohne sicherndes Seil – die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Fall kommt, ist stark erhöht“ , weist Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak von der Universitätsklinik für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Graz auf die Bedeutung einer individuellen Risikostratifizierung im Gespräch mit der Hausärzt:in hin.
HAUSÄRZT:IN: Wie stark korrelieren hohe Blut-Lipidwerte tatsächlich mit dem Body-Mass-Index?
Prof. TOPLAK: Der Einfluss des Gewichts auf das LDL-Cholesterin ist schwach. Deutlich stärker korrelieren mit dem BMI hohe Triglyceride und ein niedriges HDL-C. Manchmal liegt bei Menschen mit Metabolischem Syndrom sogar ein täuschend niedriges LDL-C vor. Das tatsächliche Risiko ist dann höher, als es der bloße Wert vermuten lässt. Der Grund dafür: Das viszerale Fett ist sehr stoffwechselaktiv – es entwickeln sich kleine, dichte LDL-Teilchen, die besonders aggressiv sind und sich bevorzugt an der Endothel-Oberfläche bewegen. Auf diese Weise können sie leichter über die Gefäßinnenhaut in die Gefäßwand eindringen. Die veränderten LDL-Teilchen geben wiederum Cholesterin an die triglyceridreichen Teilchen ab, wodurch diese vermehrt atherogen werden. Durch das Metabolische Syndrom und die damit einhergehende Bauchbildung manifestiert sich so eine diffuse Arteriosklerose, die nicht nur einzelne, sondern nahezu alle Gefäße betreffen kann. Der Bauchumfang fungiert daher als wichtiger Indikator für die Beurteilung eines individuellen Risikos.
Inwiefern trägt eine Gewichtsstabilisierung zur Senkung des LDL-Cholesterins bei?
Die Gewichtsabnahme hat im Alltag nur einen geringen Effekt auf das LDL-C. Es kann umgekehrt sogar vorkommen, dass der Wert im Zuge einer Gewichtsreduktion (eventuell auch nur vorübergehend) ansteigt. In Wirklichkeit sinkt das Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln – sichtbar wird das am HDL-CWert, der sich durch die verlorenen Kilos positiv verändert.
Welche Rolle spielen genetische Dispositionen respektive Gendefekte?
Familiäre Hypercholesterinämie wird als Gesundheitsrisiko vielfach bagatellisiert. Ich habe in einer Familie 27 Leute untersucht, die mit dem Schlüsselpatienten in direkter Linie verwandt waren: Nichten, Neffen etc. Davon hatten 13 die Mutation – sprich jede/jeder Zweite. Zehn dieser potenziellen Risikopatientinnen und -patienten erhielten keine adäquate Behandlung. Das kann sich fatal auswirken: 50 % der Männer mit familiärer Hypercholesterinämie unter 50 Jahren hatten bereits ein klinisches Ereignis – bei den unter 60-jährigen Frauen waren es 40 %. Der Verdacht auf eine familiäre Hypercholesterinämie besteht, wenn der LDL-C-Wert über 190 mg/dl liegt oder mehrere Familienmitglieder in frühen Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben.
Wann bzw. warum sollten hohe LDLCholesterin-Werte auch bei schlanken Menschen gesenkt werden?
Zwar ist die Anzahl von Risikofaktoren bei adipösen Menschen in der Regel höher: Eine Behandlungsnotwendigkeit besteht hier schon bei relativ niedrigen Werten – ebenso gilt es, niedrigere Zielwerte anzustreben. Dennoch muss man sich – unabhängig vom Gewicht – immer danach richten, wo der Mensch in seiner Entwicklung steht. Sind die Gefäße noch gesund, ist ein höherer Zielwert vertretbar. Liegen bereits leichte Ablagerungen vor, dann wird man beginnen, den Zielwert abzusenken. Den niedrigsten Zielwert sollten Menschen erreichen, bei denen eine manifeste Gefäßverkalkung vorliegt – oder die bereits einen Herzinfarkt hatten. In diesen Fällen ist ein LDL-C-Zielwert von < 55 mg/dl sinnvoll.
Cholesterin Fake News vs. Fakten
Das Interview führte Mag.a Sylvia Neubauer.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
Viszerales Fett ist sehr stoffwechselaktiv, wodurch sich besonders aggressive
LDL-Teilchen entwickeln.
Hohe Triglyceride und ein erniedrigtes
HDL-C korrelieren mit einem hohen BMI. • Familiäre Hypercholesterinämie wird als
Gesundheitsrisiko vielfach bagatellisiert. • Auch bei schlanken Menschen gilt es, den LDL-C-Zielwert anzustreben.