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Prävention dringend indiziert

Herpes Zoster: Patient:innen unterschätzen ihr persönliches Risiko

„Wenn mindestens 30 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens einen Herpes Zoster entwickeln, kann mit Recht von einer Volkskrankheit gesprochen werden“ , macht Ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Winkler, Univ.-Klinik für Innere Medizin, Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, MedUni Wien, aufmerksam. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit der Erkrankung zu, 50 Prozent der Fälle treten laut Österreichischem Impfplan 2022 bei Personen auf, die älter als 50 Jahre sind.1

Diagnostische Herausforderungen

„Dem bläschenförmigen Exanthem geht häufig ein unklares Prodromalstadium voran, welches schwierig zu interpretieren ist“ , erklärt Ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Kunstfeld, Universitätsklinik für Dermatologie, MedUni Wien. Insbesondere ein brennendes, mitunter schmerzhaftes Gefühl auf der Haut mache sich in jener Phase bemerkbar. Die Symptome können, abhängig von der Lokalisation, den Experten zufolge beispielsweise auch als Ausdruck von Migräne, einer Gallenkolik, orthopädischen Problemen oder einer Nierenbeckenentzündung gedeutet werden. Prof. Winkler weist zudem darauf hin, dass generalisierte Formen, Einblutungen – der hämorrhagische Zoster – oder die Beteiligung innerer Organe diagnostisch Schwierigkeiten bereiten könnten und unter Umständen einen Virusnachweis mittels PCR erforderten. Mit diesem lasse sich der Herpes Zoster von anderen exanthematischen Herpesviren-Manifestationen unterscheiden, z. B. von Herpes simplex.

EXPERTEN:

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Ao. Univ.-Prof. Dr. Stefan Winkler

Abt. für Infektionen und Tropenmedizin, MedUni Wien

© privat

Ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Kunstfeld

Universitätsklinik für Dermatologie, MedUni Wien

Rasch handeln

Ein früher Therapiebeginn – innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Beschwerden – sei entscheidend für den Behandlungserfolg, betont Prof. Winkler. Auch Prof. Kunstfeld unterstreicht: „Je rascher die Therapie eingeleitet wird, desto weniger gesundes Gewebe kann durch das Virus zerstört werden und desto geringer ist das Risiko des Betroffenen, Komplikationen zu entwickeln.“ Für die antivirale Therapie stehen Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin per os sowie Aciclovir i. v. bei schweren Verläufen, etwa bei Immunsuppression, zur Verfügung. „Bei Aciclovir ist besonders auf die Nierenfunktion zu achten. Brivudin als Nukleosidanalogon ist kontraindiziert bei Tumortherapien mit 5-Fluoropyrimidinen wie 5-Fluorouracil (5-FU) oder Capecitabin“ , informiert Prof. Winkler. Zusätzlich zur antiviralen Behandlung werden Schutzverbände verwendet. „Je nach Lokalisation und Krankheitsstadium beinhalten diese in der akuten Phase zum Austrocknen der Bläschen Puder oder im späteren Verlauf Salben, um die Krusten zu lösen“ , schildert Prof. Kunstfeld.

Hohe Komplikationsrate

„Trotz der Behandlungsmöglichkeiten entwickeln bis zu 30 Prozent der Betroffenen Komplikationen und etwa zehn Prozent müssen stationär behandelt werden“ , gibt Prof. Kunstfeld zu bedenken. U. a. zählen Post-Zoster-Pruritus, bakterielle Superinfektionen, Zoster ophthalmicus oder ZNS-Manifestationen zu den möglichen Folgen einer Gürtelrose. Neueren Erkenntnissen zufolge steigt bei Patientinnen und Patienten mit Herpes Zoster auch das Risiko eines Myokardinfarkts oder Schlaganfalls.1 „Je nach Ort des Auftretens der Gürtelrose können Schäden bleiben – etwa Gehörverlust, Tinnitus und Schwindel bei einem N.-vestibulocochlearis-Befall oder Erblindung, wenn der N. ophtalmicus betroffen ist. Eine hohe Letalität ist bei einem generalisierten Herpes Zoster, einer Beteiligung innerer Organe, z. B. einer Pneumonitis, und einer Herpes-ZosterEnzephalitis zu verzeichnen“ , berichtet Prof. Winkler. „Die Post-Zoster-Neuralgie, von der man spricht, wenn die Beschwerden noch drei Monate nach Abheilung der Hautläsionen bestehen, tritt bei über 70-jährigen Zoster-Patientinnen und -Patienten immerhin in mehr als 50 Prozent der Fälle auf und ist die häufigste Komplikation einer Gürtelrose. “

Die oftmals heftigen Schmerzzustände können zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen.1

Impfbereitschaft erhöhen

„Aufgrund des demographischen Wandels und der steigenden Zahlen immunsupprimierter Menschen ist in Zukunft mit einer Inzidenzzunahme von Herpes Zoster und den damit assoziierten Komplikationen zu rechnen“ , hebt Prof. Kunstfeld hervor. „Angesichts der gesamten Problematik der Erkrankung für den Patienten und das Gesundheitssystem ist die Prävention dringend indiziert!“ Beispielsweise in Deutschland und der Schweiz würde die Impfung deshalb bereits erstattet, nämlich sowohl für immunsupprimierte Personen als auch für ältere Erwachsene. Leider ist das Bewusstsein hinsichtlich des persönlichen Risikos, Herpes Zoster zu entwickeln, in der österreichischen Bevölkerung über 50 Jahre gering. So halten es nur zwei Prozent der über 50-Jährigen für wahrscheinlich, in den nächsten zwölf Monaten an Gürtelrose zu erkranken, und lediglich fünf Prozent der Altersgruppe denken über eine Vorsorge nach.2 „Der aktuell empfohlene Impfstoff hat eine Wirksamkeit von über 90 Prozent in der Vorbeugung des Herpes Zoster beim Einzelnen – bisher belegt für einen Zeitraum von knapp acht Jahren“ , erläutert Prof. Kunstfeld. Wie lässt sich nun die Impfbereitschaft jener Personen erhöhen, bei denen eine Immunisierung empfohlen ist (siehe Infobox)? Die klare Antwort beider Experten: durch Aufklärung! Prof. Winkler führt abschließend aus: „Aufklärung sollte über die hohe Erkrankungsinzidenz und sehr häufig auftretende Komplikationen erfolgen – in dem Sinne, dass Herpes Zoster keine Bagatellerkrankung ist. Das Aufzeigen von Patientenschicksalen hat zum Ziel, die Gefährlichkeit der Gürtelrose zu veranschaulichen und die sehr gute Präventionsoption der Impfung zu unterstreichen. Hierbei kommt allen im Gesundheitsbereich Tätigen und ganz speziell den betreuenden Hausärztinnen und Hausärzten eine entscheidende Rolle zu.“

DIE IMPFUNG

Seit Herbst 2021 ist ein rekombinanter, adjuvantierter Totimpfstoff für die Vorbeugung von Herpes Zoster und postzosterischer Neuralgie uneingeschränkt verfügbar. Dieser wird in zwei Teilimpfungen verabreicht. Das Vakzin wirkt, indem es die Immunabwehr gegen das Varizella-Zoster-Virus boostet und damit eine Aktivierung desselben verhindert. Der Österreichische Impfplan 2022 rät die Immunisierung allen Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr an. Bei entsprechender Indikation, etwa einer schweren Grunderkrankung oder Immundefekten, wird die Impfung schon ab dem vollendeten 18. Lebensjahr empfohlen.

Der Impfplan online: sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/ Impfen/Impfplan-österreich.html

Anna Schuster, BSc

Referenzen: 1 Impfplan Österreich 2022. 2 Österreichweite Umfrage von Ipsos, „Shingrix ATU –

Consumers Wave 2; February 2022“ unter Personen zwischen 50 und 80 Jahren (n = 307).

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