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Ernährung als Behandlungsbaustein

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Impressum

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Dem Speiseplan kommt in der Prävention und in der Therapie bei Hepatitiden eine wichtige Rolle zu

SerieGASTRO

„Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ , meint Arzt und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen. Was ironisch gemeint ist, kann sich zu einem veritablen Problem auswachsen. Mit einem Gewicht von 1,5 bis 1,8 Kilogramm ist die Leber das größte innere Organ des Körpers. Zu ihren wichtigsten Stoffwechselfunktionen zählen die Verarbeitung der Nahrungsbestandteile Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß. Außerdem bildet die Leber die Gallenflüssigkeit, die für den Fettstoffwechsel unverzichtbar ist. Eine entscheidende Rolle spielt sie als zentrales Entgiftungsorgan, das Arzneimittel, Alkohol und Stoffwechselrückstände abbaut. Eine Erkrankung der Leber und somit Schädigung des Lebergewebes hat bedeutende Stoffwechselveränderungen zur Folge: So zeigt sich, dass der Grundumsatz von Leberkranken um etwa 20 % höher ist und mit einem erhöhten Proteinabbau einhergeht. Sehr häufig werden auch eine gestörte Glukosetoleranz sowie eine Insulinresistenz beobachtet. Bis zu 60 % der Erkrankten weisen einen Diabetes mellitus auf.

Ernährungstherapie bei unterschiedlichen Formen der Leberentzündung

Hepatitis kann als Folge von viralen Infektionen, aber auch von Autoimmunerkrankungen, Medikamenten oder Alkohol auftreten. Ebenso kann die Erkrankung als Begleithepatitis bei Hämochromatose oder Morbus Wilson vorliegen.

Akute Hepatitis

Die akute Hepatitis, ausgelöst durch Hepatitisviren, ist keine Indikation für fettarme Schonkost. So gibt es etwa keinen Grund, auf Kohl, Hülsenfrüchte oder Eier zu verzichten. Worauf geachtet werden muss, sind eine hochkalorische Nahrung mit mindestens 2.500 Kilokalorien täglich und der vollkommene Verzicht auf Alkohol.

Chronische Hepatitis

Heilt eine akute Hepatitis nicht aus bzw. wird sie chronisch, sind folgende Ernährungsregeln zu beachten: • Alkohol muss in jedem Fall vermieden werden. Dazu zählen naturgemäß Pralinen, Desserts, Kuchen etc. – wenn sie Alkohol enthalten –, aber auch Getränke wie alkoholfreies

Bier, da diese häufig einen Restalkoholgehalt aufweisen. • Hier sollte ebenfalls eine ausreichende Energiezufuhr erfolgen: 2.500 kcal täglich und mehr sind notwendig, um eine Gewichtsabnahme zu verhindern. • Der Eiweiß- und Fettgehalt sollte normal sein. Auch eine chronische

Hepatitis ist kein Grund für eine fettarme Schonkost. Eine Leberschonkost gilt ebenso als überholt wie die sogenannte „Quarkdiät“ , bei der große Mengen an Topfen gegessen werden. • Vielmehr sollte eine leichte Vollkost gewählt werden, die sich nach den

Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften richtet. Trotzdem sollte jede

Patientin bzw. jeder Patient auf die individuelle Verträglichkeit achten und diese im täglichen Speiseplan berücksichtigen. So können beispielsweise

Unverträglichkeiten bei scharf Angebratenem, bei blähendem Gemüse wie

Kohl, Bohnen oder Erbsen auftreten. • Gegen leichte Übelkeit hat sich Ingwer bewährt, der Nausea und Brechreiz mindern kann. Wie Studien nahelegen, scheint Kaffee einen positiven Einfluss auf die Leber zu haben. Trotzdem muss auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr mittels anderer Getränke geachtet werden. Heute darf Kaffee zwar zur Flüssigkeitsbilanz dazugerechnet werden, er dient jedoch in keinem Fall als Durstlöscher. Als solche gelten ausschließlich Wasser, Tees und stark verdünnte Fruchtsäfte. Bei bestehenden Magenproblemen kann Kaffee den Magen zusätzlich reizen. Unter diesen Umständen sollte auf das Heißgetränk komplett verzichtet oder dieses nur in kleinen Mengen getrunken werden.

Es zeigt sich, dass der Grundumsatz von Leberkranken um etwa 20 % höher ist und mit einem erhöhten Proteinabbau einhergeht.

Nichtalkoholinduzierte Fettleberhepatitis (NASH)

Die Rolle der Spurenelemente

Schluss mit Schäfchen zählen! Hergestellt in Österreich PZN(A): 3957425

Ist die Leber infolge einer Erkrankung nicht mehr in der Lage, die Aufgaben als Regulator des Stoffwechsels zahlreicher Spurenelemente zu erfüllen, kann es zu Stoffwechselstörungen kommen. Das gilt unter anderem für Zink, Selen, Eisen und Kupfer. In der Folge führt das zu oxidativem Stress sowie zu entzündlichen und/oder fibrotischen Veränderungen in der Leber. Auf eine ausreichende Versorgung mit jenen Spurenelementen – in erster Linie über Nahrungsmittel – ist daher unbedingt zu achten. Nüsse, grünes Gemüse, Getreideprodukte, Geflügel und Hülsenfrüchte gehören deshalb vermehrt in den täglichen Speiseplan eingebaut. Diese Empfehlungen sollten nicht nur bei Virushepatitis, sondern auch bei Autoimmunhepatitis be- PZN(A): 3957402 rücksichtigt werden. Bei medikamenteninduzierter Hepatitis sind sie ebenfalls anwendbar, sofern noch keine Leberzirrhose vorliegt. Zu wenig Bewegung, fett- und kohlenhydratreiche Ernährung sowie XXLPortionen führen gemeinsam mit genetischen Faktoren zu Übergewicht und Stoffwechselveränderungen. Diese begünstigen Fetteinlagerungen in der Leber und die Entstehung einer nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD – „non alcoholic fatty liver disease“), die in der Folge bei ungefähr einem von fünf Patienten eine Fettleberhepatitis (NASH – „non alcoholic steatohepatitis“) nach sich zieht. Bereits jeder dritte bis vierte Erwachsene trägt eine solche Wohlstandsleber mit sich herum, wobei Menschen mit starkem Übergewicht und Personen mit Typ-2-Diabetes besonders >

TÄGLICHE PROTEIN- UND ENERGIEZUFUHR

Indikation Proteine bzw. Aminosäuren g/kg KG/Tag

Nichtalkoholische Fettleber/hepatitis bei Normalgewicht 0,8–1

Energiezufuhr kcal/kg KG/Tag

25

Nichtalkoholische Fettleber/hepatitis (BMI > 30 kg/m2) 0,8–1 Gewichtsabnahme ist erforderlich

Alkoholische Steatohepatitis 1,2–1,5 30–35

Quelle: Hauner H et al. Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis; 2019.

gefährdet sind. Und auch bei Kindern und Jugendlichen steigen die Zahlen rasant. Bei der Entwicklung einer Fettleber ist besonders die Zufuhr von Kohlenhydraten zu betrachten. Ist diese zu hoch, werden vermehrt Kohlenhydrate in der Leber gespeichert. Wird die Speicherkapazität erreicht, steigt der Blutzuckerspiegel, Insulin wird vermehrt ausgeschüttet und infolgedessen kommt es zu einer Insulinresistenz sowie zu einer Umwandlung der Nährstoffe in Leberfett. Grundsätzlich ist in diesen Fällen Vollkost geeignet – mit einer starken Reduktion von Mono- und Disacchariden (Softdrinks). Stattdessen sollten komplexe Kohlenhydrate und Ballaststoffe mit einem Anteil von 40–45 Energieprozent konsumiert werden. Ein hoher Anteil der Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaen- und Docosahexaensäure wirkt antientzündlich und verbessert die Insulinresistenz, er erhöht darüber hinaus die Fettsäureoxidation und senkt die Lipogenese in der Leber. Eine proteinreiche Ernährung scheint das Leberfett speziell von Typ-2Diabetikern zu schmelzen, unabhängig von einer Gewichtsreduktion. So senkte in einer Studie mit je 30 % Eiweiß und Fett wie auch 40 Energieprozent Kohlenhydrate bei der Hälfte der Probanden das Leberfett um mehr als die Hälfte. Pflanzliche Proteinquellen sind hier zu bevorzugen. Zur Verbesserung von Steatose und Insulinresistenz sowie von Leberenzymen und Leberhistologie wird eine nachhaltige Gewichtsreduktion empfohlen, außerdem eine Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren. Auch eine mediterrane Kost kann Vorteile haben. Patientinnen und Patienten mit NAFLD sollten vollständig auf Alkohol verzichten. Kaffee kann wegen der hepato- und kardioprotektiven Effekte empfohlen werden.

EMPFEHLUNGEN BEI BEGLEITHEPATITIS

Erkrankung Ernährungsempfehlungen

Hämochromatose

Morbus Wilson „ Beschränkung der Vitamin-C-Zufuhr auf 500 mg/Tag „ Ballaststoffe, Calcium und Gerbsäure hemmen Aufnahme von Eisen „ Idealerweise völliger Verzicht auf Alkohol „ Ausreichende Eiweißzufuhr

„ Vermeidung von kupferreichen Lebensmitteln, etwa von Meeresfrüchten und -fischen,

Innereien, großen Fleisch- und Wurstmengen,

Nüssen, Pilzen, Kakao, Schokolade „ Zubereitung der Nahrung in kupferfreien

Gefäßen „ Konsum von zinkreichen Lebensmitteln, z. B. von Weizenkleie, Weizenkeimen, Käse

Alkoholische Steatohepatitis (ASH)

Bei diesem Krankheitsbild steht der Verzicht auf Alkohol im Vordergrund. Die Ernährungstherapie fungiert als Erstlinientherapie, da eine den Bedarf deckende Ernährung die einzige Behandlungsmaßnahme darstellt, die einen positiven Effekt auf die Prognose gezeigt hat. Ein Problem ist die oft bestehende hypokalorische Ernährung, insbesondere bei vorliegender Mangelernährung – und das bei einem gleichzeitig erhöhten Ruheenergieverbrauch um das 1,3-Fache. Ziele sind somit eine Energiezufuhr von 30–35 kcal/kg KG/Tag und eine Proteinzufuhr von 1,2–1,5 g/kg KG/ Tag. Zusätzlich wird eine Spätmahlzeit empfohlen, um die Nüchternphasen mit katabolem Stoffwechsel kurz zu halten. Wenn die Ernährungsziele durch orale Ernährung allein nicht erreicht werden können, sollten orale bilanzierte Diäten (OBD), welche am späten Abend bzw. nachts angewendet werden, die Erstlinientherapie darstellen.1

Begleithepatitis

Hämochromatose und Morbus Wilson führen ebenso zu einer Hepatitis, wobei hier Ernährungsmaßnahmen lediglich unterstützen. Entsprechende Empfehlungen sind jeweils der Tabelle links zu entnehmen.

Dr.in Astrid Laimighofer

Quelle: 1 Plauth M et al., S3-Leitlinie der DGEM Aktuel Ernahrungsmed 2014; 39: e1–e42.

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