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Unangenehme Reisemitbringsel

Diarrhö als Reisemitbringsel

Erregerdiagnostik durch Anamnese und richtige Probenbehandlung erleichtern

SerieGASTRO

„Die Stuhlprobe muss relativ rasch ins mikrobiologische Labor kommen und zwischendurch gekühlt werden.“

Die Wahl des Urlaubslands beeinflusst das Risiko, Magen-Darm-Erkrankungen zu entwickeln, erheblich. Im kontinentalen Europa und in den USA erkranken < 2 von 100.000 Reisenden an einer akuten Gastroenteritis, die medizinischer Hilfe bedarf, auf den kanarischen Inseln sind es > 20, in der Türkei, in Thailand sowie Afrika ca. 65 und 185 in Ägypten.1 Auch dieses Jahr müssen sich Ärztinnen und Ärzte wieder auf die Behandlung von Reiserückkehrern mit Diarrhö einstellen.

Urlaubsland ans Labor kommunizieren

„Jegliche gastrointestinale Symptome, die nicht binnen max. drei Tagen abklingen, müssen abgeklärt werden. Allerdings gilt diese Faustregel natürlich nicht für jedes Patientenkollektiv“ , betont Prim.a Univ.-Prof.in Dr.in Petra Apfalter, DTMH, Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin (IHMT), Ordensklinikum Linz Elisabethinen. Schließlich könne bei Säuglingen und betagten Menschen eine Dehydratation sehr rasch eintreten. „In der Infektionsmedizin müssen solche Aspekte immer einbezogen werden. Wir müssen

ANAMNESTISCHE LEITFRAGEN

„ Wer? Handelt es sich um sehr junge oder um ältere Personen oder um solche, die immunsupprimiert oder vorerkrankt sind, ist die Lage ernster als bei erwachsenen

Regelpatienten. „ Wo? In welchem Gebiet die Patientin oder der Patient unterwegs war, hat einen

Einfluss auf die Anlage der Stuhlkultur. „ Art des Durchfalls oder des Erbrechens?

Wie häufig ist der Stuhlgang, wie sieht er aus, ist er geformt, sind Blut, Schleim oder

Eiter beigemengt? Wie viel Flüssigkeit wird beim Erbrechen verloren, ist Blut vorhanden? „ Begleitsymptome? Treten Fieber, Kreislaufstörungen oder Bauchkrämpfe auf? „ Andere Betroffene? Sind im Umfeld auch andere Personen erkrankt?

© Ordensklinikum Linz Elisabethinen uns fragen: Wer war wo? Wir suchen nach anderen Erregern, wenn wir wissen, dass Betroffene aus einer gewissen Region zurückkommen. Nur so können wir die richtigen Kulturplatten auswählen, auf denen die Erreger gut wachsen“ , erinnert die Expertin. Diese und weitere wichtige anamnestische Leitfragen sind in der Infobox aufgelistet. Die Beschreibung des Durchfalls (Frequenz, Konsistenz, Farbe, Schleim, Blut etc.) sowie von Begleitsymptomen (Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Fieber, etc.) kann ebenfalls ein wichtiger Anhaltspunkt bezüglich möglicher Erreger sein (siehe Infobox). Während hierzulande Salmonellen und Campylobacter als Hauptverursacher von Enteritiden gelten, mit einigem Abstand gefolgt von Shigellen und Yersinien, müssen bei Fernreisen auch andere Erreger in Betracht gezogen werden. „Lamblien, Kryptosporidien, Amöben, verschiedene Aeromonas-Arten, enteropathogene E.-coli-Stämme und Vibrionen – und hier eher die Non-Cholerae-Vibrionen – können solche Reisemitbringsel sein“ , erläutert Prof.in Apfalter.

Schnelle Diagnostik selten erstattbar

„Das Arbeitspferd in der Erregerdiagnostik ist nach wie vor die Kultur“ , berichtet Prof.in Apfalter. Die Verdachtsdiagnose kann nach der Anzucht mittels einer MALDI-TOF-MS („Matrix Assisted Laser Desorption Ionization – Time of Flight Mass Spectrometry“) bestätigt werden. „Die zweite Möglichkeit ist der molekularbiologische Nachweis, den aber – je nachdem, wer wo diagnostiziert – die Kassen häufig nicht bezahlen. Eine Hürde, die der Diagnostik entgegensteht. Mithilfe molekularbiologischer Verfahren kann man in kurzer Zeit die meisten Erreger auf einen Blick erfassen, auch Viren, die wir ja nicht anzüchten können“ , erklärt die Expertin. „Und in der Parasitologie spielt immer noch die Mikroskopie eine wichtige Rolle.“

Bei schwerer Symptomatik: Blick ins Blut

Wenn Betroffene fiebern und viel Flüssigkeit verloren haben, sollen Ärztin-

nen und Ärzte auch Blutparameter kontrollieren. „Man muss den Elektrolytstatus erheben und eruieren, ob die Niere durch den massiven Flüssigkeitsverlust eventuell schon in Mitleidenschaft gezogen ist. Außerdem sollten das CRP als Marker einer möglichen bakteriellen Infektion und die Granulozyten auf eine Linksverschiebung kontrolliert werden“ , fasst Prof.in Apfalter zusammen.

Rascher und richtiger Probenversand

Da es sich bei Stuhl um keine sterile Probe handelt, kann der eigentliche Erreger bei falscher Behandlung der Probe überwuchert werden, was die Identifizierung mittels einer Kultur beeinträchtigt. „Die Stuhlprobe muss relativ rasch ins mikrobiologische Labor kommen und zwischendurch gekühlt werden“ , so Prof.in Apfalter. Ideal wäre eine Einsendung innerhalb von zwei EXPERTIN: Prim.a Univ.-Prof.in Dr.in Stunden nach der Abnahme. Petra Apfalter, DTMH Um dem Labor die Arbeit zu Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie erleichtern, ist eine Aufteilung und Tropenmedizin des Stuhls auf mehrere Ge(IHMT), Ordensklinikum Linz Elisabethinen fäße sinnvoll. „Wir verlangen immer drei Proben von den Einsendern, um die Bereiche Molekularbiologie, Bakteriologie und Parasitologie abdecken zu können – eine haselnussgroße Portion pro Transportbehälter reicht aus“ , erklärt die Expertin. Die Probenbehälter müssen mit saugfähigem Material umwickelt und in ein Übergefäß gegeben werden, bevor sie in ein Kuvert verpackt werden. Zuletzt erfolgt die Markierung mit einem Aufkleber, der auf das biologische Material hinweist.

Medikation mit Bedacht einsetzen

Prof.in Apfalter gibt einen Überblick, welche therapeutischen Interventionen bei Magen-Darm-Beschwerden nach Reisen sinnvoll sind. Antibiotika: „Ich erlebe immer wieder, dass Ärztinnen und Ärzte sofort Antibiotika verschreiben, wobei deren Einsatz nur in seltenen Fällen indiziert ist. Wir geben sie lediglich bei einer einzigen Bakterienart regelhaft: bei >

TYPISCHE DURCHFALL-ERREGER2

„ Wässrige Diarrhö: Cholera, ETEC, EHEC, EPEC „ Breiige Diarrhö: Salmonella, Yersinia „ Schleimige Diarrhö bzw. Antibiotikagabe oder Spitalsaufenthalt:

C. difficile „ Blutige Diarrhö: Amöben, Balantidium, Shigella, Campylobacter (Salmonella) „ Voluminöse, fettglänzende, stinkende Diarrhö: Lamblien

Shigellen“ , macht Prof.in Apfalter aufmerksam. Hier sei erwiesen, dass Ausscheidung und Symptomdauer durch die antibakterielle Therapie verkürzt werden könnten. Bei allen anderen Erregern sei das bei erwachsenen Regelpatientinnen bzw. -patienten nicht der Fall. „Wenn die betroffene Person über 65 Jahre oder unter drei Monate alt ist, Krebs, Morbus Crohn oder HIV hat, nierentransplantiert ist oder wenn eine systemische Infektion vorliegt, kann eine Antibiotikatherapie indiziert sein“ , so die Ärztin. Motilitätshemmer: „Jene Arzneimittel sollten Patienten grundsätzlich, wenn irgendwie möglich, nicht einnehmen. Man möchte den Darm nicht lähmen, sondern den Erreger ausscheiden“ , erinnert Prof.in Apfalter. Medikamente wie Loperamid können allerdings z. B. den Heimflug erleichtern. Elektrolyte und Diät: Die symptomatische Therapie sollte gleich bei Beschwerdebeginn gestartet werden. „Die Rehydratation hat natürlich einen sehr hohen Stellenwert. Abgepackte Elektrolytmischungen, die man in Wasser oder Orangensaft auflösen kann, sind daher eine sinnvolle Ergänzung der Reiseapotheke“ , unterstreicht die Expertin. Als Diät empfiehlt sie eine klassische MagenDarm-Schonkost: „Kartoffeln, Nudeln, Reis, Suppe, gekochtes Gemüse mit ein wenig Salz. Und möglichst keine Milchprodukte, weil der Darm ohnedies genug belastet ist.“

Fazit

Am besten sollten die Patientinnen und Patienten schon vor der Reisesaison an den wichtigen infektiologischen Leitsatz „Cook it, peel it or forget it“ erinnert werden, um keine unliebsamen Erkrankungen aus dem Urlaub mitzubringen. „Man muss sich bewusst sein, wo die Gefahrenquellen liegen“ , warnt Prof.in Apfalter. Viele wüssten zwar, dass sie kein Leitungswasser trinken sollten, machten sich aber z. B. bei Eiswürfeln keine Gedanken.

Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc

Quellen: 1 Siikamaki H et al., Euro Surveill 2015; 20: 15-26. 2 Hof, H & Schlüter, D (Hrsg.), Medizinische Mikrobiologie, 2019; Stuttgart: Georg

Thieme Verlag.

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