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Sehkraft der Kinder im Blick behalten
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Experte zum Thema: Dr. Peter Gorka Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie in St. Pölten
Je früher man Sehprobleme bei Kindern erkennt, desto besser sind die Behandlungsmöglichkeiten. Dr. Peter Gorka, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie in St. Pölten, gibt Antworten auf Fragen zur Augengesundheit der Kleinsten. ARZTASSISTENZ: Warum ist es so wichtig, beim Kind einen Augencheck machen zu lassen? Dr. Peter Gorka: Kinder können im Gegensatz zu Erwachsenen ihre Sehprobleme nicht artikulieren, sie sind das Sehen nicht anders gewöhnt. Nur durch ärztliche Untersuchungen, beginnend mit dem Mutter-Kind-Pass, können Fehlsichtigkeit, Schielen und organische Augenerkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Das kindliche Auge ist anfällig für typische Erkrankungen, die behandelbar sind. Seltenere Missbildungen und Tumoren im Augeninneren sind äußerlich nicht sichtbar und können nur durch die ärztliche Untersuchung entdeckt werden. Häufiger – bis zu 10 % – sind Risikofaktoren, die ohne Behandlung zu einer Schwachsichtigkeit führen können: Fehlsichtigkeiten, die sich mit einer Brille ausgleichen lassen, und kleine Schielwinkel, die den Eltern nicht auffallen. In den ersten zehn Lebensjahren entwickeln sich zudem die Sehzentren
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Oktober 2021
im Gehirn und verknüpfen sich mit den akustischen, sprachlichen und motorischen Zentren. Frühkindliche Störungen der visuellen Informationsaufnahme beeinträchtigen die Reifung dieser Zentren und ihrer Verbindungsbahnen. Daher ist es besonders wichtig, in diesen ersten Lebensjahren des Kindes auch auf die Korrekturen von Sehschwächen oder Augenerkrankungen zu achten. Wie kann man denn nun so eine Fehlsichtigkeit feststellen? Mit ausreichender Genauigkeit nur durch eine Refraktionsmessung nach Eintropfen der Augen. Daher sollte bei jedem Verdacht auf Fehlsichtigkeit und bei allen Risikokindern eine Untersuchung beim Augenarzt veranlasst werden. Ein positiver Trend: In manchen kinderärztlichen Ordinationen werden neuerdings Handgeräte zum Screening auf Fehlsichtigkeiten und Schielen verwendet. Dadurch kann oft auch bei unauffälligen Kindern schon der Verdacht auf eine Fehlsichtigkeit gestellt und zum Eintropfen weiter geschickt werden. Hilfe, das Kind wird kurzsichtig! – Was kann man tun? Wegen der veränderten Lebensgewohnheiten ist die Kurzsichtigkeit weltweit im Vormarsch. Sie ist nicht nur eine Fehlsichtigkeit, sondern geht laut der
Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft im mittleren und höheren Lebensalter mit besonderen Risiken einer Netzhautablösung, eines grauen Stars, eines Glaukoms und einer Makuladegeneration einher. Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass sich Kinder zur Vorbeugung so viel wie möglich im Freien aufhalten und gleichzeitig die Zeiten der Naharbeit reduzieren sollten. Jährliche Untersuchungen bei erweiterter Pupille ermöglichen es dem Augenarzt, schon im Vorschulalter die Wachstumsgeschwindigkeit der Augen zu bestimmen und bei Bedarf eine Regulationstherapie durchzuführen. Wann sind Untersuchungen durch den Augenarzt vor dem ersten bzw. zweiten Geburtstag sinnvoll? Wenn nach der Entbindung beträchtliche Auffälligkeiten der Augen bestehen, beispielsweise eine Fehlentwicklung der Lider oder getrübte Pupillen, wird sofort eine augenärztliche Untersuchung veranlasst. Fällt den Eltern danach etwas auf, ist schon mit vier bis sechs Wochen ein Besuch beim Augenarzt möglich. Ist ein Kind mit besonderen Risiken belastet, zu schielen oder andere Sehschwächen zu entwickeln, sollte mit sechs bis zwölf Monaten eine erste augenärztliche Untersuchung erfolgen. Als solche Risikokinder gelten unter anderem Frühgeborene, Kinder schielender oder stark fehlsichtiger Eltern, mit stark fehlsichtigen Geschwistern, mit Entwicklungsrückstand und aus Familien mit bekannter erblicher Augenkrankheit. Unbedingt sollte jedenfalls die augenärztliche Mutter-Kind-PassUntersuchung zum zweiten Geburtstag durchgeführt werden. Das Interview führte Bettina Schürz.
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Augenfacharzt beleuchtet die Untersuchungen im Mutter-Kind-Pass