Interview mit Professor Tobias Straumann
ZVG
FRAGEN AN :
CORINNE DOBLER
Gastro-Seelsorgerin von GastroAargau und Pfarrerin in Bremgarten AG Corinne Dobler (42) ist zurzeit intensiver für die Gastronomen da. Sie selbst wurde quasi in die Branche hineingeboren: Ihre Mutter ist Restaurationsfachfrau und der Vater Koch. So wuchs sie mehr oder weniger in der Küche eines Altersheims im Zürcher Tösstal auf, in welchem ihr Vater arbeitete. Die Pfarrerin ist Mutter von zwei Kindern und lebt in Bremgarten AG.
1—Werden Sie zurzeit von Gastronomen öfters kontaktiert?
Ja, es haben sich einige Gastronomen mehr als üblich bei mir per Telefon, Facebook oder SMS gemeldet. Sich treffen ist zurzeit ja schlecht möglich. Ich bin für alle da, die sich gern mit jemandem austauschen möchten oder mich zum Beistehen benötigen. 2—Mit welchen Problemen kommen die Leute auf Sie zu?
Es geht ganz klar um die Existenz. Einige haben rechtliche Fragen, die ich nicht lösen kann. Ich habe mich auch bei Leuten gemeldet, von denen ich wusste, dass es ihnen nicht gut geht. Es ist eine Schocksituation, viele wissen nicht, was sie machen sollen. 3—Was raten Sie Gastronomen aus seelsorgerischer Sicht?
Einen Tag nach dem anderen zu nehmen. Was hilft, ist eine To-doListe zu erstellen und zu priorisieren: Was ist dringend und wichtig betreffend Schadensbegrenzung und Selbstsorge? Mir als Seelsorgerin geht es darum, den Wirten psychisch beizustehen und sie mental zu stärken. Und sie sollen sich Sorge tragen und nicht die Nerven verlieren. Spaziergänge und Bewegung an der frischen Luft helfen. Wichtig ist, sich mit Kollegen via Telefon oder Whatsapp zu vernetzen und auszutauschen. So merkt man, dass man nicht allein ist. cn
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PA N O R A M A
«Den Notstand zu ver wäre völlig unverant
Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann forder nach dem 19. April 2020 die Bestimmungen loc jetzt knapp drei Wochen Zeit, um Vorschläge zu Branche braucht es dabei die jeweils beste Lösu Text Reto E. Wild
Tobias Straumann, was bedeutet die «ausserordentliche Lage» aufgrund des Coronavirus für die Schweizer Wirtschaft? Laut Avenir Suisse kostet ein einziger Monat 30 Milliarden Franken.
Tobias Straumann: Wenn wir die ganze Wirtschaft lahmlegen wie in Italien, können wir nicht lange durchhalten. Mit der momentanen Regelung hingegen kann die Wirtschaft einen Monat lang einigermassen überleben. Aber nach dem 19. April muss der Bundesrat überall die Bestimmungen lockern, wo es nur geht.
ren fast unverzinst zurückgezahlt werden. Damit und mit dem Antrag auf Kurzarbeit müssten beispielsweise die Restaurants durchkommen. Zählt man alle Massnahmen zusammen, ist das ein gutes Paket. Viele gehen aber davon aus, dass der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» bis Ende Mai verlängert.
Das wäre völlig unverantwortlich, weil dann die Lage schnell prekär würde. Nochmals: Ich sage nicht, dass wir am 20. April einfach zum normalen Alltag übergehen können. Aber was in Coop, Migros & Co. geht, muss auch in anderen Läden Konkret? möglich sein: eine Öffnung mit VorAlle Geschäfte und Restaurants, die jetzt sichtsmassnahmen, damit sich das Cogeschlossen haben, sollten ihren Betrieb ronavirus nicht weiter ausbreitet. Eine wieder öffnen können. Das heisst nicht, Verlängerung der Null-Toleranz-Politik dass wir sofort zur Normalität überge- schlägt letztlich auch auf die Gesundhen sollen. In den Supermärkten gilt heit der Bevölkerung durch. Der Bundesjetzt ja auch ein Sicherheitsabstand, und rat hat richtigerweise zuerst darauf hindie Hände werden beim Eingang desinfi- gearbeitet, dass die Spitäler nicht ziert. Und selbst wenn wir die Massnahmen lockern, kehren wir nicht sofort zu alten Verhältnissen zurück, weil sich die Leute noch längere Zeit zögerlich verhalten werden. Aber es ist für die Betriebe entscheidend, wenigstens wieder einen Teil des Umsatzes von früher machen zu können. Das ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychologisch sehr wichtig.
«Was in Migros & Co. geht, muss auch in anderen Läden möglich sein.»
Mitarbeitende Gesellschafter beziehungsweise Inhaber und deren Ehegatten erhalten monatlich 3320 Franken als Kurzarbeitsentschädigung. Das ist nicht viel Geld.
überlastet werden, aber in einem zweiten Schritt muss er stärker auf die wirtschaftlichen Folgen achten. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Regierung das realisiert.
Nein, aber immerhin. Sie können als Betrieb zusätzlich eine Liquiditätshilfe Wie gut hat sich der Bundesrat bisher von bis zu 500 000 Franken in Anspruch verhalten? Kritiker monieren, er sei zu nehmen. Diese vom Bund abgesicherten zögerlich und hätte eine AusgangsKredite müssen in fünf bis sieben Jah- sperre verhängen sollen.