FamilienSonntag 1-2021 Frühling

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Titelstory Für Erwachsene mag der Himmel fern und fremd sein – Kinder wie Lucas haben g ­ enaue Vorstellungen von ihm. Er ist bunt, warm, tröstlich. Oma ist auch da. Und manchmal beginnt etwas Himm­lisches schon hier auf Erden.

Lucas’ Himmel ist gelb, rot, golden.

Und blau natürlich auch. Er ist gelb, weil die Sonne in ihm überfließt. Blau wie das Meer. Der Sand, den Lucas auf seinem Himmelsbild gemalt hat, s­ chimmert golden. Das Rot steht für die Feuerwehr. Lucas will mal Feuerwehrmann werden.

»So stelle ich mir den Himmel vor«, sagt Lucas und faltet das bemalte Papier auseinander. Dass der Himmel bunt ist und warm. »Und dass ich auch meine ganzen Klassenkamer­aden wiedersehe.« Die Chemotherapie hat er gerade hinter sich gebracht. Für diese Woche. Mit schwarz-gelbem Dynamo-Dresden-Mundschutz tritt er aus der Kinderkrebsklinik im Dresdner Universitätsklinikum. Ein elfjähriger Junge mit kurzen blonden Haaren und neugierigen Augen hinter der modischen Hornbrille. Über ihm hängt der Himmel verhangen und grau an diesem Tag, der Regen drückt auf die Erde. Lucas aber ist wie ein Springball. Es gibt so viel zu erzählen und zu ent­decken.

Wer ein Gespür dafür bekommen will, was für einen Jungen wie Lucas der Himmel sein könnte, muss nur nach Dynamo fragen. Nach seinem Lieblingsfußballklub. Als wäre es gestern gewesen, kann Lucas davon erzählen, wie er vor zwei Jahren zu einem Liga-Spiel mit den Profis ins Stadion einlaufen durfte. Dresden gegen Ingolstadt. An der Hand von Mittelfeldmann Patrick Ebert. Der schoss das erste Tor. Danach gab es ein Trikot mit den Autogrammen der Spieler für Lucas, er durfte mit seinem Vater im VIP-Bereich sitzen und an der Pressekonferenz teilnehmen. Lucas weiß noch genau die Worte auf dem Schild, das ihm der Verein Herzenswünsche Oberlausitz zuvor überreicht hatte: »Lieber Lucas, Dein Herzenswunsch wird wahr.«

Auch zu Hause ist für Lucas der Himmel. In Weißwasser bei seiner Mutter und bei seinem Vater, der nicht viele Worte macht, seinen Sohn lieber herzlich in den Arm nimmt und nur sagt: »So eine Krankheit schweißt zusammen.« Und bei seinem siebenjährigen Bruder Felix, dessen Namen Lucas herausgesucht hat. Nach Felix, dem Hasen aus den Kinderbüchern. »Vati, ich habe Angst vor dem MRT«, sagt Lucas plötzlich. In der Untersuchungsröhre mit den Magneten ist es laut, über eine halbe Stunde lang muss Lucas gleich darin still liegen. Sie soll zeigen, ob der Tumor in seinem Kopf endlich kleiner geworden ist. Lucas zieht seinen blauen Pullover hoch und zeigt die kaffeebraunen Flecken auf seinem Bauch. Das kommt von der Krankheit mit dem schwierigen Namen Neurofibromatose.

»Und wenn ein Mensch gestorben ist, geht seine Seele in den Himmel.« Lucas, 11

Lucas, 11 Jahre

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