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Die verschiedenen Gesichter der Stadt(teile

EINE STADT, VIELE GESICHTER ONE CITY, MANY FACES

Die Alt- und Innenstadt sind unbestritten das Herz von Innsbruck, doch auch die verschiedenen Stadtteile sind bunt, spannend und vielfältig. Streifzüge in alle Himmelsrichtungen lohnen sich, um ein anderes, oft unbekanntes Innsbruck kennenzulernen. // The old town and city centre are the heart of Innsbruck, but the various districts are also colourful, exciting and diverse. Strolls in all directions are ideal to get to know another often unexplored Innsbruck.

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Innsbruck mit seinen 132.000 Einwohnern hat 20 Stadtteile, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ehemalige Dörfer wie Hötting, Vill oder Arzl haben sich ihren Charakter großteils bis heute bewahrt. Oder das Olympische Dorf mit seinen Hochhäusern und Wohnblöcken, entstanden aus der Notwendigkeit, zu den Olympischen Spielen 1964 und 1976 eine große Anzahl an Sportlerinnen und Sportlern und deren Tross unterzubringen. Die Gegenden, die von Bürgerhäusern und

Villen geprägt sind und in denen selbst öffentliche Einrichtungen einen herrschaftlichen Charakter haben: der Saggen zum Beispiel. Sie alle haben ihre Eigenheiten, ihren ganz besonderen Reiz, ihre Bewohner sind stolz, Höttinger oder Pradler, Igler oder Reichenauer zu sein. Und nicht selten besteht eine kleine Konkurrenz untereinander. Aber was sich liebt, das neckt sich eben.

DORF IN DER STADT – HÖTTING Nicht erst seit einigen Jahren ist der Stadtteil Hötting ein bevorzugtes und inzwischen recht exklusives Wohngebiet. Wie Funde beweisen, wusste man schon ab der Jungsteinzeit die sonnigen Hänge zu schätzen. Jahrhundertelang war Hötting ein Dorf im Norden der Stadt Innsbruck. Erst 1938 wurde es unter nationalsozialistischer Herrschaft eingemeindet. Auf dieser langen Unabhängigkeit beruhen der Stolz der Bewohner, ein kritischer Sinn und Widerspruchsgeist.

Den dörflichen Charakter hat sich Hötting im Kern bis heute bewahrt. Alte Bauernhäuser wechseln sich ab mit herrschaftlichen Ansitzen und modernen Wohngebäuden. Besondere Schmuckstücke sind die beiden Kirchen des Stadtteiles. Die „alte Pfarrkirche“ mit ihrem markanten Turm wurde 1286 erstmals urkundlich erwähnt, im spätgotischen Stil erbaut und später barockisiert. Die „neue Pfarrkirche“, sie liegt etwas unterhalb der alten, wurde 1911 im historistischen Stil errichtet. Eine Besonderheit liegt in der Nähe der beiden Kirchen an der Straße zum Stadtteil Hungerburg: ein kleiner Pestfriedhof. Auch einige der schönsten und bekanntesten Ausflugsgasthöfe befinden sich in Hötting: der Gasthof Schießstand und der Planötzenhof. Von diesen Plätzen hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt. Gute, bodenständige Küche inklusive.

Und schließlich liegt eine der steilsten Radstrecken des Landes, weltweit bekannt seit der Straßenrad-WM 2018, in diesem Innsbrucker Stadtteil: Die Höll mit bis zu 28 Prozent führt von hier auf die Hungerburg. Wobei der Name ursprünglich aber nicht von diesem teuflischen Vergnügen stammt, sondern von Höhl/Hohlweg.

BEI REICH UND SCHÖN – HUNGERBURG Die Hungerburg, etwas nördlich über der Stadt gelegen, ist gewissermaßen das Sprungbrett auf die Nordkette. Sie ist durch die moderne Hungerburgbahn direkt aus dem Stadtzentrum erreichbar. Und schon allein eine Fahrt mit dieser Standseilbahn ist ein Erlebnis für sich: Die Stationen, die das fließende Gletschereis nachempfinden sollen, wurden vor zehn Jahren von der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid entworfen. Die ersten Meter sind als „U-Bahn“ ausgeführt, dann quert sie den Inn, verschwindet noch einmal kurz im Berg, ehe sie die Höhe erklimmt. Von einer Zwischenstation lässt sich bequem der Alpenzoo erreichen. An der Endstation erwartet einen, einem großzügigen Balkon gleich, eine wunderbare Aussicht über die Stadt und das Umland. Noch atemberaubender wird dieser Blick eine Etage höher, auf der Seegrube oder gar vom Hafelekar, die man mit der Seilbahn in wenigen Minuten erreicht.

Hötting

St. Nikolaus

Auf der Hungerburg gibt es tatsächlich einen mittelalterlich aussehenden Turm. Dieser ist aber weder Teil einer Festung, noch war er namensgebend für den Stadtteil. In Wahrheit hatte ein Innsbrucker Bürger um 1840 ein Haus und eine Jausenstation auf dem Platz über Innsbruck errichten lassen. Da das kulinarische Angebot angeblich kärglich war, erhielt sie den Spottnamen „Hungerburg“. Eine andere Version der Namensgebung lautet, die Innsbrucker hätten Hoch-Innsbruck so bezeichnet, weil dort nur die Reichen und Schönen wohnten, die alles andere als hungern mussten. Für arme Leute sind die Immobilien in Toplagen tatsächlich auch heute noch nicht.

Sehenswert ist auf der Hungerburg die Theresienkirche. Zwei der bedeutendsten Tiroler Maler des 20. Jahrhunderts drückten ihr einen Stempel auf: Ernst Nepo und Max Weiler. Weilers Darstellung biblischer Szenen mit Menschen in Tiroler Tracht und einem blauen Pferd geriet allerdings zum Skandal, der sogar den Vatikan beschäftigte. Zwischen 1950 und 1958 mussten die Bilder verhüllt werden. Heute sieht man sie zum Glück wieder in voller Größe und Wirkung.

INNSBRUCKS WIEGE –MARIAHILF UND ST. NIKOLAUS Die bunten Häuser am nördlichen Innufer sind wohl eines der bekanntesten und beliebtesten Fotomotive. Hier in Anpruggen liegt die Wiege der Stadt Innsbruck. 1133 gründeten die Grafen von Andechs, denen das Gebiet gehörte, einen Markt an dieser Stelle. 1180 erwarb Graf Berthold V. von Andechs vom Stift Wilten ein Grundstück am gegenüberliegenden Innufer und errichtete auch dort einen Markt mit Tortürmen und einer Mauer – die heutige Altstadt. Das letztgenannte Datum gilt als Geburtsstunde von Innsbruck. Verbunden wurden die Märkte an beiden Innufern durch eine Brücke. Sie gab Anpruggen (= an der Brücke), aus dem später Inspruk und schließlich Innsbruck wurde, den Namen.

Heute befinden sich an der Innstraße einige der schönsten Häuser der Stadt und der Mix an Geschäften und Lokalen ist mindestens ebenso bunt wie die Fassaden: Er reicht von Hotels über ein großes Kino und ein nepalesisches Restaurant bis zum Laden mit handgefertigten Seifen. Richtung Westen wird die bunte Häuserfront von einem kleinen Kirchlein, der Pfarrkirche Mariahilf, begrenzt. Sie ist die einzige Pfarre, die nicht von der Kirche unterhalten wird, sondern vom Land Tirol. Ihre Existenz verdankt sie der Tatsache, dass Tirol im Dreißigjährigen Krieg weitgehend von Verheerungen verschont wurde. Im Jahr 1647 wurde daher von den Tiroler Ständen das Kirchlein, ein barockes Kleinod, gestiftet.

GOLDMEDAILLEN UND SCHLACHTENLÄRM – WILTEN Ebenso wie Hötting gehörte Wilten zum sehr frühen Siedlungsgebiet am Knotenpunkt zwischen Wipp- und Inntal. Erste Spuren finden sich um 1000 vor Christus, im 2. Jahrhundert nach Christus wurde die Straße über den Brenner ausgebaut, die Römer errichteten zuerst einige Depots und später das Lager Veldidena am südlichen Rand des Innsbrucker Talkessels. Von diesem Lager leitet sich auch der Name Wilten ab. Der Sage nach soll im 9. Jahrhundert der Riese Haymon den Riesen Thyrsus erschlagen und als Sühne dafür das Kloster Wilten gegründet haben. Das Kloster, bis heute in den Händen der Prämonstratenser, ist immer noch zu besichtigen, das Portal der Stiftskirche zieren die beiden Riesen. Bis zum bereits erwähnten Tauschgeschäft der Andechser Grafen mit dem Stift Wilten gehörte diesem das ganze Gebiet bis zum Inn. Heute endet der Stadtteil Wilten an der Triumphpforte, am Hotel Krone ist der Grenzstein zu entdecken.

Während der größte Teil Wiltens ruhiges Wohngebiet ist, hat sich rund um das Wiltener Platzl eine kleine, hippe Szene entwickelt: Vegane Lokale, Upcycling-Geschäfte, kreative Jungunternehmerinnen und -unternehmer haben sich hier angesiedelt. Hier lässt es sich wunderbar in den Kaffeehäusern bei selbstgebackenem Kuchen in der Sonne sitzen und am Laptop neue Ideen schmieden.

Ein anderer, nicht minder wichtiger Teil Wiltens ist der Bergisel: Er ist Symbol für sportliche und militärische Heldentaten. Auf der Sprungschanze, die von Zaha Hadid entworfen wurde, wurden bereits zwei Mal Olympiasieger gekürt. Auf den Abhängen zur Stadt fanden aber 1809 auch die Schlachten zwischen den aufständischen Tirolern unter ihrem Anführer Andreas Hofer und der bayerischen und französischen Besatzungsmacht statt. Drei Mal waren die Tiroler siegreich, die vierte Bergiselschlacht führte zur endgültigen Niederlage, Andreas Hofer wurde wenige Monate später in Mantua hingerichtet. Im monumentalen Riesenrundgemälde am Bergisel ist die dritte dieser Schlachten in ei

Hungerburg

nem beeindruckenden Panorama des Münchner Malers Zeno Diemer zu sehen. Man kann den Pulverdampf förmlich riechen, das Krachen der Gewehre und die Schreie hören.

W

Innsbruck with its 132,000 inhabitants has 20 districts that could not be more different. Former villages such as Hötting, Vill or Arzl have largely retained their character to this day. Or the Olympic Village with its skyscrapers and blocks of flats, which was created out of the necessity to accommodate the many athletes and their requirements for the Olympic Games in 1964 and 1976. Some areas are characterised by town houses and villas, where even public facilities have a stately

character: Saggen, for example. They all have their own peculiarities, their very special charm, and their inhabitants are proud to be Höttinger or Pradler, Igler or Reichenauer. There is often a little competition between them. But if you love someone you get to tease them sometimes.

THE VILLAGE IN THE CITY – HÖTTING The district of Hötting has been a popular and quite exclusive residential area for many years. As archaeological finds prove, people appreciated the sunny slopes from the Neolithic Age onwards. For centuries Hötting was a village in the north of the city of Innsbruck. It was only incorporated under National Socialist rule in 1938. The pride of the inhabitants, a critical sense and spirit of contradiction is based on this long independence.

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Mariahilf

Hötting has preserved its village character in its core until today. Old farmhouses alternate with stately residences and modern residential buildings. The two churches of the district are special gems. The “old parish church” built in late Gothic and later baroque style with its striking tower was first mentioned in a document in 1286. The “new parish church”, which is located a little below the old one, was built in 1911 in the historicist style. A special feature is located near the two churches on the road to the Hungerburg district: a small plague cemetery. Some of the most beautiful and well-known excursion destinations are also located in Hötting: the Gasthof Schießstand and the Planötzenhof. From these places you have a wonderful view over the city, as well as good, down-to-earth cuisine.

And finally, one of the steepest cycle tracks in the country, renowned worldwide since the Road Cycling World Championships in 2018, is in this part of Innsbruck: the Höll with inclines of up to 28 percent leads from here to the Hungerburg. But the name originally does not come from any diabolical pleasure (Höll means ‘hell’ in German), but from Höhl/Hohlweg (a hollow or narrow pass).

A T H O M E W I T H T H E R I C H A N D BEAUTIFUL – HUNGERBURG The Hungerburg, situated a little to the north above the city, is in a way the springboard to the Nordkette mountain chain. This can be reached directly from the city centre via the modern Hungerburgbahn. And a ride on this funicular alone is an experience in itself: the stations, which are intended to imitate the flow of glacier ice, were designed ten years ago by the Iraqi-British architect Zaha Hadid. The first section is designed as a “subway”, then it crosses the River Inn, disappears briefly into the mountain before climbing to the top. The Alpine Zoo can easily be reached from an intermediate station. A wonderful view of the city and the surrounding countryside awaits visitors at the terminus, which is like a spacious balcony. This view becomes even more breathtaking at the next stage, on the Seegrube or even from the Hafelekar, which can be reached in a few minutes by cable car.

On the Hungerburg there is a medieval-looking tower. However, it is neither part of a fortress nor did it lead to the name of the district. What really happened was that an Innsbruck citizen had a house and a snack station built in this location above Innsbruck around 1840. Since the culinary offer was allegedly meagre, it was nicknamed “Hungerburg”. Another version of the name is that the people of Innsbruck would have called Hoch-Innsbruck (“High Innsbruck”) this way because only the rich and beautiful lived there, who were anything but starving. Even today the real estate in this kind of top location is still not for the poor.

The Theresienkirche on the Hungerburg is worth seeing. Two of the most important Tyrolean painters of the 20th century left their mark on it: Ernst Nepo and Max Weiler. Weiler’s depiction of biblical scenes with people in Tyrolean costume and a blue horse, however, became a scandal that even led to involvement by the Vatican. Between 1950 and 1958 the pictures had to be covered up. Today, fortunately, you can see them again in full size and effect.

T H E C R A D L E S O F I N N S B R U C K – MARIAHILF AND ST. NIKOLAUS The colourful houses on the northern bank of the Inn are probably one of the best known and most popular photo subjects in the city. Here in Anpruggen lies the cradle of the city of Innsbruck. In 1133 the Counts of Andechs, who owned the area, founded a market at this location. In 1180 Count Berthold V. von Andechs acquired a plot of land on the opposite bank of the Inn from Wilten Abbey and he also built a market there with gate towers and a wall - today’s old town. The latter date is considered the birth of Innsbruck. The markets on both banks of the Inn were connected by a bridge. This led to the name Anpruggen (= at the bridge), which later became Inspruk and finally Innsbruck.

Today some of the most beautiful houses in the city are located on the Innstraße and the mix of shops and restaurants is at least as colourful as the facades: It ranges from hotels to a large cinema and a Nepalese restaurant to a shop with handmade soaps. Towards the west, the colourful row of house frontages has a small church at one end, the parish church Mariahilf. It is the only parish that is not maintained by the church but by the province of Tyrol. It owes its existence to the fact that Tyrol was largely spared devastation during the Thirty Years’ War. In 1647 the Tyrolean estates therefore donated the little church, a baroque gem.

THE DIN OF BATTLE AND GOLD MEDALS – WILTEN Like Hötting, Wilten was part of the very early settlement located at the junction between the Wipp and Inn valleys. The first traces are found around 1000 BC and in the 2nd century AD the road across the Brenner Pass was extended. The Romans first built some military camps and later the Veldidena fort on the southern edge of the Innsbruck valley basin. The name Wilten is also derived from the name of this camp. According to the legend, the giant Haymon is said to have killed the giant Thyrsus in the 9th century and founded the Wilten monastery as an atonement for this. The monastery, still in the hands of the Premonstratensians today, can be visited, and the portal of the collegiate church is decorated with the two giants. Until the barter by the Andechs Counts with Wilten Abbey mentioned earlier, the latter owned the whole area up to the River Inn. Today, the district of Wilten ends at the Triumphpforte, where at the Hotel Krone the boundary stone can be seen.

While most of Wilten is a quiet residential area, a small, hip scene has developed around the Wiltener Platzl: there are vegan restaurants and upcycling shops, as creative young entrepreneurs have settled here. It’s a great place to sit in the sun with homemade cake at the coffee houses and to create new ideas on your laptop.

Another no less important part of Wilten is the Bergisel: it is a symbol of sporting and military heroism. Olympic champions have already been crowned twice on the ski jump, which was designed by Zaha Hadid.

Wilten

However, in 1809 it was on the slopes leading to the town that the battles between the rebellious Tyroleans under their leader Andreas Hofer and the Bavarian and French occupying forces took place. The Tyroleans were victorious three times, the fourth battle of Bergisel led to their final defeat, Andreas Hofer was executed a few months later in Mantua. In the monumental panorama on the Bergisel, the third of these battles can be seen in an impressive work by the Munich painter Zeno Diemer. You can almost smell the smoke of the guns, hear the crack of the guns and the screams of the wounded.

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