Seezeit Sommer 2021

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VON ROTHÄUTEN

UND BLEICHGESICHTERN Der deutsche Abenteuer-Schriftsteller K A R L M A Y besuchte zwei Mal den Achensee. Eingeladen wurde er von der damaligen Besitzerin des Kreuzhofes bei Achenkirch, Gräfin Anna Jankovics.

Weil May mit seiner Frau kam, nächtigte er im Hotel Scholastika, nicht im Kreuzhof.

„Am Achensee, am Achensee, da steht ein wundersames Haus: So oft hinein, hinein ich geh, sehn ich mich nimmermehr hinaus.“ K AR L MAY

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r streifte als Kara Ben Nemsi durch die Schluchten des Balkan, reiste von Bagdad nach Stambul und fand als Old Shatterhand den Schatz im Silbersee. Wie wir heute wissen, freilich nur in seiner Fantasie. Im echten Leben war Karl May dafür aber zwei Mal am Achensee: 1897 und 1902. Während er bei seinem ersten Besuch von den Einheimischen begeistert gefeiert wurde, nahm man fünf Jahre später kaum mehr Notiz von ihm. Es ist die Geschichte einer erkalteten Liebe im doppelten Sinn. Wir schreiben das Jahr 1897: Karl May, der Schriftsteller aus Radebeul in Deutschland, war auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Die Geschichten um Old Shatterhand und Winnetou im „Wilden Westen“

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oder um Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar im Orient hatten ihn weltberühmt gemacht. Auch nach Tirol war die Kunde von diesen Helden gekommen. Etliche seiner Fortsetzungs- und Kurzgeschichten wurden durch den beliebten Tiroler Marienkalender bis ins hinterste Tal verbreitet. Den Tirolerinnen und Tirolern besonders sympathisch machte ihn dabei der stets vorhandene christliche Unterton seiner Erzählungen. Und so kam auch Mays Verbindung zum Achensee zustande. Die 34-jährige Gräfin Anna Elisabeth Jankovics, aus streng katholischem Hause stammend, war vom Tod Winnetous aufgewühlt. Sie hatte das Bekenntnis des sterbenden Helden gelesen, dass er in Wahrheit ein Christ sei. Nun wollte sie von May, den sie gleichzeitig für den Old Shatterhand der Romane hielt, wissen, warum er Winnetou vor dessen Tod nicht getauft habe. Sie schickte also einen Brief nach Radebeul. Doch, antwortete May, er habe dem Häuptling der Apachen eine Nottaufe gegeben, dies aber nicht an die große Glocke hängen wollen, um die Protestanten in Deutschland nicht zu verärgern.

Fasziniert von Mays Abenteuern So entstand ein reger Briefwechsel der schwärmerischen Gräfin mit dem deutschen Schriftsteller. Schließlich erfolgte eine Einladung Mays an den Achensee. Dort hatten die Jankovics ein Haus, in dem sie die Sommerfrische zu verbringen pflegten: den Kreuzhof in Achenkirch. In ihrer Einladung an May schreibt sie: „Es gibt darin eine so genannte ‚GastkamAUFMACHERBILD: © AA FILM ARCHIVE / ALAMY STOCK FOTO


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