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Haltbar machen

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Zurück zur Natur

Zurück zur Natur

DER SOMMER IM GLAS

Nahrungsmittel haltbar zu machen, ist ein wunderbarer Versuch, den Jahreszeiten kulinarisch ein Schnippchen zu schlagen. Was früher üblich war, geriet lange in Vergessenheit. Nun werden alte Konservierungsverfahren immer öfter wiederentdeckt. In der Gastronomie, aber auch zuhause.

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„Wir reisen durch die Welt und entdecken mit fast kindlicher Neugierde fremde Regionen und Kulturen, zu Hause kochen wir asiatisch, indisch oder orientalisch. Es wird höchste Zeit, sich wieder dem Naheliegenden zu widmen: der eigenen Heimat.“

In früheren Zeiten war Essen einfach. Die Jahreszeiten gaben vor, was auf den Tisch kam. Was im Frühjahr gepflanzt wurde, im Sommer wuchs und im Herbst geerntet oder geschlachtet wurde, sicherte das Überleben. Was der Bauer nach Hause brachte, wurde gegessen, und was nicht sofort gegessen werden konnte, wurde haltbar gemacht für später. Vor allem der Sommer und der Herbst haben so viel zu geben, dass man meist gar nicht alles sofort aufbrauchen konnte. Während die Landwirte also den Boden ein letztes Mal im Jahr umstachen und die Erde für den Winter vorbereiteten, begannen die Küchen des Landes die Nase mit dem heimeligen Geruch nach Marmelade, Röstern und eingelegtem Gemüse zu umspielen. So ließen sich die warmen Monate des Jahres ins Glas füllen, um uns kulinarisch durch den Winter zu begleiten.

Als die meisten Lebensmittel das ganze Jahr über unkompliziert in den Supermärkten verfügbar wurden, wurde es uns aberzogen, im Jahresrhythmus zu leben und kulinarisch auf die Natur zu hören. Wir mussten Obst nicht mehr einkochen und Gemüse mit Hilfe von Essig oder Salzlake konservieren, Fleisch selchen oder räuchern, Brot trocknen oder Lebensmittel über den Winter gar in der Erde vergraben. Es gab alles ohnehin „frisch“. Seit geraumer Zeit ist jedoch ein Trend zurück zu mehr Regionalität und Saisonalität erkennbar. Wobei Trend wohl der falsche Begriff für etwas ist, das derart logisch und natürlich erscheint.

DIE NEUE ENTDECKUNG ALTER METHODEN

Um Nahrungsmittel natürlich haltbar zu machen, bietet sich die Methode des Fermentierens an. Wobei es dabei nicht ausschließlich darum geht, Obst, Gemüse oder Milch zu konservieren, sondern auch darum, Grundprodukte zu veredeln oder ihnen ein neues Aroma zu geben. So manches Lebensmittel kennen wir vielfach gar nicht mehr in seinem Ursprungszustand, sondern nur noch in fermentierter Form. Das Fermentieren an sich ist ein uralter Vorgang, der zum Beispiel bei der Produktion von Wein, Bier, Brot oder Käse angewandt wird. Sauerkraut ist der Klassiker unter den fermentierten Lebensmitteln. Fermentieren an sich ist kein schwieriges Unterfangen. Was man neben guten Grundzutaten vor allem braucht, ist Geduld.

Der Begriff Fermentation leitet sich aus dem Lateinischen „fermentum“ ab, das so viel wie Gärung bedeutet. Temperatur braucht es dafür keine, sondern eine so genannte Starterkultur – meist natürliche Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze oder Enzyme. Bei frischem Gemüse befinden sich diese Mikroorganismen bereits auf der Oberfläche und müssen nicht mehr extra hinzugegeben werden. In dem Fall reicht das Einlegen in eine Salzlake. Gemüse zu fermentieren ist folglich die wohl einfachste Art, weil man eigentlich nichts weiter braucht als Salz und – nun ja – Gemüse: Das Gemüse der Wahl klein schneiden, salzen, gut vermischen und Wasser ziehen lassen – das geht sehr gut über Nacht im Kühlschrank. Alternativ kann man eine bereits vorbereitete Salzlake über das Gemüse geben, der Geschmack wird jedoch intensiver, wenn man diese quasi selbst zieht. Nächster Schritt: Gewürze nach Wahl (hier heißt es: probieren und experimentieren, was einem schmeckt) in ein Glas, Gemüse dazu, fest andrücken, komplett mit Flüssigkeit bedecken,

verschließen … und warten. Zumindest einige Tage, bei Sauerkraut etwa vier Wochen. Die Arbeit in dieser Zeit übernehmen Bakterien, die sich im Glas vermehren und den Zucker sowie die Stärke (also die Kohlenhydrate) des Gemüses in Milchsäure umwandeln, die wiederum die Struktur des Gemüses verändert und für den säuerlichen Geschmack sorgt. Während der Fermentation bilden die Milchsäurebakterien außerdem das Vitamin B12, das sonst nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt – ein Hurra für Vegetarier und Veganer. Zudem sind fermentierte Lebensmittel leichter verdaulich, da sie im eigentlichen Sinne bereits vorgegart sind.

FLEISCHESLUST

Konservieren lassen sich aber nicht nur Obst und Gemüse, haltbar wird auch Fleisch und Fisch gemacht – durch Pökeln, Räuchern oder Trocknen. Das passiert nicht nur rein zum Zweck der Haltbarmachung, sondern auch dafür, den Produkten all die Aromen herauszukitzeln, die in ihnen stecken, und ihnen durch verschiedene Kräuter neue hinzuzufügen – also Gutes in noch Besseres zu verwandeln.

Die gemeinsame Zutat für alle Methoden ist Salz. Durch das Salz wird dem Fleisch oder Fisch – wie beim Gemüse – Feuchtigkeit entzogen. Dadurch wird die Konsistenz fester, die Farbe intensiver. Aromen werden verstärkt und die Haltbarkeitsdauer verlängert. Beim Salzen (Pökeln) unterscheidet man zwei Methoden: das Trockensalzen, bei dem das Fleisch an sich eingesalzen wird, und das Einlegen in Salzlake. Und ja, auch bei Zweiterem verliert das Fleisch selbst Flüssigkeit. Wer mag, kann Kräuter, Gewürze, verschiedene Sorten von Essig oder Süßstoffe dazugeben. Das Salzen ist in der Regel die erste Phase im Konservierungsprozess, ehe Fleisch oder Fisch

in der Folge getrocknet oder geräuchert wird.

Trocknen ist dabei nichts anderes als die Reduktion des Wassergehalts von Nahrungsmitteln – eine Technik, die schon vor Jahrtausenden angewandt wurde. Das kann an der Sonne oder frischen Luft, in einem Reifebeutel oder speziellen Trockenräumen passieren. Fleisch und Fisch zu Hause lufttrocknen zu lassen, birgt jedoch immer ein gewisses Risiko, auch wenn sie vorher eingesalzen wurden. Bei Obst und Gemüse funktioniert das ungleich besser. Wer sein Fleisch dennoch gern selbst trocknen möchte, verwendet am besten eigens dafür bestimmte Reifebeutel und gibt das Fleisch damit einfach in den Kühlschrank. In manchen Fällen funktioniert das Trocknen auch im Backrohr. Den richtigen Trocknungsgrad zu finden, ist gar nicht so einfach. Ist das Fleisch zu trocken, schmeckt es nicht mehr, ist es zu feucht, verdirbt es. Ein Balanceakt.

Wer es lieber etwas archaischer mag, der kann zu Konservierungszecken auch Rauch ins Spiel bringen. Die Methode des Räucherns ist auf der ganzen Welt bekannt, um den verschiedenen Zutaten zusätzlichen Geschmack und Charakter zu verleihen. Man unterscheidet dabei das Heiß- und Kalträuchern. Die Methoden wiederum unterscheiden sich ob ihrer unterschiedlichen Verwendung von Wärme (man kann erahnen, wo die Hitze zum Einsatz kommt). Das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Räucherergebnis. Beim Heißräuchern ist der Kochprozess gewissermaßen integriert und das fertige Räuchergut kann sofort gegessen werden. Im Endeffekt ist Heißräuchern in seiner ursprünglichsten Form einfach das Garen von Essen unter Einwirkung von Rauch. Beim Kalträuchern ist das Ziel eher, Nahrungsmittel haltbarer zu machen.

REZEPTTIPP KRÄUTERPALATSCHINKEN

MIT SCHAFKÄSE UND LÖWENZAHN

Zutaten für 2 Personen:

4 Eier • 80 ml Obers • Salz Schafkäse-Kräuter-Fülle: 3 Jungzwiebeln • 200 g Spinat • 200 g Kräuter (z. B. Gundelrebe, Bärlauch, Giersch, Taubnessel) • 2 EL Butter plus Butter für die Form • Salz, schwarzer Pfeffer • 50 ml Gemüsefond, ersatzweise Wasser • 200 g geräucherter Schafkäse • 100 g Löwenzahn • 6 EL Apfelbalsamessig • 4 EL Olivenöl • evtl. Radieschen, Wildkräuter und Löwenzahnblüten zum Garnieren

Zubereitung:

Eier und Obers mit Salz mit einem Schneebesen glattrühren. 1 kleinen Schöpfer Palatschinkenteig in eine beschichtete Pfanne (20 cm) eingießen. Durch schnelles Drehen der Pfanne Teig ganzflächig verteilen. Nach 1 Minute mit einer Palette umdrehen und auf der anderen Seite 1 Minute backen. Mit dem restlichen Teig ebenso verfahren.

Jungzwiebeln putzen und samt Grün fein schneiden. Spinat und Kräuter waschen, trockenschleudern und grob schneiden. Butter aufschäumen. Jungzwiebeln dazugeben, anschwitzen, die Kräuter dazugeben und mit einem Schuss Wasser ablöschen, 1–2 Minuten anschwitzen. Zwei Drittel vom zerbröselten Schafkäse dazugeben. Mit Salz und Pfeffer würzen, in eine Schüssel geben und auskühlen lassen. Auflaufform buttern.

Je 2–3 EL Fülle in die Mitte der Palatschinken geben. Links und rechts einschlagen und einrollen, bis die Fülle aufgebraucht ist. Mit dem Verschluss nach unten in die gebutterte Form setzen. Gemüsefond in die Form gießen und die Palatschinken mit restlichem zerbröseltem RäucherSchafkäse bestreuen. 20 Minuten bei 160 °C Umluft im vorgeheizten Ofen garen.

Löwenzahn mit Apfelbalsamessig und Olivenöl marinieren. Palatschinken auf Teller setzen. Mit mariniertem Löwenzahn und evtl. mit dünnen Radieschenscheiben, abgezupften Löwenzahnblütenblättern und Wildkräutern garnieren.

FOTO: JOERG LEHMANN/ BRANDSTÄTTER VERLAG

DIE JAHRESZEITEN KOCHSCHULE / FRÜHLING

Richard Rauch kocht eigentlich im „Steira Wirt“ in Trautmannsdorf und zeitweise auch im Fernsehen, Katharina Seiser schreibt leidenschaftlich gern übers Essen. Beide zusammen haben eine wunderbare Buchreihe kreiert, die mehr bietet als bloße Rezepte, gibt es doch rundherum jede Menge Infos zu Saisonen und Produkten und Tipps für den Einkauf und die Küche. Fotograf Joerg Lehmann setzt die Gerichte wie immer perfekt in Szene, das Layout mit zauberhaften Illustrationen steht dem um nichts nach.

Richard Rauch, Katharina Seiser, Brandstätter Verlag, 240 Seiten, EUR 34,90

REZEPTTIPP REIBEKUCHEN

MIT BRUNNENKRESSE-PESTO UND GERÖSTETEM FENCHEL

Zutaten für 2 Personen:

1 kleine Fenchelknolle (ca. 350 g) • 1 EL Rapsöl • Salz Reibekuchen: 350 g Kartoffeln, vorwiegend festkochend • 1 Ei (M) • 1 geh. TL Mehl (Typ 405) • Salz • 2 EL Sonnenblumenöl Brunnenkresse-Pesto: 25 g Sonnenblumenkerne • 70 ml Olivenöl (oder anderes Pflanzenöl) • 45 g Brunnenkresse (plus eine Handvoll zum Servieren)* • ½ Knoblauchzehe • 15 g Parmesan

Zubereitung:

Den Backofen auf 180 °C (Ober-/Unterhitze) vorheizen. Den Fenchel waschen, trocknen und in daumengroße Stücke teilen. Den Fenchel auf ein Backblech geben, Rapsöl darüberträufeln und mit Salz bestreuen. Im Ofen (Mitte) 20 Minuten goldgelb rösten.

Die Kartoffeln waschen, trocknen und mit der Schale auf der groben Seite der Küchenreibe raspeln. Die Kartoffelraspeln mit dem Ei und Mehl vermengen und mit Salz würzen. Das Öl in einer Pfanne erhitzen und aus dem Kartoffelteig zwei Reibekuchen backen.

Für das Pesto alle Zutaten in einen Blickhacker geben und fein pürieren. Die Reibekuchen mit dem Fenchel auf Tellern anrichten und das Pesto darübergeben. Mit der übrigen Brunnenkresse servieren.

*) ACHTUNG: Brunnenkresse in der Natur zu pflücken ist bei uns verboten. Am besten, man pflanzt sie selbst an oder kauft sie beim Händler des Vertrauens. Dann kommt sie zwar nicht mehr ganz von der „wilden Wiese“, aber man ist auf der sicheren Seite.

WILDE WIESE

Unkraut gibt’s nicht, denn jedes Kräuterl ist für etwas gut. Und man kann auch ganz herrlich damit kochen. Die Zutaten für die 50 Rezepte aus diesem Buch wachsen quasi vor der Haustür, Wild- und Heilpflanzenexpertin Anne Schmidt-Luchmann gibt dazu wertvolle Tipps. Wir haben schon einige Rezepte ausprobiert und sind begeistert. Einfach, unkompliziert und was man braucht, sammelt man einfach wie nebenher beim Wandern ein. We love – auch die wunderbaren Fotos, die die wilden Kräuter ganz sanft werden lassen. Am Cover befinden sich übrigens die sauren Knödel mit Sauerampfer und Gänseblümchen. Mhhmmmm.

Sandra Schumann/Julia Schmidt, Callwey Verlag, 144 Seiten, EUR 20,60

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