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PREISSICHERHEIT

PREISEXPLOSION AM BAU

Insbesondere die Baubranche ist seit Jahresbeginn mit Inflationsraten konfrontiert, wie sie in unseren Breiten seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr vorgekommen sind. Die massiven Preissteigerungen, die beinahe sämtliche Rohstoffe betreffen, bereiten nicht nur Häuslbauern Sorgenfalten, sondern stellen auch Bauunternehmer vor zum Teil massive Probleme. Aus anwaltlich-beratender Perspektive ist dabei im Wesentlichen eine Frage von Interesse: Sind vor der Pandemie getroffene Festpreiszusagen noch gültig?

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AUCH BEI VERTRÄGEN, AUF DIE (NUR) DAS ABGB ANWENDBAR IST, IST DER WERKUNTERNEHMER DEM WERKBESTELLER IM FALL VON AUSSERGEWÖHNLICHEN PREISSTEIGERUNGEN NICHT HILFLOS AUSGELIEFERT, SONDERN HAT UNTER UMSTÄNDEN DIE MÖGLICHKEIT, DIE VEREINBARTE LEISTUNG AUSZUSETZEN SOWIE ALLENFALLS EINE ANPASSUNG DES ENTGELTS ZU FORDERN.

Werden Festpreise vereinbart, so trifft das Risiko nach Abschluss des Vertrages eintretender Preissteigerungen den Werkunternehmer. Auch dann, wenn sich in einem Vertrag keine entsprechende Regel findet, ist beim vereinbarten Entgelt nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBG) von Festpreisen auszugehen, während die – im Bereich von Bauverträgen freilich häufig zur Anwendung berufenen – ÖNORMEN B 2110 und B 2118 (Punkt 6.3.1) eine differenziertere Zweifelsregel vorsehen: Für Leistungen, die innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der Angebotsfrist zu beenden sind oder beendet werden, gelten ohne anderslautende Regel Fixpreise, andernfalls veränderliche Preise. Wo die ÖNORMEN nicht zur Anwendung gelangen und keine abweichende Regel im Werkvertrag getroffen wird, trifft das Preisschwankungsrisiko sohin den Werkunternehmer. Das gilt jedenfalls so lange, wie sich die Teuerungsraten im Bereich des Gewöhnlichen und Vorhersehbaren befinden. Fraglich ist, ob Festpreise auch dann ihre Gültigkeit behalten, wenn außergewöhnliche Umstände, die in der Diskussion unter dem Begriff der „höheren Gewalt“ abgehandelt werden, zu nicht antizipierbaren Teuerungsraten führen.

HÖHERE GEWALT So viel vorweg: Angesichts der älteren Judikatur zu SARS (4 Ob 103/05h) sowie insbesondere der jüngeren, zwar auf den Begriff des „außergewöhnlichen Zufalls“ gemäß § 1104 ABGB abstellenden, aber verallgemeinerungsfähigen Rechtsprechung des OGH (3 Ob 78/21y) kann als gesichert angesehen werden, dass die COVID-19-Pandemie einen Fall „höherer Gewalt“ darstellt. Die Preissteigerungen, die auf die Pandemie zurückzuführen sind, sind daher von demjenigen Vertragspartner zu tragen, der für die Fälle höherer Gewalt das Risiko trägt. Hierbei ist im Bereich von Bauverträgen grundlegend zwischen Verträgen zu unterscheiden, auf welche die ÖNORMEN

B 2110 bzw. B 2118 zur Anwendung gelangen, und solchen, wo dies nicht der Fall und das ABGB einschlägig ist.

ALLGEMEINE REGELN § 1168 ABGB normiert ein System, nach dem jeder der beiden Vertragspartner grundsätzlich für jenes Risiko haftet, das „aus seiner Sphäre“ stammt. Es gibt allerdings Umstände, die weder der Sphäre des Werkunternehmers noch jener des Werkbestellers zugeordnet werden können. Für diese „neutrale Sphäre“ trägt nach dem ABGB der Werkunternehmer das Risiko. Dies bedeutet also, dass nach dem allgemeinen System Fixpreise bei Verträgen, auf die die ÖNORMEN B 2110 und B 2118 nicht anwendbar sind, auch dann ihre Gültigkeit behalten, wenn es pandemiebedingt zu exorbitanten Preiserhöhungen bei Löhnen und Material kommt.

Allerdings gibt es – wie so oft unter Juristen – gewichtige Stimmen, die mit durchaus berechtigten Argumenten Umstände „höherer Gewalt“ innerhalb der neutralen Sphäre nochmals einer Sonderbehandlung zuführen. So geht Kletečka auch im Hinblick auf die pandemiebedingten Fälle „höherer Gewalt“ von einem zeitweiligen Entfall der Geschäftsgrundlage und einem Ruhen der wechselseitigen Pflichten aus (ABGB-ON1.04 § 1168 Rz 12/1). In Extremfällen könnte es darüber hinaus auch zur Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB) oder wirtschaftlicher Unmöglichkeit der Leistung (§ 1447 ABGB) kommen. Letztere führt typischerweise, aber nicht zwingend, zur Vertragsauflösung. Wie die Entscheidung des OGH zu 1 Ob 143/10a beweist, besteht bei Eintritt der wirtschaftlichen Unmöglichkeit der Leistung auch die Möglichkeit der nachträglichen Vertragsanpassung.

Auch bei Verträgen, auf die (nur) das ABGB anwendbar ist, ist der Werkunternehmer dem Werkbesteller im Fall von außergewöhnlichen Preissteigerungen also nicht hilflos ausgeliefert, sondern hat (unter Umständen) die Möglichkeit, die vereinbarte Leistung auszusetzen sowie allenfalls eine Anpassung des Entgelts zu fordern. ÖNORM-VERTRAG Weitaus einfacher stellt sich die Situation für den Werkunternehmer dar, wenn die ÖNORMEN B 2110 bzw. B 2118 auf einen Vertrag zur Anwendung gelangen: Diese verlagern gemäß Punkt 7.2.1 das Risiko neutraler Umstände nämlich in die Sphäre des Werkbestellers und berechtigen den Werkunternehmer zur Preisanpassung (Punkt 7.4). Die auf die Pandemie zurückzuführenden Mehrkostenforderungen können sohin im Falle der Geltung der ÖNORM B 2110 bzw. B 2118 selbst bei vereinbarten Fixpreisen vom Werkbesteller eingefordert werden.

FAZIT Sollten Sie also – egal auf welcher Seite Sie stehen – mit höheren Preisen konfrontiert sein, so empfiehlt es sich, den geschlossenen Vertrag genau zu prüfen. Auch eine Warnung des Werkbestellers sollte nicht unterbleiben. Wer aus der Krise lernen will, dem sei zudem nahegelegt, in seine Allgemeinen Vertragsbestimmungen Regeln aufzunehmen, mit denen sich das Inflationsrisiko – im Rahmen des gesetzlich Zulässigen – auf den Vertragspartner überwälzen lässt.

MMAG. DR. JOHANNES AUGUSTIN, B.SC. MA

Rechtsanwalt bei AWZ Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH Fallmerayerstraße 8/DG 6020 Innsbruck www.ra-awz.at

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