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BAUKULTUR 4.0

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WAS GIBT ES NEUES?

… von Oliver Baiers Ding der Woche zum Wurf des Jahres: die Urheberrechtsnovelle 2021 und das Einheitspatent. Über Kabarett, Zitate, umstrittene 15 Sekunden bis hin zum Europäischen Einheitspatent. Was gibt es Neues für das geistige Eigentum?

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DIE URHEBERRECHTSNOVELLE 2021 VERFOLGT DAS ZIEL, DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DAS DIGITALE UND GRENZÜBERSCHREITENDE UMFELD ZU MODERNISIEREN. SIE SOLL DER ALLGEMEINHEIT EINEN BREITEREN ZUGANG ZU INHALTEN ERMÖGLICHEN UND DIE BISHERIGE LIZENZIERUNGSPRAXIS DES URHEBERVERTRAGSRECHTS ENTSPRECHEND ANPASSEN.

Nach wie vor umgibt das Urheberrecht ein wenig die Aura eines Orchideenfachs, obwohl es heutzutage kaum mehr ein Rechtsgebiet gibt, das uns tagtäglich öfter auf Schritt und Tritt begleitet – schon allein mit unserem Smartphone in der Tasche. Mit der Urheberrechtsnovelle 2021 werden – wie öfters in Österreich verspätet – die EU-Richtlinien über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt sowie über die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen (Nr. 2019/789 und 790 vom 17.04.2019) umgesetzt. Zudem bildet die Novelle Ziele des Regierungsprogramms 2020 bis 2024 ab.

Die Urheberrechtsnovelle 2021 verfolgt das Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen für das digitale und grenzüberschreitende Umfeld zu modernisieren. Sie soll der Allgemeinheit einen breiteren Zugang zu Inhalten ermöglichen und die bisherige Lizenzierungspraxis des Urhebervertragsrechts entsprechend anpassen.

WAS KOMMT?

Ausnahmen und Beschränkungen des urheberrechtlichen Monopolrechts werden an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld angepasst:

• Zugunsten von Forschungseinrichtungen wird eine freie Werknutzung des „Text- und Data-Minings“ eingeführt. • Die freie Werknutzung für Unterricht und Lehre wird für digitale Nutzungen ausgebaut. • Kulturerbe-Einrichtungen dürfen künftig

Werke, die sich dauerhaft in ihrer Sammlung befinden, zu Sicherungs- oder Archivierungszwecken vervielfältigen. • Das verwandte Schutzrecht des Lichtbildherstellers wird beschränkt, damit nichtkreative Abbildungen gemeinfreier

Werke der bildenden Kunst frei genutzt werden können. • Außerdem wird eine freie Werknutzung für Nutzungen zum Zweck von Kritiken,

Rezensionen, Karikaturen, Parodien oder

Pastiches (z. B. Remixes, Memes, Cosplays und ähnliche nutzergenerierte Inhalte) auf Online-Plattformen eingeführt.

Social Media sind nicht nur bloße Plattformen, sondern nun auch explizit selbst unmittelbare Verwerter. Ihre Verantwortung für den Upload geschützter Werke durch ihre Nutzer wurde ausdrücklich klargestellt:

• Große Online-Plattformen müssen nun beim Upload geschützter Werke (z. B. Videos, Fotos) durch ihre Nutzer grundsätzlich eine Lizenz der jeweiligen Urheber einholen. Gegenüber geschädigten Urhebern werden sie schadenersatzpflichtig, wenn sie nicht nachweisen, dass sie - alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um die Erlaubnis der

Urheber einzuholen, - branchengerechte Anstrengungen unternommen haben, um Urheberverletzungen zu unterbinden, und - den Zugang zu unerlaubt zur Verfügung gestellten Werken unverzüglich gesperrt haben, sobald ein hinreichend begründeter Hinweis eines Rechteinhabers vorlag. • Im Gegenzug werden bestimmte Nutzungen (z. B. Zitate, Kritik, Rezensionen, Karikaturen, Parodien, Pastiches) gesetzlich erlaubt, damit Grundrechte, insbesondere die Meinungsäußerungsfreiheit, gewahrt bleiben: - So sind Inhalte dann zugänglich zu machen, wenn die Nutzer beim Upload aus-

drücklich erklärt haben, dass die Nutzung erlaubt sei (sogenanntes „pre-flagging“). - Für Uploads kleiner Teile von Werken – zum Beispiel auf Videoplattformen wie

YouTube oder TikTok – gibt es Bagatellgrenzen. Video- und Musikausschnitte, die nicht länger als 15 Sekunden dauern, maximal 160 Textzeichen oder Fotos bzw

Grafiken mit höchstens 250 Kilobyte Datenvolumen können so frei online gestellt werden. - Wenn Online-Plattformen jedoch systematisch überbordende Schutzmaßnahmen setzen (z. B. mittels der heiß diskutierten

Uploadfilter), so dass erlaubte Nutzungen auf der Plattform unterbunden werden, hat die Aufsichtsbehörde (Kommunikationsbehörde Austria) ein Aufsichtsverfahren einzuleiten (Geldstrafen bis zu einer Million Euro). Damit sollen die

Grundfreiheiten vor „Overblocking“ geschützt werden.

Einführung eines Leistungsschutzrechts

für Presseverleger: Presseverlegern wird ein Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen gegenüber kommerziellen Anbietern von Onlinediensten eingeräumt, soweit es um die Rechte der Vervielfältigung und interaktiven öffentlichen Zurverfügungstellung geht. Journalisten erhalten einen angemessenen Anteil an den Einnahmen.

Für Kulturerbe-Einrichtungen wird die Nutzung vergriffener bzw. nicht verfüg-

barer Werke erleichtert: Diese sollen ihren Bestand digitalisieren und der Öffentlichkeit anbieten können, auch wenn ihnen Rechteinhaber keine Lizenz erteilt haben. Nun können ihnen Verwertungsgesellschaften so lange Werknutzungsbewilligungen einräumen, bis ein Rechteinhaber widerspricht. Wo Verwertungsgesellschaften nicht zur Verfügung stehen, soll eine freie Werknutzung greifen.

Im Urhebervertragsrecht werden der Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung, ein Vertragsanpassungsmechanismus bei unerwartetem Erfolg und diesbezügliche Auskunftsansprüche eingeführt:

Vergütungsregeln in Kollektivverträgen oder gemeinsame Vergütungsregeln von repräsentativen Vereinigungen von Urhebern und Nutzern gelten nun als allgemein angemessen. Kommen gemeinsame Vergütungsregeln nicht zustande, kann der Schlichtungsausschuss (vgl. § 82 VerwertungsgesellschaftenG 2016) angerufen werden. Für den Fall, dass sich eine ursprünglich vereinbarte Vergütung im Vergleich zu sämtlichen späteren einschlägigen Einnahmen aus der Verwertung des Werks als unverhältnismäßig niedrig erweist, hat ein Urheber Anspruch auf eine Vertragsanpassung.

Förderung der Verfügbarkeit audiovisueller Werke auf Video-on-Demand-Plattformen durch Vertragshilfe des Schlich-

tungsausschusses: Parteien, die mit Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Rechten betreffend die Zugänglichmachung audiovisueller Werke über Videoabrufdienste konfrontiert sind, können sich an den Schlichtungsausschuss wenden.

Legitimierung der Verlegerbeteiligung:

Verleger sollen an den Einnahmen aus den Vergütungen für die Privatkopie beteiligt sein. Das ist in Österreich zwar bereits langjährige Praxis, wird aber jetzt rechtlich abgesichert.

Erweiterung der Kabel- und SatellitenRL 93/83/EG:

• Ausdehnung des Ursprungslandprinzips auf bestimmte sendungsbegleitende Onlinedienste, wonach deren Verwertung nur in dem Staat stattfindet, in dem der betroffene Rundfunkunternehmer seine

Hauptniederlassung hat. Dadurch wird die internationale Lizenzierung erleichtert. • Ausweitung der für die Kabelweitersendung vorgesehenen Verwertungsgesellschaftenpflicht auf alle anderen Formen der zeitgleichen, unveränderten und vollständigen Weiterverbreitung von Sendungen.

Direkteinspeisung:

• Wenn ein Werk von einem Rundfunkunternehmer einem Signalverteiler übermittelt wird, ohne dass dabei parallel

an die Öffentlichkeit gesendet wird, und dieser

Signalverteiler das Werk der Öffentlichkeit unmittelbar wahrnehmbar macht, liegt eine einheitliche

Sendung vor. Jeder der Beteiligten muss für seine jeweiligen Beiträge die Erlaubnis der Urheber einholen. • Zudem werden mit der Novelle die bisherigen Ausnahmen vom Senderecht, wenn Rundfunksendungen über bestimmte Empfangsanlagen übertragen werden, aufgehoben, da diese gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des

Obersten Gerichtshofes (OGH) europarechtlich unzulässig sind.

Das neue Urhebervertragsrecht geht aber auch über die EU-Richtlinien hinaus und zielt auf die Stärkung der Verhandlungsposition der Urheber und ausübenden Künstler ab. Kernpunkte sind:

• die Festschreibung des Zweckübertragungsgrundsatzes, • Regelungen über Rechte an noch unbekannten Verwertungsarten und • das Recht des Urhebers bei langfristigen Lizenzvergaben zur anderweitigen Verwertung des lizenzierten Werks nach 15 Jahren.

Schon seit 20. Jänner 2013 sind die beiden EU-Verordnungen zum Einheitspatent in Kraft, nach derzeitigem Stand kann der Start dieses neuen Patentsystems aber nun im nächsten Jahr erwartet werden. Anfangs wird das Einheitspatent aber wahrscheinlich nicht in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten gelten, derzeit absehbar in bis zu 22 Ländern der EU. Das sind: Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien und Zypern. Vorerst nicht dabei: Kroatien, Polen, Tschechien, Ungarn und Spanien.

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