
4 minute read
URHEBERRECHT
SCHUTZ ODER ZENSUR?
Mit dem geplanten Upload-Filter im Internet sind wieder einmal zwei EURichtlinien zu urheberrechtlichen Fragen umzusetzen. Konkret geht es um die Umsetzung der Richtlinien 2019/790 (Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt) und 2019/789 (Online-Übertragung und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen).
Advertisement
Eigentlich hätten die Richtlinien bereits bis Juni 2021 umgesetzt werden sollen, im September 2021 erfolgte aber immerhin die Veröffentlichung des Ministerialentwurfes für ein entsprechendes Umsetzungsgesetz. Eines der Kernstücke ist die gesetzliche Verankerung der urheberrechtlichen Verantwortlichkeit großer Plattformen für den Upload geschützter Werke durch einzelne User.
WORUM GEHT ES? Große Internetplattformen wie YouTube nehmen durch den Upload ihrer User urheberrechtlich relevante Verwertungshandlungen vor und sollen daher eine eigenständige Lizenz der entsprechenden Urheber einholen müssen. Dies führt nach der Ansicht des Gesetzgebers zu einer faireren Aufteilung der aus der Verwertung kreativer Inhalte gewonnenen Wertschöpfung. Bereits während der Verhandlung der EU-Richtlinie wurden vor allem die Haftungsregeln für Onlineplattformen heftig diskutiert, aus Sorge vor Upload-Filtern und Zensur.
Die österreichische Gesetzesnovelle schränkt die Haftungsregeln auf „Anbieter großer Onlineplattformen“ ein, die auf dem Markt für Onlineinhalte eine wichtige Rolle spielen und deren Hauptzweck darin besteht, zur Erzielung von Gewinnen eine große Menge an von Nutzern hochgeladenen Werken zu speichern und der Öffentlichkeit Zugang dazu zu verschaffen. Eine solche Einschränkung auf große

Player findet sich in der Richtlinie selbst nicht, sie ergibt sich aber aus den Materialien dazu.
Diese Anbieter großer Onlineplattformen greifen nach dem Entwurf selbst in das Sende- oder Zurverfügungstellungsrecht des Urhebers ein, wenn sie Zugang zu von Nutzern hochgeladenen Werken verschaffen. Die Haftungsprivilegierung des E-Commerce-Gesetzes, wonach Hostprovider für den rechtswidrigen Inhalt eines Uploads eines Users grundsätzlich nicht haftbar gemacht werden können, soll nach den Grundsätzen der Richtlinie für diese Plattformanbieter nicht gelten. Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass ein Anbieter einer großen Onlineplattform die Erlaubnis der Urheber und Leistungsschutzberechtigten für Nutzungen (Uploads) von Usern der Onlineplattform einzuholen hat. Wenn der Anbieter vor diesem Hintergrund unbefugt ein Werk auf seiner Plattform zur Verfügung stellt, haftet er einem dadurch Geschädigten, sofern er nicht nachweist, dass er unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen und nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises eines Rechteinhabers unverzüglich gehandelt hat, um den Zugang zu Werken zu sperren sowie alle Anstrengungen gemäß dem Stand der Technik unternommen hat, um das künftige Hochladen dieser Werke zu verhindern.
Das bedeutet, Plattformanbieter müssen zur Vermeidung ihrer Haftung nachweisen, dass sie sich um eine Lizenz bemüht und nach branchenüblichen Standards alle Anstrengungen unternommen haben, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke nicht verfügbar sind (Stichwort „Upload-Filter“). Nach Erhalt begründeter Hinweise auf Rechtsverletzungen müssen sie Inhalte sperren. Die Novelle sieht aber auch mehrere Safeguards dafür vor, dass erlaubte Nutzungen (z. B. Zitate, Kritiken, Rezensionen, Karikaturen, Parodien) nicht verhindert werden und die Grundrechte, insbesondere die Meinungsäußerungsfreiheit, gewahrt bleiben. Uploads, die umfangmäßig bestimmte Kriterien nicht überschreiten, sollen grundsätzlich nicht automatisch gesperrt werden dürfen, da für diese eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass es sich hier um erlaubte Nutzungen handelt. Diensteanbieter sollen aber verpflichtet sein, solche Nutzungen zu identifizieren und den Rechteinhabern zu berichten. Diesen steht es in der Folge frei, ein Notice-and-Stay-Down zu verlangen. Ausnahmsweise und vorübergehend soll der Anbieter einer großen Onlineplattform automationsunterstützte Maßnahmen auch gegen die Verfügbarkeit kleiner Ausschnitte anwenden dürfen, wenn ohne solche Maßnahmen die Gefahr bestünde, dass durch die Nutzung kleiner Ausschnitte die wirtschaftliche Verwertung des Werkes erheblich beeinträchtigt wird, und auf andere Art und Weise Vorsorge dafür getroffen wird, dass erlaubte Nutzungen nicht verhindert werden.
Außerdem soll es den Nutzern möglich sein, schon beim Upload vorzubringen, dass sie ein Werk erlaubterweise nutzen wollen (pre-flagging). Auch in diesem Fall hat der Anbieter einer großen Onlineplattform die betroffenen Inhalte zugänglich zu machen und den Rechtinhaber über die Nutzung zu informieren, damit dieser vom Anbieter entsprechende Maßnahmen verlangen kann, und zwar auch dann, wenn die Größenkriterien des Uploads die Kriterien für kleine Ausschnitte überschreiten. Wenn Plattformen systematisch überbordende Schutzmaßnahmen setzen, die dazu führen, dass erlaubte Nutzungen auf der Plattform unterbunden werden, hat die zuständige Aufsichtsbehörde (Kommunikationsbehörde Austria, KommAustria) ein Aufsichtsverfahren einzuleiten. Die KommAustria soll jedoch keine Zuständigkeit haben, über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Nutzung oder Sperrung abzusprechen.
Polen hat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bereits Klage zur Aufhebung der Haftungsregeln der Richtlinie erhoben. Das Urteil des EuGH, das in den nächsten Monaten zu erwarten ist, könnte dieses Haftungsregime noch beeinflussen. Zum österreichischen Umsetzungsentwurf konnten bis Mitte Oktober 2021 Stellungnahmen abgegeben werden, wovon durchaus Gebrauch gemacht worden ist. Es bleibt nun die Behandlung des Gesetzesentwurfes im Parlament und die finale Ausgestaltung der Urheberrechtsnovelle abzuwarten. Wie diese dann in der Praxis gelebt wird, kann in jedem Fall mit Spannung erwartet werden.