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FILM)LAND IM GEBIRG‘
„FILM LÄSST SICH MITLEBEN UND MITFÜHLEN“
Bewegtbild bewegt und fasziniert die Menschen seit der Erfindung des Films. Das hat man sich in Tirol schon früh touristisch zunutze gemacht und ist mit dem Aufstieg des Mediums Film mitgeklettert.
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INTERVIEW: MARIAN KRÖLL
Tirol, das Land im Gebirg, ist zentral in den Alpen gelegen. Dafür, dass sich hier vor Urzeiten majestätische Gebirgszüge aufgefaltet haben, kann der Mensch nichts. Dafür, dass das Land zu einem durchaus fruchtbaren Boden für den Film geworden ist, sehr wohl. Hollywood und Bollywood waren in den vergangenen gut 120 Jahren, seit die Bilder laufen lernten, schon vielfach zu Gast in Tirollywood, dessen Berge sich ungleich markanter und imposanter ausnehmen als die sanften Hollywood Hills.
Tirol kann mittlerweile auf einen beachtlichen Bewegtfilm-Fundus zurückgreifen. Seit dem Jahr 1900 bis heute sind über 500 Spielfilme für Kino, Fernsehen und Stream in Tirol realisiert worden, dazu schier unzählige Dokumentar-, Kurz-, Werbe- und Imagefilme sowie Musikvideos. In Tirol werden indes nicht nur Filme gemacht, sondern auch welche gezeigt. Beim Internationalen Film Festival Innsbruck / IFFI zum Beispiel, das vor allem jene Filme zeigt, die in globalen Kinonetzwerken unterrepräsentiert sind. Sechs Tage lang feiert das IFFI den Film als globales Phänomen in all seinen Facetten – das nächste Mal vom 24. bis 29. Mai 2022. Heuer trug das IFFI #30 den Titel „Everything was forever, until it was no more“ als Referenz auf Alexei Yurchaks Studie über die letzte sowjetische Generation. Es war außerdem das zweite Festival
und das erste „echte“ unter Leiterin Anna Ladinig. Im Interview gewährt sie einen Einblick in ihr Schaffen, das Potenzial des Mediums Film und ihre Wahrnehmung von Tirol als Filmland. ECO.NOVA: Sie haben Anfang Oktober
ihr zweites Internationales Film Festival Innsbruck (IFFI) als Leiterin erlebt. Das Festival im Vorjahr hat pandemiebedingt online stattfinden müssen. Wie resümieren Sie die heurige Veranstal-
tungswoche? ANNA LADINIG: Das zweite Festival war deutlich überwältigender als das erste, das online stattfinden musste. Da wurden wir eiskalt erwischt, weil zwei Tage vor der geplanten Eröffnung der Lockdown ausgerufen wurde. Dieses Jahr mussten wir verschieben, weil wir ur„Ich mache mir sprünglich zurück zu unkeine Sorgen ums Programmkino.“ serem Standardtermin im Mai wollten. Es braucht Planungssicherheit und ANNA LADINIG Vorlaufzeit. Wir haben das IFFI im Oktober gut durchgezogen, mit internationalen Gästen, unter anderem sogar den zwei brasilianischen Regisseurinnen Maria Clara Escobar und Madiano Marcheti. Die Stimmung war super, die Rückmeldungen fürs Programm sehr positiv. Die Retrospektive, die für mich persönlich als Slawistin sehr wichtig war, traf auf sehr positive Resonanz. Die Vorstellungen waren auch tagsüber sehr gut besucht. Wir haben heuer unser Publikum gefordert und ihm einiges abverlangt. Das ist aber Gott sei Dank gut angekommen.
ANNA LADINIG
In der Retrospektive wurden Filme aus den ehemaligen Sowjetrepubliken gezeigt. Gibt es eine Klammer, verbindende Elemente – so wie man etwa dem skandi-
navischen Film welche nachsagt? Genau das wollte ich vermeiden. Ich wollte nicht von dem sowjetischen Kino reden, sondern zeigen, wie unterschiedlich es sein kann. Da gibt es Positionen, die einander diametral gegenüberstehen, aber immer noch sowjetisches Kino sind. Es ging nicht darum, ein durchgängiges Narrativ zu schaffen, sondern das, was auf den ersten Blick nicht zusammenpasst und widersprüchlich ist, so stehen zu lassen. Die Sowjetunion war ein Vielvölkerstaat, in jeder Republik gab es eigene Filmstudios ....
Welcher Film hat Sie persönlich am meis-
ten beeindruckt? Little Palestine, der Gewinner des IFFI-Dokumentarfilm-Preises, ist ein Film, dessen Bilder und Eindruck einen nicht so schnell verlassen. Es geht darin die Belagerung des palästinensischen Flüchtlingslagers Jarmuk in der syrischen Stadt Damaskus. Man fragt sich, wie es sein kann, dass man davon in den Medien nie etwas mitbekommen hat.
Hat das Medium Film für Sie einen inhärent aufklärerischen und emanzipa-
torischen Auftrag? Film soll aus meiner Sicht nicht pädagogisch-didaktisch sein. Ich glaube aber, dass Film großes politisches Potenzial hat, weil er kollektiv erlebt und diskutiert wird. Film hat eine affektiv-performative Dimension, lässt sich miterleben und mitfühlen. Per se ist Film nicht politisch, kann es aber sehr gut sein. Film kann auch aufklärerisch sein, aber schwierig finde ich es, wenn einem von der Stimme aus dem Off erklärt wird, was man zu glauben und zu denken hat. Es ist spannender, sich als Betrachter selbst ein Bild zu machen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos und
insbesondere des Programmkinos? Ich glaube, das Kino und vor allem Programmkino ist ein gutes Produkt. Kino ist etwas anderes, als einen Film zu Hause anzusehen, weil man ihn mit anderen ansieht und nicht abgelenkt ist. Gewisse Filme funktionieren nur im Kino. Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen ums Programmkino. Der soziale Aspekt, das gemeinsame Schauen und hinterher Diskutieren ist ganz wichtig. Studien zeigen, dass Menschen, die für Streamingdienste bezahlen, auch ins Kino gehen. Die Produkte nehmen einander nichts weg, sondern funktionieren parallel.

ZUR PERSON
Anna Ladinig ist seit 2019 Leiterin des Internationalen Filmfestivals Innsbruck (IFFI). Sie arbeitet derzeit auch an ihrer Dissertation zum zentralasiatischen Kino.
Sie müssen bzw. dürfen sich viele Filme ansehen. Gibt es solche, die Sie ratlos zurücklassen? Und würden Sie diese auch einem Festivalpublikum zumuten wol-
len? Solche Filme gibt es. Übt der Film eine Faszination auf mich aus und regt mich zum Nachdenken an, weil er uneindeutig ist und keine klaren Interpretationsmuster vorgibt, ist das spannend. Und kann auch für ein großes Publikum funktionieren.
Wie ist Ihre Wahrnehmung des Film-
landes Tirol? Ich habe keinen Überblick darüber, was an Produktionen tatsächlich stattfindet. Ich fände es aber jedenfalls interessant, am IFFI als größtes Festival in Westösterreich eine Plattform für Local Artists einzurichten. Da sind wir aber erst im Entwickeln. Ich kann mir gut vorstellen, das für die gesamte Euregio zu öffnen und in erster Linie mit Kurzfilmen zu arbeiten. Das dürfte in anderen Bundesländern, in denen es Filmhochschulen gibt, etwas einfacher sein. Der Innsbrucker Filmemacher Lukas Ladner hat mit seinem Film „Eva-Maria“ einen ganz tollen Erfolg auf der Diagonale in Graz gehabt. Es gibt also durchaus Filme, die für Festivals wie das IFFI interessant sind. Wenn ich mich recht erinnere, gab es einmal einen IFFI-Schwerpunkt, bei dem Bollywood-Produktionen gezeigt wurden, die teilweise in Tirol gedreht wurden.
Gibt es einen Film mit Tirol-Kontext, der Ihnen nachhaltig in Erinnerung geblieben
ist? Ja, die Dokumentarfilme von Melanie Hollaus. Darin geht es um charakteristische Innsbrucker Stadtteile, darunter die Bocksiedlung, „Stalingrad“ und den Schlachthofblock. Das finde ich super.
EIN REICH OHNE BÜCHER IST EIN VERLORENES REICH
Der Satz stammt aus Markus Heitz‘ „Der Triumph der Zwerge“ und wir geben ihm vollumfänglich Recht. Ein paar Tipps für das eigene kleine Reich.

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JUSSI ADLER OLSEN, DTV, 528 SEITEN, EUR 25,70
Er mordet seit 30 Jahren und niemand konnte ihn stoppen. Bis jetzt. Der neue Fall für das Sonderdezernat Q von Ermittler Carl Morck, für den es bereits der neunte Fall ist. Wir sind von Anfang an Fans der Serie und immer wieder aufs Neue fasziniert und begeistert. Die Nordländer können Thriller einfach.
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Der renommierte, bei Naturfotografen weltweit begehrte Wettbewerb „Wildlife Photographer of the Year“ prämiert herausragende künstlerische Aufnahmen der Natur. Die 100 besten Bilder der Sieger und der lobend Erwähnten des Wettbewerbs 2021 zeigt dieser Band in hervorragender Qualität mit einem Begleittext zu den Entstehungsumständen. Als „Naturfotograf des Jahres“ wurde heuer der Franzose Laurent Ballesta gekürt. Erfolgsautorin Jutta Mehler ist mit „Milchsterne“ erneut ein krimineller Volltreffer um ihre kultige Protagonistin Fanni Rot gelungen. Die rüstige Hobby-Ermittlerin mit der ausgeprägten Vorliebe für leidenschaftliche Selbstgespräche sorgt in ihrem aktuellen Fall bereits zum 13. Mal für Recht und Ordnung.
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Eine Mordserie hält Ischgl in Atem. Nachdem sich einige mysteriöse Todesfälle ereignet haben, beginnen die lokalen Ermittler das wahre Ausmaß der Taten zu erahnen. Da die Beamten vor Ort nur schleppend vorankommen, wird der Wiener Kommissar Harald Selikovsky, der in Tirol aufgewachsen ist, nach Ischgl beordert, um die immer hinterhältiger verübten Morde aufzuklären. FASHION YEARBOOK 2021

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Krimis aus Österreich scheinen im Moment geradezu zu boomen. Egal wo, das Böse findet immer und überall statt. Auch in Salzburg. Ein Toter mit entstelltem Gesicht: In Grödig am sagenumwobenen Untersberg ist das Verbrechen angekommen. Noch bevor Arzthelferin Rosmarie Dorn den ersten Mord beweisen kann, taucht die zweite Leiche auf.
ZUM SCHAUEN
Der Film „The Booksellers“ gewährt einen lebendigen Blick hinter die Kulissen der New Yorker Welt der seltenen Bücher und jener faszinierenden Menschen, die sie bewohnen. Der Dokumentarfilm ist eine liebevolle Hommage an die Buchkultur und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Zukunft des Buches. „The Booksellers“ unternimmt eine Reise in eine kleine, faszinierende Welt voller träumender, exzentrischer, intellektueller und besessener Bibliophilen, die niemals aufgeben bei © STADTKINO FILMVERLEIH der unerbittlichen Suche nach dem nächsten großen Fund. Dabei zeigen sich Buchhändler als Gelehrte, Detektiveund Geschäftsleute in einem, und ihre Persönlichkeiten und ihr Wissen sind so divers wie die Bücher, mit denen sie arbeiten. Sie spielen eine unterschätzte, aber essenzielle Rolle bei der Aufgabe des Bewahrens von kulturellem Wissen und menschlicher Geschichte. Derzeit zu sehen im Innsbrucker Leokino.
Modefotografie zeigt uns den Trend von heute. Die Halbwertszeit? Bis zum nächsten Magazin. Bis zur nächsten Kollektion. Bis zur nächsten Saison. Und doch spiegelt die Modefotografie, wie kaum ein anderes Medium, die Zeit, in der wir leben.

DER JUNGE, DER AUF EINEM ESEL RITT
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Der plötzliche Tod des Vaters reißt Tom aus seinem Alltag, und er bricht auf in den Süden. Das Schicksal führt ihn nach Nepanthé, einem Ort frei von Sorgen. Dort hat er den ersten einer Reihe von geheimnisvollen Träumen, die ihm letztlich den Weg zu sich selbst weisen.

POWER
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„Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.“
JEAN PAUL
DER GESANG DER FLUSSKREBSE
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Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Ein zauberschönes Buch über das Erwachsenwerden unter schwierigen Umständen.
Der Traum von der Selbstverwirklichung im Arbeitsleben: Diese 20 inspirierenden Frauen leben ihn und zeigen, welche Rolle ihre stilvolle Atmosphäre dabei spielt. Ob im Homeoffice, in der Agentur, in der Praxis oder im Atelier – mit viel Leidenschaft haben sie sich eine Arbeitsumgebung geschaffen, die ihrer Kreativität Raum gibt, die Konzentration fördert und zum Wohlfühlen einlädt. DER GROSSE SCHLAF
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General Sternwood ist steinalt, steinreich und hat zwei schöne, wilde Töchter. Die aufreizende Carmen wird erpresst, und Privatdetektiv Philip Marlowe soll die Sache aus der Welt schaffen. 80 Jahre nach Erscheinen originalgetreu übersetzt in einer modernen Sprache, mit Dialogen wie Schusswechsel. Neu übersetzt von Frank Heibert.
DREHSCHLUSS
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Es gibt Promis, die sie lieben und noch mehr, die sie hassen: Clara Bodenstein. Die Chefredakteurin des Boulevardmagazins UP hat schon so manchen Stern am Societyhimmel aufgehen lassen, aber auch für gnadenlose Untergänge gesorgt. Gerade wegen ihrer Skrupellosigkeit wird Clara von der Filmdiva Jackie Benz beauftragt, deren Skandalbiografie zu schreiben, was einige Zeitgenossen gern verhindern möchten. DAS BURGENLAND
REISEN DURCH ZEIT UND LAND BRANDSTÄTTER VERLAG, 256 SEITEN, EUR 48,00
Rund 300 Sonnenstunden im Jahr, ein weiter Horizont und unterschiedlichste Landschaften: Das Burgenland ist ein echtes Lebensgefühl. 2021 feiert das jüngste Bundesland Österreichs sein 100-jähriges Bestehen. Rechtzeitig zum Jubiläum erscheint der Fotoband „Das Burgenland. Reisen durch Zeit und Land“, herausgegeben von Tanja Stacherl und Christoph Langecker. Anhand von Essays, Porträts und zahlreichen historischen und zeitgenössischen Fotografien wird die Schönheit und Vielfalt der außergewöhnlichen Kultur- und Genusslandschaft gefeiert.
