20 minute read

ZUM ZUSTAND DER POLITIK

Next Article
KIA SPORTAGE

KIA SPORTAGE

„POLITIK KANN NICHT IMMER EHRLICH SEIN“

Wir haben mit Politikwissenschaftler Ferdinand Karlhofer den schwierigen Spagat gewagt zwischen den großen und kleinen Themen, großen globalen Herausforderungen, die bis ins kleinste Glied hinunter nachwirken.

Advertisement

INTERVIEW: MARIAN KRÖLL

Ferdinand Karlhofer war von 2004 bis 2017 Leiter des Institutes für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Die Expertise des mittlerweile emeritierten Professors ist nach wie vor weithin gefragt und geschätzt. Wir haben im Gespräch unter anderem einen kritischen Blick auf die Demokratie und ihren Zustand geworfen, auf den Vertrauensverlust in die Politik und das, was dagegen getan werden könnte.

ECO.NOVA: Wie ist es um den Zusammenhang zwischen Partizipation und der Legitimation politischer Systeme bestellt? Ist eine höhere Wahlbeteiligung gleichbedeutend mit größerer Legitimation oder ist das Verhältnis doch komplizierter?

FERDINAND KARLHOFER: Wählen ist die am wenigsten aufwendige, zugleich aber die wichtigste Art und Weise, sich am politischen Geschehen zu beteiligen. Man kreuzt eine Partei an und vergibt allenfalls noch Vorzugsstimmen. Das war es dann auch schon, und mit Wahlkarte ist alles noch einfacher. In Österreich war die Teilnahmequote bis Ende des vorigen Jahrhunderts durchgängig hoch. Geschuldet war das zum einen der Wahlpflicht, vor allem aber der Bindung einer übergroßen Mehrheit der Wählerschaft an eine der beiden großen Milieuparteien SPÖ und ÖVP. Zwischen diesen beiden „Lagern“, wie man das damals nannte, war einzig noch Platz für die in den Nachkriegsjahrzehnten durchgängig kaum mehr als fünf Prozent erzielende FPÖ. Erst ab Mitte der 1980er-Jahre begann die Hegemonie des Duopols SP/VP zu erodieren. Bis zur Abschaffung der Wahlpflicht 1992 lag die Beteiligung durchgängig bei über 90 Prozent. Seither geht sie kontinuierlich zurück, wenn auch nicht dramatisch. Was sich allerdings geändert hat, ist der Umstand, dass die Zahl der Wechselwähler massiv gestiegen ist. Parallel dazu ist das Parteienspektrum deutlich breiter geworden, naturgemäß auf Kosten von VP und SP, die man heute, jedenfalls auf Bundesebene, nicht wirklich mehr Großparteien nennen kann. Mit Blick auf die nächste Nationalratswahl ist bereits von einer – wahlarithmetisch womöglich gar keine andere Variante zulassenden – Dreierkoalition die Rede. Für Österreich käme eine solche Regierung einem Kulturschock gleich, in vielen anderen Ländern ist das längst Realität. Wenn der Wert der Wahlbeteiligung inzwischen auf „nur“ mehr rund 75 gesunken ist, zeigt der Blick über den Tellerrand, dass Österreich im internationalen Vergleich immer noch weit oben angesiedelt ist. Eine Quote in dieser Höhe hat zum Beispiel auch Deutschland. Im OECD-Durchschnitt liegt der Wert bei 68 Prozent. In Frankreich, um ein Extrembeispiel zu nennen, blieb bei der Parlamentswahl heuer sogar mehr als die Hälfte der Wählerschaft den Urnen fern. Hier stellt sich bereits die Frage, was das Land noch zusammenhält.

Was hat sich – in Österreich wie auch

international – verändert? Fakt ist, es hat sich offensichtlich die Wahlkultur verändert. Wenn heute ein Viertel der Stimmberechtigten wahlabstinent ist, können darunter beispielsweise viele mit Migrationshintergrund sein, die sich mit ihren Interessen und Bedürfnissen im bestehenden Themenspektrum nicht wiederfinden. Auch haben jüngste Entwicklungen, etwa im Zusammenhang mit der Pandemie und den gerade in Europa massiv zu spürenden Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, zu Verwerfungen in der Parteienlandschaft geführt. Es kandidieren inzwischen Gruppierungen, die mit Demokratie wenig bis nichts am Hut haben und oft einzig auf ihre Zerstörung oder zumindest ihren Rückbau abzielen. Sollte bei der Parlamentswahl in Italien am 25. September das von Rechtskonservativen und Postfaschisten gebildete Bündnis den Sieg einfahren, werden nicht nur in Südtirol die Alarmglocken schrillen. Immerhin steht in diesem Fall die Chefin von Fratelli d’Italia als erklärte Autonomiegegnerin, EU-Skeptikerin und Anhängerin von Viktor Orbans Konzept des schon weit fortgeschrittenen Umbaus

„Was gute Politik jedenfalls braucht, ist eine klare Linie, einen Leitfaden, mit dem Ängsten vorgebeugt und Irritationen abgeschwächt werden können, Maßnahmen also, mit denen man Vertrauen schafft.“

„Jede Regierung hat für Krisenfälle eine Art Befriedungskasse, mit anderen Worten Geld und andere Möglichkeiten, tief in die Tasche zu greifen – vorzugsweise im Vorfeld von Wahlen. In diesem Jahr geht es allerdings nicht darum, das Füllhorn für Wahlgeschenke zu nutzen, sondern um die Bewahrung des sozialen Friedens.“

FERDINAND KARLHOFER

Ungarns zu einer „Illiberalen Demokratie“ an der Spitze der Regierung. Legitimiert in verfassungsrechtlicher Hinsicht wäre eine solche Regierung, umso mehr, als so wie vor vier Jahren wohl auch diesmal mehr als 70 Prozent Wahlquote zu erwarten sind. Grund zur Sorge gäbe es aber allemal. Die Schlussfolgerung aus all dem, was sich seit längerem schon abzeichnet, kann nur lauten: Die Beteiligung an Wahlen kann eindeutig nicht mehr der alleinige Indikator dafür sein, ob die Leute zufrieden oder unzufrieden sind mit den politischen Verhältnissen.

Österreich verliert in diversen Demokratie-Rankings (z. B. Democracy Index) kontinuierlich an Boden. Sind Sie besorgt über den Zustand unserer Demo-

kratie? Das ist eine schwierige Frage, weil „Normalbürger“ mit geringem bis durchschnittlichem Politikinteresse die Frage, ob es demokratieschädigende Tendenzen gibt, mehrheitlich wohl eher mit Nein beantworten würden. Wir haben allerdings seit dem Jahr 2000 mehrere Regierungen gehabt, in denen zumindest einer der Koalitionspartner die Hände sehr offen in Richtung Osten ausstreckte, mit deutlichen Sympathien für den autoritären Stil Orbans und im Fall FPÖ mit bis heute – trotz des Überfalls auf die Ukraine – andauernd engen Verbindungen zu Russland. Hier gibt es dann allen Grund, sich zu fragen, ob diese Partei noch auf dem Fundament westlicher demokratischer Grundhaltungen steht. Das Drehbuch dafür ist inzwischen bekannt. Es beginnt zunächst damit, die Justiz frontal anzugreifen und deren Legitimation in Frage zu stellen. Im Weiteren wird gegen unabhängige Medien Stimmung gemacht, es werden ihnen Fake News vorgeworfen und eigene, unkritische Medien etabliert. Ferner wird über Blogs und Social Media systematisch eine

Warum ist Österreich so weit zurückge-

fallen? Es waren gerade die diversen Justizskandale, die den Ausschlag gegeben haben. Die Razzia bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft/WKStA und im Zuge der Hausdurchsuchung die Beschlagnahme von Kisten von Unterlagen, wie unter einem Innenminister Herbert Kickl geschehen, war einzigartig in der Geschichte der Republik. Wenn zuständige Strafverfolger von nicht zuständigen Einheiten des Ministeriums selbst zu Verfolgten gemacht werden, ist das nichts anderes als ein Alarmsignal dafür, dass die für einen Rechtsstaat geltenden Regeln in aller Offenheit ignoriert und übergangen werden. Mit Blick auf solche Vorgänge verwundert es nicht, wenn Österreich mittlerweile als Grenzfall betrachtet wird.

Es wurde Besserung gelobt. Ist sie denn in

Sicht? Sebastian Kurz reüssierte seinerzeit mit dem Wahlslogan „Nicht anpatzen“, eine Ansage, mit der er es in der Folge dann selbst nicht allzu genau nahm. Seit dem Scheitern von Türkis-Blau liegt das Justizressort nun in den Händen einer Ministerin, die inzwischen viele der Missstände beseitigt hat und weiter daran arbeitet. Zumindest in diesem Bereich ist „Besserung“ also bereits zu registrieren. Mit Blick auf die Lage der Republik insgesamt sind die Aussichten ambivalent. Es steht ein ganzes Bündel an Wahlen bevor, eine Bundespräsidentschaftswahl, eine Nationalratswahl sowie vier Landtagswahlen. Und es gibt ein ganzes Bündel an Problemlagen – steigende Preise, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Klimawandel, alles Schocks, die globale Ursachen haben und nicht hausgemacht sind, aber trotzdem eine sehr negative Grundstimmung im Land befördern. Spätestens jetzt müssten wir erkennen, dass diese mannigfaltigen Probleme nicht mehr regionaler oder nationaler Natur sind und auch nicht mehr dort gelöst werden können. In einer repräsentativen Demokratie kommt es darauf an, wie man das der Bevölkerung kommuniziert. Das ist nicht gerade optimal gelungen in der letzten Zeit.

latente Systemfeindlichkeit geschürt, um sich eine Klientel zu schaffen, die einen ganz eigenen Umgang mit Fakten und Wahrheit pflegt. Ich erinnere an den von einer Beraterin Donald Trumps geprägten Begriff „Alternative Facts“. Eine geradezu geniale Wortschöpfung, die den Boden dafür bereitet hat, was sich am 6. Jänner 2021 in Washington entladen hat.

Im Hinblick auf den Sturm wütender Trump-Anhänger auf das Kapitol werden in den USA noch immer die politischen Scherben zusammengekehrt.

Nobelpreisträger Paul Krugman hat es in der New York Times dieser Tage so auf den Punkt gebracht: In Anbetracht der Zuspitzung regionaler und globaler Krisen liegt es im Moment mehr als alles andere am Durchsetzungsvermögen der Demokratischen Partei der USA, die westliche Zivilisation stabil zu halten. Eine weitere Trump-Periode – wobei die Person gar nicht Trump heißen müsste –, in der ein radikalisierter, liberalen bzw. libertären westlichen Werten ablehnend-feindselig gegenüberstehender und dabei bewusst auf Gewalt setzender Mob die Oberhand gewinnt, kann für die gesamte Menschheit zur Bedrohung werden.

Wie der sogenannte „Anführer der freien Welt“ tickt, ist zweifellos für die gesamte Weltordnung von Bedeutung. Wie ist es aber tatsächlich um die Demokratiequa-

lität hierzulande bestellt? Im vom Economist errechneten Democracy Index liegt Österreich gerade einmal auf Platz 20, das ist der letzte Platz unter den sogenannten vollständigen Demokratien. Wir sind somit das Schlusslicht in der Gruppe der Besten. Dahinter folgen schon jene Staaten, die man als unvollständig oder instabil bezeichnen muss.

Nehmen Sie einen Vertrauensverlust in unsere politischen Institutionen und de-

ren Problemlösungskapazität wahr? Nehmen wir als Negativbeispiel dafür, wie Politikgestaltung nicht sein sollte, den Umgang mit der Pandemie: Die selektive Heranziehung von Experten in der Bewältigung der Krise war alles andere als vertrauensbildend, schon gar nicht das vom damaligen Bundeskanzler Kurz vorschnell ausgerufene Ende

der Pandemie. Damit schafft man Misstrauen und Skepsis und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Politik. Der völlige Mangel an Entschlossenheit der Regierungsparteien, aber auch der Opposition, hat in desaströser Weise zum negativen Stimmungsbild in der Bevölkerung beigetragen. Auch in Tirol war die Politik freundlich formuliert kaum mehr als suboptimal. Das vom damaligen Gesundheitslandesrat perseverierend geäußerte Statement „Es wurde alles richtig gemacht“ war verstörend, um nicht zu sagen dumm, zumal gerade das Land Tirol in immer kürzeren Abständen Maßnahmen ankündigte, die dann nicht getroffen wurden oder einander widersprachen.

Wie kann verlorenes Vertrauen zurückge-

wonnen werden? Politik, ob nun „gut“ oder „schlecht“, kann – so machiavellistisch das klingen mag – in ihrer Öffentlichkeitsarbeit nicht immer frank und frei ehrlich sein, vor allem wenn die Entscheidungsträger selbst noch verschiedene Lösungsansätze auf ihre Brauchbarkeit hin überprüfen müssen. Was gute Politik aber jedenfalls braucht, ist eine klare Linie, einen Leitfaden, mit dem Ängsten vorgebeugt und Irritationen abgeschwächt werden können, Maßnahmen also, mit denen man Vertrauen schafft. Den Menschen heute dieses zu erzählen und vielleicht morgen das Gegenteil davon, trägt nicht nur zu Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust bei, sondern wesentlich auch zur Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung. Was das Vertrauen in die Politik betrifft, findet sich Österreich heute gemeinsam mit Rumänien am unteren Ende des EU-Rankings.

Klare Kante und kohärentes Regierungshandeln braucht es folglich, um Vertrau-

en zurückzugewinnen? Eine erfolgversprechende politische Linie muss klar formuliert sein und in einer klaren, verständlichen Sprache kommuniziert werden mit – das ist wohl am wichtigsten – nachvollziehbaren Ansagen. Tut man das, kann man auch einmal danebenliegen, und die Bevölkerung wird das eher verzeihen als eine unaufhörliche Kakophonie an widersprüchlichen Diagnosen und Rezepten, die den Blick auf das Wesentliche verstellt.

Das ist eine durchaus kritische Bestandsaufnahme. Was erwarten Sie für diesen

Herbst? Zu erwarten ist, dass mit Ende der Sommerferien – in diese Zeit fällt auch die vorgezogene Tiroler Landtagswahl – eine durch die vorhin erwähnten Probleme weitere Radikalisierung in der Gesellschaft. Wir haben gewaltige Teuerungsraten, und es stellt sich die Frage, wie man die hohe Inflation auszugleichen imstande ist. Österreich hinkt hier, wie Ökonomen in ihren Prognosen es andeuten, gegenüber anderen EU-Staaten mehr oder minder nach. Im September finden die ersten Herbstlohnrunden statt, die Pensionisten werden sich zu Wort melden. Zu erwarten ist eine spannungsgeladene Gemengelage an latenten Konfliktpunkten. Jede Regierung hat für Krisenfälle eine Art Befriedungskasse, mit anderen Worten Geld und andere Möglichkeiten, tief in die Tasche zu greifen – vorzugsweise im Vorfeld von Wahlen. In diesem Jahr geht es allerdings nicht darum, das Füllhorn für Wahlgeschenke zu nutzen, sondern um die Bewahrung des sozialen Friedens. Eine zentrale Frage wird sein, wer in der Gesellschaft wie viel bekommt. Wie viel erhalten die Ärmsten der Gesellschaft, zugleich aber auch wie viel der zunehmend unter Druck geratende Mittelstand, der mittlerweile eine kritische Masse bildet, die nur schwer zu befrieden sein wird. Mit einigen Hundert Euro wird man den steigenden Unmut nicht eindämmen können.

Für regierende Parteien, die eine Wahl zu schlagen haben, eine sehr schwierige Ausgangslage. Österreich leistet sich eines der teuersten Parteiensysteme weltweit, was die öffentliche Parteienförderung betrifft. Darf sich der Bürger – polemisch formuliert – für diesen Mitteleinsatz nicht eigentlich ein besseres Resultat erwarten, vor allem was die Korruptionsanfälligkeit

des Systems betrifft? In Sachen öffentliche Parteienförderung rangiert Österreich international weit oben, wenn nicht überhaupt an der Spitze. Dass die realen Zahlen nicht exakt beziffert werden können, hat seinen Grund vor allem in der Intransparenz des gesamten Systems der Finanzierung. Wir haben zwar ein Parteiengesetz, 1975 unter Bruno Kreisky verbschiedet mit dem Ziel, die Parteien durch die Gewährung berechenbarer Einnahmen vor der Einflussnahme durch Lobbyisten und im Extremfall vor Korruption zu schützen, von Beginn an verfehlte das aber seinen hehren Zweck – zuzuschreiben in nicht geringem Maße dem in Österreich ausgeprägten Kammersystem. Die drei großen Kammern für Arbeitnehmer, Wirtschaft und Bauern sind entlang politischer Trennlinien organisiert. Nach wie vor dominieren in den Kammern die Fraktionen von VP und SP, was für diese nicht zuletzt bei Nationalratswahlen von Nutzen sein kann. Obwohl seit der großen Kammerkrise Mitte der 1990er-Jahre deutlich abgeschwächt, ist es immer noch Usance, dass zu Wahlzeiten Kammern ganzseitige Inserate mit Funktionären schalten, die sich – Zufall? – nicht selten auch auf der Liste einer wahlwerbenden Partei finden. Im Fall der ÖVP ist die personelle Duplizität schon strukturell fast nicht zu vermeiden. Die Partei besteht fast ausschließlich aus in den Kammern vertretenen Bünden, der Anteil der sogenannten Direktmitglieder ist marginal. Nachdem jeder dieser Bünde als eigenständiger Verein mit selbständiger Finanzgebarung firmiert, tritt jeder von ihnen in der Partei entsprechend selbstbewusst auf. Fast unvermeidlich gibt es da und dort Doppelstrukturen, indem etwa der Seniorenbund politisch eine Teilorganisation der ÖVP, daneben aber auch als „unpolitischer“ Verein, mit weitgehend identischer Verbandsspitze, gemeldet ist. In die Schlagzeilen geriet und auch den Rechnungshof auf den Plan rief Zweiterer zuletzt mit einem Antrag auf Zuerkennung auf CoV-Hilfe, die ohne nähere Prüfung gewährt wurde. Nun ist intransparente Parteienförderung keine österreichische Besonderheit. Zumindest aber, was die gesetzlich festgelegte staatliche Zuwendung angeht, lohnt ein Blick auf die Lage in anderen Ländern. In Großbritannien gibt es vom Staat 30 Cent für jeden Wähler, in Deutschland mit einem Euro schon deutlich mehr, in Österreich gibt es zwei Euro, was sich in Verbindung mit anderen Einnahmen zum international höchsten Wert summiert. Um abschließend den zweiten Teil der Frage zu beantworten: Es wäre schlichtweg naiv, würde man sich im Gegenzug für höhere Parteienförderung ein Mehr an „guter“ Politik erwarten. Ein Beispiel als Kontrast zu Österreich: Die Schweizer geben den Parteien gar nichts – und fahren nicht schlecht damit.

Die Gemengelage aus verschiedenen Krisen und Problemen ist schwierig, die gesellschaftlichen Zentrifugalkräf-

„Es kandidieren inzwischen Gruppierungen, die mit Demokratie wenig bis nichts am Hut haben und oft einzig auf ihre Zerstörung oder zumindest Rückbau abzielen.“

te nehmen zu. Was kann die Politik dazu beitragen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken? Die erwähnten Probleme sind nicht länger in nationalen Alleingängen zu bewältigen, das gilt selbst für die ganz großen Staaten wie USA oder China. Um diese Probleme anzugehen, bedarf es länderübergreifender Kooperation. Die Europäische Union hat in dieser Hinsicht aufgrund des Vetorechts der einzelnen Mitgliedsstaaten inzwischen ein veritables Problem. Vor allem Ungarn und Polen waren schon wiederholt nicht bereit, substanziell bedeutsame Beschlüsse mitzutragen, und blockierten die Umsetzung. Die NATO, als global relevantestes Militärbündnis, steht aktuell vor ähnlichen Herausforderungen. Nach der Invasion Russlands in der Ukraine wollen und sollen Schweden und Finnland als neue Mitglieder aufgenommen werden. Zugleich schließt das NATO-Mitglied Türkei Kooperationsverträge mit Russland ab. Angesichts der geostrategischen Bedeutung der Türkei ist der Handlungsspielraum der anderen NATO-Mitglieder beschränkt. Solange die Türkei nicht zustimmt, bleiben die Beitrittskandidaten draußen vor der Tür. Es wird vom Geschick vor allem der USA und Großbritanniens abhängen, die Krisensituation in einer Weise zu bewältigen, die zumindest das Fass nicht zum Überlaufen bringt.

Diese Fülle virulenter Probleme wird nicht in Tirol gelöst werden können. Dennoch findet auch hier Politik statt, die auf regionaler Ebene den vielfältigen

Herausforderungen der Zukunft zu begegnen hat. Man hat die Landtagswahlen vorgezogen. War das ein strategisch kluger Schachzug der Tiroler Volkspar-

tei? Noch bis vor wenigen Wochen hatte Günther Platter versichert, wieder antreten zu wollen. Dann, fast überstürzt, die Kehrtwende. Wohl mit Blick auf die Umfragewerte und auf sich schon in Stellung bringende Exponenten der VP-Bünde verkündete er seinen Rückzug aus der Politik – allerdings nicht ohne noch rasch einen Favoriten für die Nachfolge zu benennen. Schon allein der dringend nötigen Geschlossenheit nach außen geschuldet, wurde Anton Mattle fast einstimmig gewählt. Alles in allem ein kluger Schachzug der scheidenden Nummer eins in Tirol. Ob dieser Coup für die Partei gut ist, ist freilich eine andere Frage. Ursprünglich wären für 2023 in vier Bundesländern Landtagswahlen anberaumt gewesen. Der Noch-Landeshauptmann hat sich dafür entschieden, die Wahl vorzuziehen und für Ende September anzusetzen. Was war das Kalkül dahinter? Bei der vergangenen Landtagswahl im Jahr 2013 verbuchte er mit deutlich über 40 Prozent einen beeindruckenden Erfolg. Aktuelle Prognosen deuten darauf hin, dass es diesmal Einbußen von rund zehn Prozentpunkten geben könnte. Wer möchte sich seine Amtszeit schon sehenden Auges von einem desaströsen Wahlergebnis überschatten lassen? Das kann ein Motiv sein. Sehr gründlich überlegt war das Ganze wohl nicht. In Tirol wird nun zu einem Zeitpunkt gewählt, an dem – nach einem angenehmen und fleißig fürs Reisen genutzten Sommer – die Krisenwahrnehmung wieder rasch an Dramatik gewinnen wird. Die Vorverlegung der Wahl könnte sich da als übereilt erweisen, zumal die Bundesregierung noch lange nicht dazu gekommen ist, ihr Füllhorn über jene Bundesländer auszuschütten, in denen gewählt wird. Abzulesen ist das an der Verwirrung um die Ankündigung, dass die TIWAG bereits jetzt eine Dividende an das Land ausschütten würde. Das war alles andere als überlegt, um nicht zu sagen peinlich. Dass der Langzeit-Landeshauptmann sich nicht mit einer erwartbaren Niederlage zurückziehen will, ist nachvollziehbar. Weniger verständlich ist, dass er zugleich mit seiner Ansage nicht auch als Landeshauptmann abgetreten ist. Ausgerechnet seinem Wunschnachfolger nimmt er damit die Möglichkeit, vom Amtsbonus als Landeshauptmann zu profitieren und an Profil zu gewinnen. Als Folge davon ist kein Landeshauptmann Anton Mattle in Tirol auf Tour, sondern eine Art König ohne Land. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, selbst Aspirant auf das Amt des Landeshauptmannes, ließ verlauten, man nenne die Liste nun eben MATTLE, um den Kandidaten bekannt zu machen. Vermittelt wird damit im Umkehrschluss, dass ihn noch keiner kennt – nicht eben eine Geste der Unterstützung.

„Wählen ist die am wenigsten aufwendige, zugleich aber die wichtigste Art und Weise, sich am politischen Geschehen zu beteiligen.“

FERDINAND KARLHOFER

Sollte die Wahlniederlage heftig ausfallen, ist ein Sesselrücken in der Tiroler Volkspartei vorprogrammiert? Unabhängig vom Abschneiden der Volkspartei bei der Wahl – weit über 30 Prozent werden es nicht sein können – ist jedenfalls noch lange nicht sicher, dass Anton Mattle zwangsläufig die Nummer eins bleiben wird. In der Partei wird es einige geben, die sich bereits Gedanken darüber machen, ob und wie man Mattle nach der Wahl zur Seite schieben könnte.

Wen sehen Sie als Profiteur der derzeitigen Schwäche der Tiroler Volkspartei?

In Krisenzeiten, in denen Verteilungsfragen stets nach ganz oben auf die Agenda rücken, schlägt – so lehrt es die Geschichte – erfahrungsgemäß die Stunde der Sozialdemokratie. Die SPÖ hat Rückenwind, in Tirol braucht sie diesen ohnehin dringend. Die SPÖ wird profitieren, in welcher Größenordnung, ist nicht abzusehen. Sie dürfte allerdings zum praktischen Koalitionspartner einer geschwächten Volkspartei prädestiniert sein, diesmal auch mit Zustimmung der Wirtschaft, die zuletzt statt den Grünen die FPÖ als Koalitionspartner präferiert hätte. Die wohl größte Hürde für die SPÖ, sich den Rückenwind nutzbar zu machen, ist wohl Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl, der als populärer Interessenvertreter mit den besten Umfragewerten im Land gerade bei dieser Wahl Gehör finden wird. Zangerl wird im Wahlkampf wohl keine Nebenrolle spielen, zumal er die Klientel der Arbeiterkammer besser anspricht, als die SPÖ-Fraktion in der Arbeiterkammer das kann. Nicht von ungefähr wird Tirols SPChef nicht müde, Zangerl zu loben und zu versichern, dass er seine Positionen teile. Ihn aus den Reihen der ÖVP „herauszuloben“ wird ihm aber nicht gelingen.

ZUKUNFT

Neuer Behandlungsansatz

Die Ursachen der sporadischen Alzheimer-Krankheit geben imVergleich zur besser erforschten genetisch bedingten, vererbbaren Form der Krankheit noch mehr Rätsel auf.Das Team um Jerome Mertens im Neural Aging Laboratory am Institut für Molekularbiologie der Uni Innsbruck verwendet sogenannte induzierte Neuronen (iNs) – Nervenzellen, die aus Hautzellen von Patient*innen gezüchtet werden und das Alter sowie alle weiteren epigenetischen Daten der Patient*innen enthalten –, um ein besseres Verständnis der Krankheit zu erhalten. Basierend aufvorangegangenen Ergebnissen konnten Larissa Traxler und ihre Kolleg*innen aus dem Neural Aging Laboratory in Kooperation mit Wissenschaftler*innen des Salk Institutes und der Universität Denver nun bestätigen, dass Alzheimer-Nervenzellen den gleichen Wechsel in ihrem Metabolismus, also Stoffwechsel, durchmachen wie Krebszellen. „Unsere bisherigen Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Alzheimer-Neuronen Krebszellen sehr ähnlich sind – mit dem großen Unterschied, dass Krebszellen unkontrolliert wachsen und Alzheimer-Neuronen unkontrolliert absterben“, erklärt Traxler. „In der vorliegenden Arbeit haben wir uns deshalb speziell auf den Metabolismus der Alzheimer-Nervenzellen fokussiert und diesen mit dem sehr spezifischen und gut erforschten Metabolismus von Krebszellen verglichen.“ Diese Untersuchungen bestätigten die Ähnlichkeit: Der sogenannte Warburg-Effekt – ein Wechsel im Stoffwechsel von Krebszellen vom Erwachsenen- ins Embryonalstadium – tritt auch bei Alzheimer-Nervenzellen auf. Alzheimer-Neuronen machen einen sehr ähnlichen Wechsel zum embryonalen Metabolismus durch wie Krebszellen. Das eröffnet mögliche neue Behandlungsmethoden. In der Krebstherapie gibt es bereits Wirkstoffe, die speziell auf diesen Warburg-Effekt abzielen.Das könnte auch in der Alzheimer-Behandlung funktionieren. In einem nächsten Schritt wollen die Molekularbiolog*innen daran arbeiten, diese Wirkstoffe zu optimieren undsie zu modifizieren, dass sie optimal ins Gehirn gelangen und dort gegen Alzheimer wirken können.

Tyrolit-Headquarter in Schwaz

ZUKUNFTSSTRATEGIE: WACHSTUM

Mit dem Erwerb von drei Vierteln der türkischen EGELI EGESAN GRUPPE setzt die Tyrolit Gruppe ihre Wachstumsstrategie fort. Das türkische Produktionsunternehmen im Bereich von Trenn- und Schruppscheiben, Schleifwerkzeugen für diverse Anwendungen sowie Schleifbändern mit Sitz in Istanbul ist mit rund 200 Mitarbeiter*innen gut im europäischen und türkischen Markt sowie in dessen Nachbarländern verankert. Das Unternehmen wurde vor rund 50 Jahren vom Gründer und Namensgeber Ilhan Egeli gegründet und hat sich in den Jahren sehr positiv entwickelt. Im heftig umkämpften Markt für Schleifmittel ist die Übernahme gerade in Krisenzeiten eine Investition in die Zukunft.

„Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr arbeiten.“

KONFUZIUS

MUT ZUR KREATIVITÄT

Welche Bedeutung hat Kreativität in Tiroler Unternehmen und kommt sie strukturiert zum Einsatz? Diese (und weitere) Fragen beantwortet eine IMAD-Studie im Auftrag der Wirtschaftskammer Tirol. Branchenübergreifend wurden 300 Tiroler Unternehmen aller Größenordnungen befragt. Das Ergebnis: 93 Prozent der Unternehmer*innen geben an, dass es ohne Kreativität keine Zukunftsfähigkeit gibt – aber nur jedes zweite Unternehmen will mehr Zeit für Kreativprozesse aufwenden. „Kreativität ist nicht nur eine Angelegenheit von Kreativagenturen. Die Fähigkeit einer Organisation, das kreative Potenzial ihrer Mitarbeiter auszuschöpfen, entscheidet über deren Position im Wettbewerb“, so Wirtschaftskammer-Fachgruppenobmann Tom Jank. Unter anderem soll der Kreativsummit „Fö N“, der Anfang September das erste Mal in Innsbruck stattgefunden hat, ein entsprechendes Bewusstsein dafür schaffen.

www.kreativland.tirol

Dr. Schahin Dehbalaie, Facharzt für Unfallchirurgie und ärztlicher Leiter medalp Imst

NICHT DIE SCHULTERN HÄNGEN LASSEN

Schnelle und wirksame Behandlung von Sportverletzungen bei medalp.

Trotz guter Fitness und Schutzkleidung kann es bei Zusammenstößen oder Stürzen während Sportausübungen zu schmerzhaften Verletzungen kommen. „Bei Schulterverletzungen ist nicht immer gleich ersichtlich, was den Schmerz verursacht. Mit Hilfe modernster bildgebender Methoden gelingt es uns, rasch die richtige Diagnose zu stellen und zeitnah mit der optimalen Behandlung zu beginnen. Das ist wichtig, da sonst anhaltende Schmerzen und eine dauerhafte Bewegungseinschränkungen die Folge sein könnten“, erklärt Dr. Schahin Dehbalaie, Facharzt für Unfallchirurgie und ärztlicher Leiter medalp Imst. Die meisten schulterchirurgischen Eingriffe können dabei minimalinvasiv mittels Arthroskopie, also einer Gelenksspiegelung mit Kamera, durchgeführt werden – für eine schnelle und wirksame Rehabilitation. „Der Operateur kann sich so einen sehr guten Überblick über die Art der Verletzung verschaffen und dank modernster Implantate gleichzeitig die notwendigen Behandlungsschritte durchführen“, führt Dr. Dehbalaie aus.

Von der Erstversorgung und Diagnose über die medizinische Behandlung bis zur Rehabilitation ist die medalp somit der erste Ansprechpartner bei Verletzungen und Schmerzen im Bewegungsapparat. PR

MEDALP-FAKTENCHECK

• Hervorragende Expertise durch 3.300 OPs pro Jahr • Modernste Technologie und top ausgebildetes Personal • Schnelle und professionelle Betreuung noch am selben Tag • 5 Standorte in Tirol • Diagnostik: MRT, CT, Röntgen • Unfallchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin • Physiotherapie und spezielle Unterwasserbehandlungen • Erfolgreiches back2sport-Programm und Trainingsbetreuung

KONTAKT:

medalp – Zentrum für ambulante Chirurgie Betriebs GmbH

Medalp-Platz 1, A-6460 Imst, Tel.: +43 5418 51100 E-Mail: info@medalp.com, www.medalp.com

This article is from: