30 BUSINESS | INTERVIEW
„Es gibt eine DIN-Norm für strategisches Krisenmanagement“ Führungskräfte sollten sich bei Krisen und Skandalen nicht auf ihr Bauchgefühl verlassen. Wie eine Notfall-Checkliste für Piloten beim Umgang mit Drucksituationen helfen kann, erklärt Krisenforscher
Die Credit Suisse hatte in den vergangenen Monaten mit einem Skandal zu kämpfen. Die Bank soll Privatdetektive angeheuert haben, um Vermögensverwaltungschef Iqbal Khan, der zu UBS gewechselt ist, zu beschatten. Später weitete sich die Affäre aus, und Vorstandschef Tidjane Thiam musste zurücktreten. Staatsanwaltschaft und Finanzmarktaufsicht haben Ermittlungen aufgenommen.
Was bedeutet eine Krise wie die bei der Credit Suisse für Unternehmen, Herr Roselieb? Bei Compliance- und Skandalfällen stehen die betroffenen Unternehmen vor einer dreifachen Herausforderung. Erstens liegen selten bereits zu Beginn alle Fakten auf dem Tisch. Diese müssen erst mühsam ermittelt und verifiziert werden. Aus dieser Perspektive wäre ein schneller Rücktritt kaum hilfreich, um das Thema möglichst fix vom Tisch zu bekommen. Denn das Unternehmen weiß ja noch gar nicht, was genau passiert ist. Zweitens haben Unternehmen eine Schutzfunktion
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FR A N K ROS ELI EB im Gespräch mit LU K A S G R A S B ERG ER .
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gegenüber den Betroffenen. Es gilt erst einmal die Unschuldsvermutung – und diese müssen sie auch in der Außenkommunikation immer wieder betonen. Drittens verlaufen die Trennlinien zwischen Opfern und Tätern oft – wie bei der Credit Suisse – mitten durch das Unternehmen. Insofern ist es für Unternehmen selbst nach innen schwierig, richtig zu kommunizieren.
Was hat die Credit Suisse aus Ihrer Sicht falsch gemacht? Ein endgültiges Urteil möchte ich mir zu diesem frühen Zeitpunkt nicht erlauben. Zu viel liegt noch im Dunkeln. Auffällig ist aber, dass die Credit Suisse recht behäbig auf die Vorwürfe reagierte, und es damit den Medien überließ, die Diskussion zu bestimmen. Zuerst brauchten sie drei Tage für eine kurze, dürre Pressemitteilung. Am Tag darauf nahm sich ein Beteiligter das Leben. Doch erst eine Woche später – am 1. Oktober 2019 – rief die Bank eine Pressekonferenz ein. Angesichts der Dramatik der Ereignisse reichlich spät! Und als die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht schließlich eine Sonderprüfung veranlasste, hatte die Bank nicht nur die kommunikative Hoheit über das Thema verloren, sondern auch die operative.
Was hätte besser laufen müssen? In einer solchen Situation hat es sich bei Unternehmen bewährt, Prozesskommunikation zu betreiben. Die Medien und die Öffentlichkeit sollten regelmä-