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RUND UM REGULIERUNG Markus Lange erklärt, was die BaFin unter Nachhaltigkeit versteht

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Grüne Signale von der Aufsicht

Auf 37 Seiten beschäftigt sich die BaFin mit Nachhaltigkeitsrisiken. Auch wenn sich das Merkblatt etwas anders liest: Die BaFin meint es ernst. Citywire-Kolumnist MARKUS L ANGE erklärt wieso.

Vermögensverwalter mit BaFin-Lizenz – in der Gesetzessprache „Finanzportfolioverwalter“ – waren in der Vergangenheit nicht die primären Adressaten neuer regulatorischer Anforderungen. Im Fokus der Gesetzgebung standen Anlageberater und Anlagevermittler, und neue Regeln waren typischerweise auf diese zugeschnitten. Das änderte sich etwas im Rahmen des MiFID-II-Regimes. Auch wenn man nicht in das Wehklagen einiger Branchenvertreter einstimmen muss – die vertieften und verfeinerten Vorgaben haben es durchaus in sich, auch für Finanzportfolioverwalter. Insgesamt sind die damit verbundenen Herausforderungen aber zu bewältigen, vorausgesetzt, man nimmt eine realistische, konstruktive und konsequent kundenorientierte Sichtweise ein.

Jetzt weht der Wind aus einer anderen Richtung. Im Zuge der Umsetzung des Aktionsplans „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ der EU-Kommission rücken Vermögensverwalter ins Zentrum der Regulierung. Das betrifft nicht nur Finanzportfolioverwalter im Sinne des KWG und WpHG, sondern auch institutionelle Vermögensverwalter, also Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des KAGB. Sowohl von der Offenlegungs-Verordnung (die am 9. Dezember 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde und ab März 2021 unmittelbar anzuwenden ist) als auch von der Taxonomie-Verordnung (über deren Inhalte eine grundsätzliche politische Einigung auf EU-Ebene erzielt wurde) werden beide als „Finanzmarktteilnehmer“ erfasst und damit ganz

neuen und potenziell weit reichenden Anforderungen unterworfen. Wir kommen an dieser Stelle alsbald darauf zurück, um die sich abzeichnenden neuen Regeln näher zu beleuchten und einzuordnen.

Auch auf nationaler Ebene hat die Nachhaltigkeits-Agenda an Fahrt aufgenommen. Nachdem die BaFin im September 2019 ihr neues „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ konsultiert hatte (siehe Citywire Nr. 56, Dezember 2019/Januar 2020), wurde die endgültige Version am 20. Dezember 2019 vorgelegt (siehe auch BaFin Journal Dezember 2019: „Merkblatt unterm Tannenbaum“). Die BaFin hat von Seiten der Industrie im Rahmen der Konsultation geäußerte Kritik in mancher Hinsicht berücksichtigt und das Merkblatt entsprechend überarbeitet. Es wurde auch eine englische Übersetzung veröffentlicht, da die BaFin auch auf europäischer Ebene Position beziehen will. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der EU-Aktionsplan zunächst einen Schwerpunkt im Bereich „Lenkung von Anlegergeldern“ hatte und das Thema „Risikomanagement“ eher beiläufig behandelte. Das soll sich aber ändern. In Kürze wird die EU-Kommission ihre „Renewed Sustainable Finance Strategy“ konsultieren, und auch die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat mit entsprechenden Arbeiten begonnen und im Dezember 2019 einen eigenen „Action Plan on Sustainable Finance“ vorgelegt.

Dass das BaFin-Merkblatt für das Risikomanagement der Kreditinstitute (gemäß MaRisk) und Versicherungen (gemäß MaGo) relevant ist, leuchtet unmittelbar ein. Doch welche Bedeutung hat es für Finanzportfolioverwalter oder Kapitalver

waltungsgesellschaften? Zwei wichtige grundsätzliche Punkte sind insoweit festzuhalten. Erstens und einerseits wird das – immerhin 37 Seiten lange – Merkblatt ausdrücklich als „unverbindlich“ vorgestellt, als „Orientierungshilfe“ mit „GoodPractice-Ansätzen“, die von den Unternehmen herangezogen werden können. Auch würden keine „konkreten Prüfungsanforderungen“ formuliert. Zweitens und andererseits richten sich die Ausführungen in dem Merkblatt „sektorübergreifend“ an alle von der BaFin „beaufsichtigten Unternehmen“, und damit auch an Kapitalverwaltungsgesellschaften und Finanzdienstleistungsinstitute, die ohnehin

den Anforderungen der KAMaRisk beziehungsweise der MaRisk (die sich an alle Institute richten) unterliegen. Die „Nachhaltigkeitsrisiken“, um die es in dem Merkblatt geht, werden von der BaFin definiert als „Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können“. Aus Sicht der BaFin gilt: „Nachhaltigkeitsrisiken sind ESG-Risiken“. Die BaFin erwartet, dass „die beaufsichtigten Unternehmen eine Auseinandersetzung auch mit Nachhaltigkeitsrisiken sicherstellen und dies dokumentieren“. Dabei seien sie „in der Wahl ihrer Ansätze und Methoden … frei zu entschei

Dr. Markus Lange Dr. Markus Lange ist Rechtsanwalt und Bankkaufmann. Er ist Partner im Bereich Financial Services Tax & Legal bei PwC in Frankfurt. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind kunden- und produktbezogene Aspekte im Wertpapierdienstleistungs- und Investmentgeschäft. Lange hat sich intensiv mit der Umsetzung der neuen Anforderungen unter MiFID II befasst und war Mitglied einer Arbeitsgruppe der ESMA zu Anlegerschutz- und Vertriebsfragen. Er referiert und publiziert laufend zu einschlägigen Themen.

den“. Die BaFin empfiehlt aber eine „strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken“. Zugleich wird betont, dass die Ausführungen in dem Merkblatt „nur insoweit … als Hinweis dienen können, soweit diese für das konkrete Geschäftsmodell auch relevant sind“. So seien „beispielsweise von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft im Hinblick auf die Implementierung von Nachhaltigkeitsrisiken keine bankenspezifischen Anforderungen zu beachten“. In der finalen Version des Merkblatts wurden aber auch einige Bezugnahmen auf vermögensverwaltende Unternehmen ergänzt. So heißt es in der neuen Fußnote 20: „Für beaufsichtigte Unternehmen, die Portfolien im Auftrag Dritter verwalten, beziehen sich Nachhaltigkeitsrisiken darüber hinaus (Anm. des Autors: also über etwaige negative Auswirkungen auf das beaufsichtigte Unternehmen hinaus) auch auf die verwalteten Portfolien“. Und in der neuen Fußnote 31: „Beaufsichtigte Unternehmen, die Portfolien im Auftrag Dritter verwalten, sollten prüfen, ob die bestehenden Stresstests sowohl auf Ebene der verwalteten Portfolien als auch auf Gesellschaftsebene Nachhaltigkeitsrisiken in geeigneter Weise abbilden“. Aufgenommen wurde auch der Hinweis, dass „Vertragspartner“ eines beaufsichtigten Unternehmens „je nach Zusammenhang“ auch ein „Anleger“ sein könne (siehe die neue Fußnote 21).

Einige wesentliche Fragen bleiben allerdings offen. Ob die gleichartige Behandlung von „Nachhaltigkeitsrisiken“ als Eigenrisiken von Kreditinstituten oder Versicherungen auf der einen Seite sowie als Fremdrisiken (das heißt Anlegerrisiken) auf der anderen Seite der Weisheit letzter Schluss ist, mag man bezweifeln. Immerhin wird der Unterschied zwischen „Risiken der Investmentvermögen“ und „Risiken der Gesellschaft“ bei Kapitalverwaltungsgesellschaften auch in den KAMaRisk thematisiert (siehe dort Abschnitt 4.1, Ziff. 3), und in der Praxis der Finanzdienstleistungsinstitute spielen die Anforderungen der MaComp, soweit ersichtlich, bislang eine deutlich größere Rolle als diejenigen der MaRisk. Es wird sich auch noch zeigen müssen, ob das Nachhaltigkeitsverständnis der BaFin im Sinne von „ESG“ das letzte Wort ist. Einiges deutet darauf hin,

dass eine Orientierung an den SDGs der UN-Agenda 2030 umfassender und treffender ist und dass dabei dem Thema „Governance“ eine sehr wichtige, die eigentlichen Nachhaltigkeitskomponenten aber strukturell unterstützende Bedeutung zukommt. Ungeachtet einiger abgeschwächter Formulierungen in dem vorliegenden Merkblatt meint es die BaFin ernst. Ihre unlängst veröffentlichten „Aufsichtsschwerpunkte 2020“ enthalten vier Themen. Dazu gehören sowohl „Nachhaltige Geschäftsmodelle“ als auch „Nachhaltige Finanzwirtschaft, Sustainable Finance“. Es bleibt also spannend. Wir sind für Sie weiterhin am Ball.

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