9 minute read

STAR MANAGER Als Student war Johan Swahn Sozialist, heute managt er einen ESG-Aktienfonds für Nordea AM

M U L T I - T A S K I N G IN ZEITLUPE

Als Teenager war JOHAN SWAHN DJ, als Student in Göteborg Sozialist. Bei Nordea Asset Management verwaltet er heute den Global Stars Equity Fonds und pocht dabei auf feste Abläufe und Strukturen. Wie das zusammenpasst und welche Rolle Bestseller-Autor Tim Harford dabei spielt, hat er JANEK SCHMIDT erklärt.

J A N E K S C H M I D T

Fondsmanager, die in globale Aktien investieren, kommen selten zur Ruhe. Zwischen Frankfurt, Tokyo und New York ist immer irgendwo eine Börse offen; irgendwo auf der Welt legt zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Unternehmen

überraschende Ergebnisse vor. Zudem ist der Wettbewerb enorm: Es gibt Hunderte von Managern, die mit ihren Fonds um die Gunst der Anleger buhlen. Einer von ihnen ist Johan Swahn von Nordea Asset Management, der von Citywire zurzeit mit einem AAA-Rating bewertet ist. „Für mich ist es wichtig, dass ich nicht meine gesamte Zeit mit Aktien verbringe“, sagt er. Stattdessen will er Inspiration aus ganz verschiedenen Quellen schöpfen.

Schon als Jugendlicher in Göteborg mochte er sich nicht auf eine Beschäftigung festlegen. Zwar hatte Swahn schon damals ein Faible für die Naturwissenschaft, aber seine eigentliche Liebe war die Musik. Eine Zeit, an die er sich gern erinnert. „Wir gründeten unseren eigenen Club, ‚Magasinet‘, in dem wir Indy- und Rock-Konzerte veranstalteten und als DJs auflegten“, erzählt er von seiner Jugend. „Und da wir so in Kontakt mit aufstrebenden Bands kamen, starteten wir mit ‚Fine Tone Recordings‘ auch gleich unser eigenes Plattenlabel.“

Heute hat Swahn dafür keine Zeit mehr. Die Arbeit in der Musikbranche hat er zugunsten der Karriere als Fondsmanager eingestellt, genauso wie seine eigene Radio-Show, die er früher in Schweden produzierte. Was aber nicht bedeutet, dass Musik für ihn heute keine Rolle mehr spielt. Im Büro hört er über Stunden einen Mix aus neu entdeckten Bands und altbewährten Lieblingen. Aktuell sind das etwa die britische Synthiepop-Band Hot Chip oder die schwedische Elektro-Band Kite.

J U N G , S O Z I A L I S T , WIRTSCHAFTSSTUDENT Die Offenheit für Eindrücke aus verschiedenen Bereichen hat Swahn zu einer Art Lebensphilosophie erklärt. „Ich folge hier voll und ganz Tim Harford“, sagt er. Der Kolumnist der Financial Times und Bestseller-Autor hat ein Konzept geprägt, das er Slow-Motion Multitasking nennt. Es beschreibt im Kern die gleichzeitige und gewinnbringende Beschäftigung mit verschiedenen Disziplinen, was laut Harford schon Albert Einstein und Charles Darwin zu intellektuellen Höchstleistungen befähigte.

Mitte der neunziger Jahre, als Swahn mit dem Studium begann, war davon zwar noch keine Rede. Trotzdem passt selbst die Wahl eines zu ihm passenden Studiengangs in Harfords Schema. Zunächst entschied sich Swahn für eine Journalistenschule. „Ich stellte aber fest, dass Journalismus selbst keine akademische Disziplin ist und ich lieber ein anderes Fach wählen sollte, um dieses Wissen vielleicht später als Journalist anzuwenden“, erklärt Swahn. Also besann er sich auf seine Vorliebe für die Naturwissenschaft und begann mit einem Ingenieursstudium. „Da fand ich aber die Stimmung etwas

anstrengend mit 80 Prozent männlichen Studenten.“ Am spannendsten fand er ohnehin sein Nebenfach, die Wirtschaftswissenschaft. „So merkte ich, dass mich Wirtschaft einfach interessierte und ich mir das nur nicht eingestehen wollte, weil es nicht zu meinem Selbstverständnis als jugendlicher Sozialist passte.“

Trotz dieses inneren Konfliktes wechselte er abermals das Fach und absolvierte schließlich innerhalb von vier Jahren einen MBA an der Universität Göteborg. Seinen politischen Überzeugungen von damals ist er im Großen und Ganzen aber treu geblieben, wie er mit einem Lachen erklärt: „Ich bin überzeugter Sozialdemokrat. Aber das sage ich im Büro nicht so laut, denn davon gibt es bei uns nicht viele.“

D E R S T A R T B E I N O R D E A WAR HOLPRIG Seine ursprünglichen Vorbehalte gegenüber der Finanzwelt baute er immerhin so weit ab, dass er nach der Uni als SellSide-Aktienanalyst zur UBS nach Stockholm ging und später zur schwedischen Handelsbanken, bevor er für zwei Jahre

bei Morgan Stanley in London anheuerte. Daraufhin wechselte er zu Stena AB, einem der größten schwedischen Familienunternehmen mit eigenem Family Office. Dort arbeitete er als Investment Manager und sammelte erste Erfahrungen auf der Buy Side, die er später bei der skandinavischen Fondsgesellschaft Skagen Funds weiter ausbaute.

Eines Tages kontaktierte ihn sein früherer Stena-Kollege Mathias Leijon. Der war in der Zwischenzeit CIO bei Nordea geworden und warb Swahn 2015 erfolgreich ab. Bei Nordea sollte Swahn in einem Dreierteam mit Leijon und Joakim Ahlberg zwei neue Fonds verwalten: den Global Ideas Equity Fonds und den Global Stars Equity Fonds aus Nordeas wachsender ESG-Palette.

So gut Swahns heutige Performance ist, so holprig verlief sein Auftakt im neuen Job. Unerwartet kam es zu einer Veränderung in der internen Organisation: Eine Woche, bevor die zwei neuen Fonds an den Start gingen, verließ Leijon das Team schon wieder, weil er zum Co-Head von Nordea Corporates and Institutions befördert wurde. „Daraus ergab sich für das erste halbe Jahr ein ziemliches organisatorisches Chaos mit der entsprechend bescheidenen Performance“, erinnert sich Swahn.

Bald aber halfen ihm seine Fähigkeiten im Slow-Motion Multitasking. Während es bei der Arbeit oft gefühlt einen Schritt vorwärts und zwei zurück ging, suchte er Abwechslung und Inspiration in der Philosophie, in Aufsätzen über Psychologie und in seinen wöchentlichen Tennis-Partien. Schließlich erkannte er, wie die Probleme bei der Arbeit gelöst werden konnten. Nach rund acht Monaten zogen er und sein Partner Joakim Ahlberg die nötigen Konsequenzen: Sie besiegten das Chaos und schufen eine klare Struktur, die von AUSGABE 58 | MÄRZ 2020

Volatilität & maximaler Verlust über die vergangenen drei Jahre bis Ende Januar 2020

10,8% Nordea 1 – Global Stars Equity

STANDARDABWEICHUNG

-10,2% Nordea 1 – Global Stars Equity

11,2% SektorDurchschnitt

MAXIMALER VERLUST

-13,6% SektorDurchschnitt

Platzierung des Nordea 1 – Global Stars Equity Fund im Sektor Aktien – Global

ÜBER EIN JAHR BIS ENDE JANUAR 2020 106/850

ÜBER DREI JAHRE BIS ENDE JANUAR 2020 43/700

Verantwortlichkeiten über Tagesabläufe bis hin zur Zusammenstellung der Portfolios feste Regeln vorsah.

M I T S T R U K T U R Z U M ERFOLG „Wir hatten festgestellt, dass es nicht funktionierte, mehr als einen Entscheidungsträger zu haben“, erklärt Swahn. Also vereinbarten er und Ahlberg eine klare Aufteilung der Verantwortung: Statt gleichberechtigt zwei Fonds zu verwalten, hat Swahn im Januar 2017 die Leitung des Global Stars Equity Fonds übernommen, während Ahlberg ihn dabei aktiv unterstützt; im North American Stars Equity Fonds gilt die umgedrehte Rollenverteilung. Der Global Ideas Fonds wurde im Oktober 2019 geschlossen.

Swahns Global Stars Equity Fonds ist auf diese Weise bis heute auf mehr als 810 Milliarden Euro Assets under Management angewachsen. Zu dieser Entwicklung hat auch der feste Tagesablauf der beiden Fondsmanager beigetragen. Täglich um 8:50 Uhr gibt es eine Video-Konferenz mit dem Aktienteam aus 24 Portfoliomanagern und Analysten in Kopenhagen und Stockholm, wo auch Swahn arbeitet. Im Anschluss gehen Swahn und Ahlberg zusammen

ihre morgendliche Tasse Kaffee trinken, um in Ruhe zu klären, welche Unternehmen an dem Tag näher untersucht werden sollten.

Im restlichen Tagesverlauf kommt es dann immer wieder zu Entscheidungen im Investmentprozess, der ebenfalls nach einem strikten Plan verläuft. Ein Teammitglied präsentiert den Kollegen ein Unternehmen als mögliche Anlage. Wenn der Vorschlag Anklang findet, wird dazu ein Investment-Modell entwickelt und Fakten zum Unternehmen gesammelt. Abschließend muss ein anderes Teammitglied den Advocatus Diaboli spielen und Argumente gegen das Investment vortragen. Zum Schluss kommt Swahn ins Spiel: „Nach der Diskussion muss ich entscheiden, ob ich Aktien der Firma kaufen will.“

Eine Besonderheit ist der Einfluss des separaten zwölfköpfigen ESG-Teams, das alle Fonds von Nordeas nachhaltiger Stars-Palette mitgestaltet. Dabei stufen die Analysten alle relevanten Firmen nach ESG-Kriterien in drei Kategorien von A bis C ein. Unternehmen, die nur ein C erhalten, werden vom Investment-Prozess ausgeschlossen.

E I N T O P F F Ü R M E H R RISIKO Der ESG-Einfluss geht in der Praxis aber noch weiter. So warnten ESG-Analysten etwa im Jahr 2017, dass Facebook bald viel Geld investieren müsse, um seinen Datenschutz zu verbessern. „Unser TechAnalyst hat sich zunächst wenig dafür interessiert, weil Facebook einfach so erfolgreich war“, sagt Swahn: „Aber wir einigten uns darauf, dass wir das Thema näher untersuchen würden.“

Also reisten die Analysten in die USA zu Gesprächen mit Vertretern von Regulierungsbehörden und beschlossen,

aufgrund der drohenden Kosten für besseren Datenschutz alle Facebook-Aktien zu verkaufen; immerhin drei Prozent des Portfolios. Die strenge Beachtung der selbst auferlegten Regeln sollte sich bezahlt machen. „Wenig später kam der Skandal um Cambridge Analytica – und die Aktie stürzte ab.“

Die wichtigste Regel betrifft aber die Zusammensetzung von Swahns Portfolio. „Es besteht aus zwei Töpfen“, erklärt er. „Für den ersten suchen wir Firmen, die

vom Markt falsch eingeschätzt werden.“ Dieser Topf macht zwar nur etwa 35 Prozent des Portfolios aus und bringt mehr Risiko, dafür aber auch besondere Chancen. „Hier fließt also besonders viel Aufwand in die Recherche.“

Ein Beispiel ist Autoliv, der schwedische Hersteller von Airbags, der mit zwei Prozent unter den Top-Ten-Positionen des Fonds ist. Eine Besonderheit des Unter

Top-Performance und ausgezeichnete Bewertungen

Johan Swahn ist seit Februar 2019 durchgehend geratet – zuletzt mit einem AAA.

Nachhaltige Outperformance zeigt Swahns Fonds sowohl gegenüber der Benchmark als auch im Vergleich zum Manager-Durchschnitt

Nordea 1 – Global Stars Equity BP USD FTSE World TR USD Manager-Durchschnitt

Pe rf orman ce in % 30 40 50 60

20

10

0

Jan. 17 Jan. 18 Jan. 19 Jan. 20

QUELLE: Citywire Discovery

nehmens ist laut Swahn dessen zyklisches Geschäft. „Wenn Autoliv einen Auftrag bekommt, um ein neues Automodell mit Airbags auszustatten, erhöht das zunächst die Produktionskosten, die erst später wettgemacht werden, wenn das Auto in Serie geht.“ In diesem Zyklus versucht Swahn immer wieder, jenen Zeitpunkt zum Zukauf der Aktie abzupassen, an dem die Kosten bereits gestiegen und andere Anleger abgesprungen sind – und bevor einige Zeit später der Umsatz und damit meist auch der Börsenkurs wieder steigen.

E I N T O P F F Ü R S T E T I G E S WACHSTUM Der zweite Topf ist auf risikoarmes, stetiges Wachstum ausgelegt. Hier fahndet Swahn nach Unternehmen, die in seinen Worten einen „Rückenwind“ und einen „Burggraben“ haben, die also zum einen von gesellschaftlichen, technologischen oder wirtschaftlichen Trends profitieren und zum anderen von Einstiegshürden, die mögliche Konkurrenten vor einem Markteintritt abhalten.

Einer dieser stetigen Renditebringer ist Amazon als zweitgrößte Portfolio-Position hinter Alphabet. Der Tech-Konzern kombiniert seine Stärke in den wachsenden Branchen des Cloud Computing und E-Commerce mit dem Schutz vor

Konkurrenz durch Skalen-Effekte seiner enormen Daten- und Server-Infrastruktur. „Mit diesen beiden Töpfen wissen alle

bei uns im Team ganz genau, wonach wir suchen“, erklärt Swahn. „Das hat unsere Titel-Auswahl deutlich verbessert.“

So sind es also feste Strukturen und deren strenge Einhaltung, die dem früheren DJ und Sozialisten Johan Swahn dabei helfen, das Tohuwabohu der globalen Aktienmärkte in den Griff zu bekommen. Und die Überzeugung, dass Slow-Motion Multitasking ein genialer Weg ist, um durch das Tüfteln an einem Projekt die zündende Idee für ein anderes zu finden.

„Für mich ist es wichtig, dass ich nicht meine gesamte Zeit mit Aktien verbringe.“

This article is from: