Behörden Spiegel November 2021

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Bund

Behörden Spiegel / November 2021

“BaFin mit Biss”

I

m Auftrag des Finanzministeriums wurden hierfür mit Unterstützung externer Berater zunächst die Strukturen der BaFin evaluiert und zahlreiche Gespräche mit Experten aus der Verwaltung, der Wirtschaft und dem Dritten Sektor (insbesondere Verbänden und Verbraucherschutzorganisationen) geführt. Zudem wurden internationale Benchmarks und Leistungsvergleiche erstellt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in einer Gap-Analyse mit dem Zielbild einer flexiblen und schlagkräftigen “BaFin mit Biss” abgeglichen. Im Ergebnis wurden über 40 kurzfristige Reformmaßnahmen identifiziert. Das sich daran anschließende Projekt mit rund 100 Mitarbeitern zur Umsetzung dieser Maßnahmen wurde in acht Teilprojekte untergliedert. Einige dieser Maßnahmen können als Beispiele für eine nachhaltige Verwaltungsreform anderer Organisation und Behörden dienen. So gewann das Projekt in der Kategorie “Bestes Projekt zur agilen Transformation” auch den “eGovernment-Wettbewerb” 2021. Die Verwaltung von morgen mit einem schnellen, agilen und evidenzbasierten Handeln werde, so die Jury, durch dieses “bahnbrechende Reformkonzept” besonders sichtbar. Vier Aspekte der BaFin-Reform scheinen dabei besonders relevant für die aktuelle Diskussion zur Verwaltungsmodernisierung.

Agilität Zunächst sollte die Agilität der BaFin gestärkt werden. Ein Kernelement dieser Bemühung war dabei der Aufbau einer Fokusaufsicht. Diese befasst sich – gesteuert durch eine zentrale Einheit beim Präsidenten – geschäftsbereichsübergreifend mit risikoanfälligen Aufsichtsobjekten (z. B. mit komplexen neuen Geschäftsmodellen). Durch die Koordinationseinheit beim Präsidenten verfügt die Fokusaufsicht über die notwendige Autonomie, Flexibilität und Schnelligkeit. Die CaseTeams werden kurzfristig crossfunktional mit spezialisierten Aufsehern der verschiedenen Geschäftsbereiche projektbe-

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Die Modernisierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BS/Dr. Dominik Böllhoff/Friedrich von Schönfeld) Eine der grundlegendsten Verwaltungsmodernisierungen in Deutschland durchläuft aktuell die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). In Reaktion auf die Bilanzmanipulationen und Insolvenz des Dax-Unternehmens Wirecard AG verabschiedete die Bundesregierung im Oktober 2020 u. a. einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte. Dahinter stand die Erkenntnis, dass eine Gesetzesreform allein nicht ausreichen würde, sondern die Reform gesamtheitlich auch die operative Leistungsfähigkeit der Verwaltung in den Blick nehmen müsse. Neben einer umfangreichen legislativen Reform sah der Plan der Bundesregierung daher auch die operative Modernisierung der BaFin vor.

Zielbild der Reform der BaFin

Grafik: BS/BMF

zogen und für kurze Zeiträume zusammengestellt. Dadurch werden Silos der einzelnen Geschäftsbereiche aufgebrochen, Beschäftigte vernetzen sich, lernen voneinander und bringen ihre Projekterfahrung zurück in ihre Herkunftsteams.

Digitalisierung Die Aufseher der BaFin sollen zudem mithilfe modernster Technologien effizienter und stärker datengetrieben arbeiten. Hierzu wird in der BaFin eine zentrale Analytics-Einheit, die Data Intelligence Unit (DIU), aufgebaut. Die Einheit verfolgt das Ziel, Kompetenzen und Tools für die digitale Analyse von Daten und Informationen im Rahmen des Aufsichtshandelns bereitzustellen und weiterzuentwickeln. Sie ist das Bindeglied zwischen den

Datenexperten in den Geschäftsbereichen und der IT. Die DIU entwickelt vor allem das AufseherCockpit. Mit dieser IT-Lösung erhalten die Aufseher alle für ihre jeweilige Arbeit notwendigen Informationen auf einen Blick aus allen Geschäftsbereichen, bereits automatisch vorausgewertet und mittelfristig auch unter Einsatz modernster Technologien: Mittels Text-Crawling soll das Internet automatisiert auf Hinweise unlauteren Verhaltens durchsucht, mittels Künstlicher Intelligenz sollen große Datenmengen (Big Data) auf Auffälligkeiten geprüft werden, Workflows sollen Arbeitsprozesse unterstützen und transparent machen.

Zielorientierte Führung Für eine zielorientierte Führung werden in der BaFin Zuständig-

Dr. Dominik Böllhoff, Projektleiter des Projekts MoBaFin, Dr. Friedrich von Schönfeld, Stellv. Projektleiter. Beide arbeiten im Bundesministerium der Finanzen. Fotos: BS/privat

keiten, Rollen und Verantwortlichkeiten klarer verteilt. Zunächst wurde die Leitungsstruktur gestärkt. Der Präsident erhält mehr Verantwortung für die Gesamtsteuerung. Klar definierte Verantwortlichkeiten zwischen

gestärktem Präsidenten, Direktorium und Exekutivdirektoren erlauben eine effizientere Entscheidungsfindung. Über die Gesamtorganisation werden weitere Instrumente für eine effiziente Steuerung implementiert. So helfen etwa Zieldialoge, die Gesamtorganisation systematisch, strategisch und geschäftsbereichsübergreifend zu führen.

Proaktivität und Krisenfestigkeit

Krisenvorbeugung ist eine der originären Aufgaben der BaFin. Durch das Modernisierungsprojekt bei der BaFin werden nun weitere Systeme aufgebaut, um den Finanzmarkt noch besser beaufsichtigen zu können. Mit der

neuen Taskforce-Einheit kann die BaFin bei ersten Krisenanzeichen von Instituten schnell vor Ort eingreifen und eigene Adhoc-Prüfungen vornehmen. Durch eine intensivere Bilanzkontrolle werden die Abschlüsse der Emittenten proaktiv und ggfs. auch vor Ort überprüft. Zur Stärkung des kollektiven Anlegerschutzes werden verdeckte Testkäufe (Mystery Shopping) durchgeführt. Zugleich beschäftigen sich die übergreifenden Einheiten mit neuen Geschäftsmodellen auf dem Finanzmarkt, sodass etwa bei neuen digitalen Geschäftsmodellen frühzeitig Schwierigkeiten erkannt werden können. Um ergänzend einen engeren Kontakt in den Markt zu entwickeln, wird im Modernisierungsprojekt eine neue Einheit, die Market Contact Group, eingerichtet. Diese soll den Austausch mit den Marktteilnehmern pflegen, Marktinformationen sammeln und auswerten. Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden in die Aufsichtsarbeit eingespeist; dadurch werden neue Impulse gesetzt. Darüber hinaus wird die Hinweisgeberstelle optimiert. Damit wird die Bereitschaft von Wissensträgern gestärkt, sich an die BaFin zu wenden. Die Ansprache (etwa im Internet) wird verbessert, es wird umfangreich über Verfahren sowie Rechte aufgeklärt,und den Hinweisgebern werden persönliche Ansprechpartner an die Seite gestellt. Ein neues Hinweisgebersystem sammelt, filtert und priorisiert die eingehenden Hinweise, sorgt für eine schnelle Auswertung durch Experten und speist Erkenntnisse als Basis weiterer Aufsichtshandlungen in die Organisation ein.

Anstoß und Grundlage Seit Februar 2021 haben BMF und BaFin, unterstützt von externen Beratern, die Reform in einem gemeinsamen Projekt vorangetrieben. Mit Start des neuen Präsidenten der BaFin, Mark Branson, wird die Reform nun sukzessive bis Jahresende in die alleinige Verantwortung der BaFin übergeben. Damit ist das Projekt Anstoß und Grundlage für einen langfristigen und kontinuierlichen Modernisierungsprozess der BaFin.

Neues, schnelles Feedback-Format

Organisation wird angepasst

Puls-Checks im Statistischen Bundesamt

Modernisierung des BND vorgesehen

(BS/Anja Gühnen/Dr. Sonja Leischner/Simone Seeger) Die Kontrolle der Herzfrequenz obliegt für gewöhnlich medizinischem Fachpersonal. Ziel ist es, über das Wohlbefinden der Patientin oder des Patienten zu befinden. Ist der Puls zu schnell oder zu langsam, müssen entsprechen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Genau wie Ärztinnen oder Ärzte sich um ihre Patientinnen und Patienten kümmern, ist es für Arbeitgeber von zentralem Interesse, die Belange der Beschäftigten zu kennen: Was läuft gut? Wo gibt es Optimierungspotenzial? Wo geben wir vielleicht ein zu hohes Tempo vor? An welchen Stellen dauern Prozesse zu lange?

(BS/mfe) Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Dr. Bruno Kahl, hat eine weitere strategische Modernisierung seiner Behörde angekündigt. Im Zuge dessen soll es ein neues organisatorisches Gerüst geben.

Hierzu setzt das Statistische Bundesamt – als neues Format des Beschäftigtenfeedbacks – sogenannte Puls-Checks ein. Dabei handelt es sich um eine OnlineBefragung, deren Beantwortung nicht länger als fünf Minuten dauert und die einmal pro Monat zu einem aktuellen Thema durchgeführt wird. Dabei geht es um Themen, die sowohl für Beschäftigte als auch für die Leitungsebene und die Verwaltung relevant sind.

Ein Puzzleteil des Feedbacks Der erste Puls-Check zum Thema “Arbeiten in der Pandemie” kam bei den Beschäftigten gut an; jede/r zweite Beschäftigte hat an der Befragung teilgenommen. Thematisch ging es darum, herauszufinden, wie es unseren Beschäftigten mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie im Arbeitskontext geht. Konkret wurde mit drei Fragen erfasst, wie Beschäftigte mit den Anforderungen ihrer Arbeit zu Pandemiebedingungen aktuell zurechtkommen, welche einzelnen Faktoren (wie z.B. die Umsetzung von Hygienemaßnamen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Köpfe hinter dem Puls-Check (v. l. n. r.): Anja Gühnen, Leiterin des Referats “Personalgewinnung und Personalentwicklung”, Dr. Sonja Leischner, Gruppenleiterin “Personal” und Simone Seeger, Referentin “Personalgewinnung und Personalentwicklung” beim Statistischen Bundesamt. Foto: BS/Destatis

oder auch die Kommunikation mit den Vorgesetzten) während der Pandemie wie funktioniert haben und welche konkreten Vorschläge Beschäftigte zur Verbesserung des Arbeitens unter Pandemiebedingungen sehen. Frei nach dem Motto “Nach dem Puls-Check ist vor dem PulsCheck” sind die Planungen für die nächste Befragung bereits wieder in vollem Gange. Der Puls-Check ist nur ein Puz­z leteil des Beschäftigten-

feedbacks im Statistischen Bundesamt. Zusätzlich wird es Ende 2021 eine umfassende Beschäftigtenbefragung geben. Diese wird seit vielen Jahren in regelmäßigen Abständen eingesetzt und soll ein ganzheitliches Bild der Arbeitsrealität abbilden. Die Ergebnisse des Puls-Checks werden transparent im Intranet veröffentlicht und mit den Beschäftigten diskutiert, um Verbesserungspotenziale abzuleiten. Im Fokus stehen bei

diesem Austausch Beschäftigtengruppen oder Arbeitsbereiche, die von einzelnen Themen speziell betroffen sind. Um einen geregelten – und somit gesunden – “Puls-Schlag” unserer Beschäftigten zu gewährleisten, gilt es, auf aktuelle Stimmungen zu reagieren und, im Sinne der Beschäftigten, Verbesserungen einzuleiten. Im Hinblick auf das “Arbeiten in der Pandemie” erwies sich unser Pulsschlag als sehr regelmäßig.

Der BND-Präsident erläuterte: “Ein Baustein ist die engere Verzahnung der Auswertung mit allen nachrichtendienstlichen Beschaffungsarten.” Ähnliche Aufgaben würden zusammengelegt, “um unsere Gesamtleistung und Schnelligkeit weiter zu erhöhen.” Kahl zeigte sich überzeugt: “Mit dieser Organisationsreform stellen wir sicher, dass unsere zahlreichen Ansätze für einen modernen und zugkräftigen Auslandsnachrichtendienst effektiv greifen.” Künftig – auch aufgrund der jüngsten Geschehnisse in Afghanistan – solle die Auswertung im BND einen noch stärkeren Fokus auf die Entwicklung und Prüfung von Hypothesen erhalten, um daraus fundierte strategische Analysen zu erstellen. “Die Ausbildung und Nutzung von Szenariotechniken sowie das kritische Hinterfragen eigener Annahmen sollen in der Auswertung künftig eine größere Rolle spielen, so Kahl. Als eine weitere Herausforderung benannte er die Umsetzung des reformierten BND-Gesetzes, das in Gänze am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft tritt, in die nachrichtendienstliche

Praxis. Bis dahin müsse sein Dienst einige IT-Anpassungen vornehmen. Der Zeitplan dafür sei sehr ambitioniert. Der Reformbedarf beziehe sich etwa auf Kennzeichnungs- und Löschprotokollierungspflichten. Es gehe aber auch um die zu Kontrollzwecken erforderliche Dokumentation. Auch im Militärischen Abschirmdienst (MAD) brauche es Modernisierung und Professionalisierung, so Behördenpräsidentin Martina Rosenberg. Denn nur dann könnten die für den Bereich der Extremismusabwehr benötigten Fähigkeiten verbessert werden. Das gelte ganz besonders mit Blick auf den Rechtsextremismus. Neueste Technik und genügend qualifiziertes Personal seien hier dringend nötig, so Rosenberg. Um den MAD zukunftsfähig und den Aufgaben angemessen aufzustellen, “habe ich im letzten Jahr das Maßnahmenpaket, das mein Amtsvorgänger bereits aufgesetzt hatte, weiterentwickelt und erste Teile bereits umgesetzt”, berichtete die Präsidentin. So habe der Dienst in 2020 und 2021 einen deutlichen Personalaufwuchs zu verzeichnen gehabt.


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