THIERSTEIN
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Donnerstag, 21. Juli 2022 Nr. 29/30
BREITENBACH
Breitenbach und Heynlin von Stein Seit einigen Jahren lassen viele Schweizer Verlage einen Grossteil ihrer Bücher im Ausland herstellen. Autor Beat von Scarpatetti setzt aber lieber auf die Entstehung in der Schweiz. So entstand in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Thomas Lutz sein neuestes Werk.
PUBLIKATION: Verkauf Baulandparzellen im «Rohrhollen»
Gaby Walther
Die Einwohnergemeinde Breitenbach verkauft ab dem 8. August 2022 im Gebiet «Rohrhollen» zeitlich gestaffelt vier grosszügige, zentrumsnahe Baulandparzellen an Hanglage mit Weitsicht. Die Veräusserung der Parzellen erfolgt im Bieterverfahren, zu welchem in einer ersten Phase nur Einwohnerinnen und Einwohner Breitenbachs zugelassen sind, welche am 28. März 2022 und bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz in der Gemeinde Breitenbach haben. Über die Bedingungen und Abläufe des Verfahrens orientiert die Dokumentation «Landverkauf Rohrhollen» welche elektronisch auf www.breitenbach.ch/de/politik/dokumente/rohrhollen/ zum Download bereit steht. Angebote werden nur unter Einhaltung der im Dokument aufgeführten Bestimmungen entgegengenommen. Das Dokument kann auch als Druckversion unter gemeinde@breitenbach.ch oder unter Tel. 061 789 96 96 bestellt werden. Allfällige Fragen zum Verfahren andreas.duerr@breitenbach.ch.
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«Es gefiel Beat von Scarpatetti in meinem Garten im Grien in Breitenbach. Viele Stunden sassen wir hier zusammen und besprachen die Gestaltung und das Layout seines geplanten Buches», erzählt Thomas Lutz. Selbstverständlich ist dies nicht. Seit einigen Jahren lässt auch der Schwabe Verlag Basel einen Grossteil seiner Bücher im Ausland herstellen. Davon war Beat von Scarpatetti nicht begeistert. Dem Historiker, Paläografen, Dozenten, Kulturschaffenden mit Schwerpunkt Ökologie und Freund des verstorbenen Umweltaktivisten Martin Vosseler war es ein grosses Anliegen, dass das Buch in der Schweiz hergestellt wird. Thomas Lutz, der bis vor zwei Jahren als Grafiker beim Schwabe Verlag arbeitete, hatte bereits das Buch «Reich der Quellen» von Beat von Scarpatetti gestaltet. Der Autor war mit dieser Zusammenarbeit sehr zufrieden. Deshalb trieb er das nötige Geld auf, damit Lutz sein neustes Buch im Auftrag des Schwabe Verlags gestalten konnte. Entstanden ist ein in der Schweiz gedruckter und gebundener, 582-seitiger Katalog über die mittelalterliche Privatbibliothek von Johannes Heynlin Stein (t1496).
Bücherliebe und Weltverachtung
Heynlin war Gelehrter, Humanist und Mönch. 13 Jahre wirkte er als Volksprediger. 1487 zog er sich in die strenge Basler Kartause (Kloster des Kartäuserordens) zurück. In seinen Büchern — nie-
Verfasser und Buchgestalter: Beat von Scarpatetti (l.) und Thomas Lutz. mand sonst in Basel besass privat eine solch grosse Bibliothek, auch nicht der Bischof oder Erasmus — sind rund 10 000 kritische Randnotizen von ihm zu finden. Die Hauptbotschaft der Glossen ist Heynlins Weltverachtung und die Bekämpfung des Teufels.
Anspruchsvolle Aufgabe an den Gestalter
Beat von Scarpatetti hat sich während 30 Jahren mit den Büchern und den Notizen, welche sich heute in der Universitätsbibliothek Basel befinden, beschäftigt. Er hat sie katalogisiert und die Hintergründe für Heynlins Weltverachtung untersucht. «Nun galt es, aus den zahlreichen Notizen, Dokumenten, Quellenangaben, Verweisen und Illustrationen ein übersichtliches Buch zu gestalten. Keine einfache Aufgabe», erzählt Thomas Lutz. Der Schwabe Verlag stellte gewisse Vorgaben und der Ökologe Beat von Scarpatetti wollte keinen Platz verschwenden — trotzdem sollte das Werk übersichtlich bleiben. Schriftgrösse, Titelhierarchien, Abfolge, Zeichen, Icons und Erklärungen mussten festgelegt werden. «Der intensive Austausch mit dem Autor war sehr wichtig und so machte es auch wirklich Sinn, dass die Gestaltung und
FOTO: ZVG
der Umbruch hier und nicht im Ausland erfolgten», ist Lutz überzeugt.
Katalog als Open Access lesbar
Im letzten Frühling wurde das Werk an einer Vernissage in Basel präsentiert. Als catalogue raisonné sämtlicher erhaltener Bücher aus Heynlins Besitz wartet es mit zahlreichen transkribierten und übersetzten Glossen auf, bietet Bio-Bibliografien zu den vorhandenen Autoren, zeichnet — soweit möglich — in einer ausführlichen Einleitung mit Einblicken in Heynlins Leben und in die Themen, die ihn umgetrieben haben, dessen intellektuelles Profil nach und erlaubt es der Leserin, dem Leser damit, in die fremdnahe Geisteswelt dieses Gelehrten an der Schwelle zur Neuzeit einzutauchen. Es ist ein Katalog für Forschende und Personen, die sich speziell für das Thema interessieren. Die Auflage liegt zwar nur bei 200 Exemplaren, jedoch hat Beat von Scarpatetti weiteres Geld aufgetrieben, damit das Werk als Open Access in elektronischer Form zur Verfügung steht und alle die Möglichkeit haben, darin zu stöbern bzw. sich durchzuscrollen. «Bücherliebe und Weltverachtung»: Schwabe Verlag, 582 Seiten; Open Access unter www.schwabeonline.ch.
LOK ALHISTORISCHES
«Das ist alles so wertvoll» Konrad Pflugi: Bäcker, Kustos des Dorfmuseums «Arch», Sigrist, Ministrant und Lektor in Mariastein. Betritt man sein Lädeli in Himmelried, so wird einem schnell klar, dass die Passion fürs Historische durchschimmert.
zigern des vorletzten Jahrhunderts, mehr: «Die Kantonsregierung nannte in ihrem Rechenschaftsbericht als Ursachen für die Auswanderung nach Amerika an erster Stelle Missernten, Teuerung der Lebensmittel und eine allgemeine Not, an zweiter Stelle die intensiven Werbeaktivitäten der sogenannten Auswanderungsagenten und erst zuletzt die für die Gemeinde und die Privaten lästigen Armenverhältnisse.»
Linard Candreia
Fortsetzung Folgeseite
Im Laden von Konrad Pflugi gibt es viel zu entdecken: ein uraltes, noch funktionierendes schwarzes Telefon, ein Foto von ausgewanderten Himmelriedern in Amerika und, prominent bei der Kasse aufgestellt, das mit Muscheln gerahmte Bild seines an der spanischen Grippe verstorbenen Verwandten Arnold Thomann mit Jahrgang 1890. Der Name «Arch» stamme aus dem Lateinischen und bedeute «Haus an der Krümmung», beginnt Pflugi mit seinen Ausführungen im Museum, einem Haus aus dem 17. Jahrhundert. Und an jedem Gedächtnisort hat es Highlights:
Alter Gemeindeplan
Dienstag 08:00‐11:30 Uhr 13:30‐18:30 Uhr Mittwoch 08:00‐11:30 Uhr 13:30‐17:00 Uhr
In einer Vitrine weckt ein Gemeindeplan aus dem Jahre 1757 das Interesse. Ein Lehrer liess die Schüler den nicht mehr auffindbaren, echten Plan einfach abzeichnen und so ist dieser für die Nachwelt erhalten geblieben. Damals hatte das Dorf etwas mehr als ein Dutzend Häuser und das Haus an der Krümmung ist ebenfalls sofort erkennbar.
Gewehr für Wilderer
In der Nordwestschweiz gebraucht man anstelle des Wortes «Wilderer» nicht sel-
«S Eier-Marie»
Verantwortlich für das Dorfmuseum: Konrad Pflugi hat eine grosse Passion fürs FOTO: LINARD CANDREIA Lokalhistorische. ten die etwas veränderte französische Variante «Pragineure» (braconniers). Das Museum besitzt eine alte Pragineurflinte, die man auseinandernehmen kann: Kolben, Verschluss und Lauf konnte man im Rucksack gut verstecken.
Brief an Eltern und Geschwister
Pflugi zeigt dem Schreibenden einen Brief des Amerikaauswanderers Simon Vögtlin, adressiert an die Eltern und Geschwister. Im Himmelrieder Heimatbuch erfährt man über die Gründe der Massenauswanderung, vor allem in den Fünf-
Beim Blättern der bereits erwähnten Dorfchronik fällt das gelungene Fotosujet einer Frau mit dem Korb auf dem Kopf auf. Die Legende lautet: «S Eier-Marie — auf seinem Verkaufsgang von Beinwil nach Grellingen — hatte auch in Himmelried seine treue Kundschaft.» Konrad Pflugi zeigt im Museum ein Polsterstück zum Tragen von Lasten auf dem Kopf. In Himmelried und Umgebung habe man früher die schmackhaften Beeren gesammelt und zum Verkauf nach Basel per pedes gebracht.
Das dicke Buch
Konrad Pflugi zeigt viel Herzblut für «sein» Museum. Am Ende eines Besuchs bittet er die Gäste darum, einen Vers mit Tinte ins dicke Buch zu schreiben. Ein paar Tage vor meinem Besuch lese ich aus der Feder einer Rumänin: «Das alles ist so wertvoll — zeigt eine Welt, was nie wieder kommt. Gott segne Sie mit Kraft und Gesundheit.» Museumsbesuch nach Vereinbarung: 061 741 11 18 Weiterführende Literatur: «Himmelried (Kanton Solothurn) Heimatkundliche Beiträge zur 700-Jahr-Feier 1988», Vereinigung «Pro Himmelried». Linard Candreia, Autor und Landrat, schreibt Geschichten fürs Wochenblatt.