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URLAUB IN ODESSA

Redaktion

Wann warst du in Odessa und was hat dich zur Reise veranlasst?

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Klaus Pichler

Ich war im Sommer 2010 in Odessa –zu einer Zeit, als die Maidan-Proteste und die russische Annexion der Krim im Jahr 2014 noch bevorstanden und in Odessa unbeschwerte Sommerstimmung herrschte. Für mich hatte alleine

Redaktion

Wie hast du den Ort und die Menschen wahrgenommen?

Klaus Pichler

Damals war der Alltag in Odessa noch nicht vom Krieg geprägt und es herrschte in den Fußgängerzonen der Altstadt entspannte Sommerstimmung wie in jedem typischen Erholungsort am Meer – volle Sitzgärten der Cafes, Hüpfburgen für die Kinder, Selfies, Eis und Luftballons. An den Stränden ein ähnliches Bild: urlaubende Familien, wie vor aktuell ist, der aber in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg jäh gestoppt wurde. Die Menschen in Odessa waren durchgehend gastfreundlich und hilfsbereit – das habe ich vor allem gemerkt, als ich mir eine Schnittwunde am Fuß zuzog und mit der Rettung ins Spital gebracht werden musste, wo die Wunde genäht wurde. Da haben wirklich alle zusammengeholfen und ich wurde bestens versorgt. Mit dem Anästhesisten von damals bin ich immer noch in Kontakt – er arbeitet mittlerweile immer wieder in Lazaretten im Kriegsgebiet und ich habe den größten Respekt vor seinem Einsatz – dieser Kontakt ist für mich auch eine Motivation, selbst etwas zu machen, denn es ist etwas anderes, wenn der Krieg nicht nur mittels Nachrich- der Name Odessa immer schon einen besonderen Klang und die Stadt war einer der Orte, wo ich unbedingt mal hinwollte. Ich war mit meiner damaligen Freundin dort, wir sind auf gut Glück hingeflogen und haben uns erst vor Ort Unterkünfte organisiert – zuerst am Hauptbahnhof, wo jede Menge Leute herumstanden, die Zimmer oder Wohnungen in der Nähe vermieteten und die man ansprechen konnte. Danach waren wir ein paar Tage in einem nahegelegenen Dorf namens „Kurort Kuyalnik“ – einem Sanatorium an einem Salzsee, an dem die Zeit stehengeblieben schien – und danach wieder ein paar Tage in Odessa. reges Treiben in den Strandbars, Badefreuden. In den anderen Bereichen der Stadt gab es das typische Alltagsleben, wobei ich damals den Eindruck hatte, dass in manchen Bereichen der Gesellschaft der Wohlstand angekommen war, während andere Gruppen unter Armut litten und man gerade der älteren Bevölkerung anmerkte, dass der Alltag von Entbehrungen geprägt war. Ich kenne diese Stimmung aus anderen osteuropäischen Städten der damaligen Zeit, in denen ich damals war, und ich sehe es als Übergangszeit auf dem Weg zu mehr Stabilität und Wohlstand – ein Weg, der in anderen Ländern nach ten zu einem kommt, sondern wenn man direkt mit Menschen in Kontakt ist, die das Grauen erleben und mithelfen, um diesen Angriff auf die Menschlichkeit zu bewältigen.

Redaktion

Was empfindest du angesichts des russischen Angriffskrieges auf die ukrainischen Gebiete?

Klaus Pichler

Es ist eine Mischung aus Trauer, Wut, Ohnmacht und Fassungslosigkeit, wobei je nach den neuesten Nachrichten abwechselnd eines dieser Gefühle die Oberhand gewinnt. Es ist unerträglich, mitansehen zu müssen, wie ein Terrorregime sein Nachbarland überfällt, unvorstellbares Leid verursacht und sich gleichzeitig als Opfer stilisiert –ebenso unerträglich, wie die Tatsache, dass auch Teile der europäischen Ge- die Fotos ein Versuch, das Alltagsleben in Odessa einzufangen und sind insofern auch ein Zeitdokument, weil von der Schwere, die die Bilder bei der jetzigen Betrachtung durchzieht, damals noch nichts zu spüren war. Dadurch sind die Fotos für mich mit einer Mischung aus Trauer, aber auch mit Hoffnung versehen – der Hoffnung, dass die ukrainische Bevölkerung nach dem lichkeiten zu leisten. Die Drucke der Fotos sind eine gute Möglichkeit, nicht nur zum Spenden aufzurufen, sondern auch eine Gegenleistung dafür anbieten zu können. Die Erlöse der Aktion gehen zu 100 % an die Ukraine-Hilfsaktion der Volkshilfe Österreich, die seit vielen Jahren in der Ukraine präsent ist und dort Strukturen aufgebaut hat, die es ermöglichen, humanitäre Hilfe dort anzubieten, wo sie am meisten benötigt wird. Die Fotos der Aktion sind im Format 32 x 48cm und gedruckt auf hochwertigem Hahnemühle Büttenpapier, sie kosten 100 Euro pro Stück, wobei diese 100 Euro direkt an die Volkshilfe weitergehen – alle anderen Kosten (für Druck, Papier und Versand) werden von mir und anderen getragen. sellschaft dieses Narrativ übernehmen und Verständnis für den russischen Terror aufbringen. Gleichzeitig habe ich auch den größten Respekt vor der Resilienz der Ukrainer:innen, die mit großer Entschlossenheit gegen den russischen Angriffskrieg vorgehen und versuchen, sich nicht brechen zu lassen.

Redaktion

Was denkst du, wenn du jetzt auf die Bilder, die du damals in Odessa gemacht hast, blickst?

Klaus Pichler

Ich denke mir oft, wie und was ich damals wohl fotografiert hätte, wenn ich gewusst hätte, was sich 12 Jahre später in der Ukraine ereignen würde. So sind hoffentlich möglichst schnellen

Ende des Krieges wieder zu einer stabilen Normalität und zu ungestörtem Alltagsleben zurückfindet.

Redaktion

Du hast bereits vor Weihnachten eine Benefiz-Aktion für die ukrainische Bevölkerung mit dem Verkauf deiner Fotos organisiert. Zum Start des Sommers wiederholst du sie. Was motiviert dich und wohin gehen die Erlöse des Projekts?

Klaus Pichler

Für mich als Kunstschaffender ist es wichtig, nicht nur inhaltlich Stellung zu beziehen, sondern auch einen humanitären Beitrag im Rahmen meiner Mög-

Das Interview führte Andrea Ruscher vom Wien Museum Magazin. Für die Genehmigung zum Abdruck danken wir herzlich.

Alle Informationen zu Klaus Pichlers Support Ukraine Print Sale und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter klauspichler.net/book/printsale

In diesem Jahr feiert die Stadt Leipzig mit zahllosen Konzerten und Veranstaltungen den 300. Jahrestag von Johann Sebastian Bachs Amtsantritt als Thomaskantor.

Anders, als man das aus heutiger Sicht glauben könnte, war Bach jedoch keinesfalls der Wunschkandidat des Leipziger Rats, sondern vielmehr höchstens

4. Wahl. Der Rat der Stadt Leipzig favorisierte damals den Komponisten und bastian Bach – quasi als „Notlösung“ –zum neuen Thomaskantor. Am 30. Mai 1723 trat er schließlich, begleitet von seiner Frau Anna Magdalena und den Kindern, seinen Dienst in Leipzig an.

Bach hatte es nicht leicht mit den Ansprüchen und Wünschen der Ratsherren. Mal galt seine Musik als zu kompliziert und zu verkünstelt und ausufernd, mal vernachlässigte er angeblich oder tatsächlich seine vertragliche

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