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Peri )Myokarditis
Bettina Heidecker, Robert Manka, Thomas F. Lüscher und Urs Eriksson
Definitition
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Unter Myokarditis versteht man eine Entzündung des Myokards die fulminant, akut, subakut oder chronisch verlaufen kann. Ist das Perikard mitbetroffen spricht man von Perimyokarditis. Führt eine chronische Myokarditis zum Remodeling der Ventrikel und zu funktionellen Einschränkungen spricht man von einer entzündlichen Kardiomyopathie (inflammatory cardiomyopathy; iCM). Unter entzündlicher, dilatativer Kardiomyopathie versteht man einen dilatierten LV mit eingeschränkter systolischer Pumpfunktion mit bioptisch Infiltraten aus Monozyten, Makrophagen und/oder TZellen. Meist ist die Myokarditis bezw. die iDCM (inflammatory dilated cardiomyopathy) Folge einer Infektion, bezw. der dadurch ausgelösten Immunreaktion. Aber auch Medikamente, Impfstoffe, Traumata oder Ischämiebedingte Gewebeschäden können bei genetisch prädisponierten Individuen herzspezifische Autoimmunreaktionen auslösen. Gelegentlich tritt die Myokarditis auch im Rahmen systemischer Autoimmunerkrankungen auf (s. Cooper LT, NEJM 2009;360:1526–38).
Epidemiologie
2.54 Millionen Fälle von Myokarditis und iCM/iDCM wurden 2015 weltweit diagnostiziert (Lancet 2016;388:1545602).
Präsentation und Symptome
In Europa, Kanada und den USA präsentiert sich eine akute Myokarditis meistens 1–3 Wochen nach einem viralen Infekt mit Krankheitsgefühl, Brustschmerzen, Palpitationen und je nach Schweregrad Zeichen der Herzinsuffizienz als Ausdruck einer eingeschränkten links oder rechtsventrikulärern Pumpfunktion. Gelegentlich manifestiert sich die Krankheit primär über Tachy oder Bradyarrhythmien, selten als plötzlicher Herztod.
Unter perakuter oder fulminanter Myokarditis wird eine Verlaufsform, definiert, welche innerhalb von nur 4 Wochen nach Symptombeginn zu einer so schweren Herzinsuffizienz führt, sodass eine medikamentöse oder mechanische Kreislaufunterstützung nötig wird. Die häufigsten Auslöser sind Viren. Fulminante Verläufe finden sich aber auch bei Hypersensitivität und toxischen Reaktion auf Medikamente, sowie oft auch bei der seltenen Riesenzellmyokarditis. Letztere stellt eine eigene histologische Krankheitsentität dar; die Infiltrate enthalten Riesenzellen, ohne die für die Sarkoidose typische Granulombildung. Die fulminante Myokarditis ist auch bei Kindern möglicherweise auf Grund des unreifen Immunsystems gehäuft.
Ursachen
7 Virale Infektion: Enterovirus, insbesondere Coxsackie. Häufig wird in Herzmuskelbiopsien Parvovirus B19 nachgewiesen, deren pathogenetische Rolle ist aber umstritten. Weitere Viren siehe Tabelle 1. 7 Parasiten: Trypanozoma cruzi (Süd und Mittelamerika; Tabelle 1) 7 Medikamente und Drogen (=Hypersensitivität; Tabelle 1):
Häufig zeigt sich histologisch eine eosinophile Myokarditis. Selten kommt es zu einer eosinophilen nekrotisierenden Myokarditis, die eine sehr schlechte Prognose aufweist. 7 Riesenzellmyokarditis: Ursache unklar, wahrscheinlich autoimmun. Die Patienten leiden häufig an anderen Autoimmunkrankheiten, wie Perniziöse Anämie, Autoimmunthyroiditis, oder entzündlichen Darmerkrankungen (Tabelle 1).
Myokarditiskategorien Bakterien
Viren
Parasiten Ursachen Untergruppen
Gram-positive Bakterien Streptokokken, Staphylokokken, Pneumokokken, Meningokokken, Gonocokken, Haemophilus influenza, Corynebacterium diphtheriae,
Mykobakterien Mykoplasmen Andere Mykobacterium tuberculosis Mykoplamsa pneumoniae Brucellen, Spirochaeten (Borrelien, Leptospira; Weil’s Disease)
Enterovirus Parvovirus B19 Adenoviren Herpesviren
Human Immun-deficiency Virus Coxsackie
Ebstein-Barr Virus Cytomegalievirus Humanes Herpesvirus (HHV-6), HHV-7, Hepatitis C Virus
Pilze Trypanozoma cruzi, Echonokokkus, Trichinella spiralis
Aspergillus, Actinomyces, Candida, Cryptokokkus, Nocardia AutoimmunMyokarditis Herzspezifische Autoimmunität, T Zell- oder Autoantikörpervermittelt, oft Virus getriggert Riesenzellmyokarditis Lymphozytäre Myokarditis ohne Virusnachweis Myokarditis bei Autoimmunsystemkrankheiten oder Kollagenosen
Sarkoidose Host-versus-graft rewaction Herztransplantatabstossung
Medikamente
Onkologika
Antibiotika
Diuretika Cyclophosphamid Checkpoint Inhibitors (Atezolizumab, Avelumab, Durvalumab, Nivolumab) Azithromycin Ampicillin Clozapin Hydrochlorothiazid
Myokarditiskategorien
Vasopressiva
Drogen
Metamphetamine Cocain Physikalische Einwirkung Bestrahlung, elektrischer Schock Dobutamin
(modifiziert aus: Caforio et al., European Heart Journal 2013, 34:2636–2648)
Diagnostik
7 Endomyokardbiospie: Obwohl nicht 100% sensitiv, diagnostischer Goldstandard. Die Sensitivität ist höher, wenn mehrere
Biospien entnommen und immunhistochemisch aufgearbeitet werden. Eine entzündliche Kardiopathie darf diagnostiziert werden, falls mindestens 7 CD3 exprimierende TZellen, oder mindestens 14 CD68 exprimierende Monozyten pro Gesichtsfeld nachweisbar sind. Biopsien sollten nicht nur morphologisch, sondern auch molekularbiologisch auf das Vorliegen aktiv replizierender Viren untersucht werden. Da die Myokarditis meist abheilt und die Biopsie ein gewisses Interventionsrisiko aufweist, wird die Indikation üblicherweise sehr streng gestellt. 7 Indikation zur Endomyokardbiopsie: (1) Fulminante Myokarditis, (2) unerklärbare Tachyarrhythmien bei denen ursächlich eine Myokarditis vermutet wird (3) progrediente oder anhaltende
Herzinsuffizienz unklarer Ursache trotz optimaler Herzinsuffizienztherapie nach Ausschluss einer koronaren, valvulären, metabolischen oder genetischen Kardiomyopathie. 7 Labor: Es gibt keine spezifischen oder ausreichend sensitiven
Laborparameter. Troponinwerte sind oft, aber nicht notwendigerweise erhöht. 7 EKG: Variable EKGMuster, weder sensitiv noch spezifisch. Diffuse konkave STT Segment Hebungen (bei Herzinfarkt eher konvex) ohne reziproke Veränderungen, Überleitungsstörungen,
Extrasystolien und Tachyarrhythmien (Abb. 1).
Abbildung 1: EKG bei Myokarditis mit diffusen konkaven ST-segment Erhöhungen und Senkungen ohne reziproke Veränderungen. 7 Echokardiographie: Eingeschränkte Pumpfunktion und regionale Wandbewegungsstörungen. Bei akuter Myokarditis findet sich nicht selten eine eingeschränkte Auswurffraktion bei noch normal grossem Ventrikel mit erhöhter Wanddicke aufgrund von
Infiltraten und Ödembildung.

Abbildung 2: Magnet Resonanz Imaging bei Myokarditis: T1 weighted imaging mit Darstellung eines apikalen und inferioren Late Gadolinium Enhancements (Pfeile)
7 Magnet Resonanz Imaging: Kann die Verdachtsdiagnose
Myokarditis erhärten, obwohl weder absolut spezifisch noch sensitiv. Typisch ist LateGadolinium Enhancement (LGE) aufgrund von Myokardnekrosen; Ödembildung. Zur Lokalisierung einer optimalen Stelle für eine Biopsie umstritten (Abb. 2). 7 Koronarangiographie und Herzkatheteruntersuchung:
Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit, Bestimmung der
Hämodynamik.
Therapie
7 Herzinsuffizienz: Betablocker, ACEHemmer, ggf. Diuretika,
AldosteronrezeptorAntagonisten 7 Fulminante Myokarditis: Inotrope und mechanische Kreislaufunterstützung, (extracorporeal membrane oxygenation oder
ECMO, ventricular assist device oder VAD) in einem Spital mit entsprechender Infrastruktur 7 Tachyarrhythmien: Amiodaron i.v. bei Kammertachykardien.
Bei wiederkehrenden Kammertachykardien ggf. Lifevest®. Ein
Implantable Cardioverter Defibrillator sollte wegen der häufigen
Reversibilität der Arrhythmien eher vermieden werden. 7 Bradyarrhythmien: Bei fulminanter Myokarditis temporäres
Pacing. Falls Schrittmacherimplantationen unumgänglich, muss aufgrund der Entzündung mit schwankenden Reizschwellen und
SensingWerten gerechnet werden. 7 Myokarditis im Rahmen einer systemischen Autoimmunerkrankung (z.B. Sarkoidose oder Vaskulitis): Behandlung der
Grunderkrankung 7 Bei chronisch inflammatorischer Kardiomyopathie (iDCM; >6 Monate, schwer eingeschränkte LV Funktion): Prednison ggf. in Kombination mit Azathioprine oder Cyclosporine falls molekularbiologisch in Biopsien kein Virusnachweis 7 Riesenzellmyokarditis: Prednison und Cyclosporin mit oder ohne MuromonAbCD13. Kann schnell zu kardiogenem
Schock führen. Früher Transport in Zentrum mit Infrastruktur für
ECMO und VAD entscheidend für Prognose. Viele Patienten brauchen im Verlauf trotz optimaler Therapie ein Herztransplantat. Rezidivrate im Transplantat circa 25%
7 Eosinophile nekrotisierende Myokarditis: Kann durch Medikamente wie Sumatriptan getriggert werden: Daher Stoppen des Medikamentes. Steroide in hoher Dosierung. Ursache der
Eosinophilie suchen und wenn identifizierbar entsprechend behandeln. 7 Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Colchizin: Bei
Perikarditis «Stateofthe Art», bei Herzinsuffizienz sind NSAR zu vermeiden.
Verlauf
Bei unkompliziertem Verlauf, das heisst ohne Herzinsuffizienz, oder bei Erholung einer initial eingeschränkten Pumpfunktion sollte kompetitiver Sport für mindestens 3–6 Monate vermieden werden (erhöhtes Risiko für Arrhythmien bei Belastung). Vor Wiederbeginn mit Sport wird ein Belastungstest empfohlen.
Ätiologie der Myokarditis, Caforio et al., European Heart Journal 2013, 34:2636–2648