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Akute tiefe Venenthrombose
Beatrice AmannVesti
Klinik der tiefen Venenthrombose (TVT)
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Schwellung, livide Verfärbung, spontaner und/oder Druckschmerz, Konsistenzerhöhung, verstärkte oberflächliche Venenzeichnung, Überwärmung (Abb. 1); Zunahme der Symptomatik im Stehen; bei >50% Symptomatik sehr diskret (niedrige Sensitivität und Spezifität der klinischen Diagnose).
Abbildung 1: Klinisches Bild einer TVT des Unterschenkels
Diagnostik
7 Bei mittlerem bis hohem klinischen Verdacht auf das Vorliegen einer TVT: Duplexsonographie (auch bei negativem DDimer
Test; Abb. 2). 7 Falls Duplexsonographie nicht sofort verfügbar ist in der Zwischenzeit mit der Antikoagulation bereits beginnen. 7 Bei niedriger klinischer Wahrscheinlichkeit kann der DDimere
Test zum Ausschluss einer TVT verwendet werden, falls er positiv ausfällt muss eine Duplexsonographie durchgeführt werden.
Wells Score1
Punkte Befund/Situation +1 Aktives Malignom +1 Immobilisation durech Gips, Parese, u.a.m. +1 Bettlägrigkeit, OP innert letzten 12 Wochen +1 Schwellung des ganzen Beins +1 US-Schwellung (Differenz > 3 cm) +1 Eindrückbares Oedem +1 Schmerzen entlang der tiefen Venen +1 Prominente Kollateralvenen +1 St.n. TVT -2 Falls alternative Diagnose wahrscheinlicher als TVT Score ≥ 2: Hohes Risiko für TVT | Score ≤ 2: TVT unwahrscheinlich 1 Wells, et al. New England Journal of Medicine 2003;349:1227–1235
Abbildung 2: Duplexbefund bei tiefer Venenthrombose der Vena femoralis communis
Therapie
7 Antikoagulation mit Heparin und Vitamin KAntagonist oder mit
Faktor XHemmern oder Thrombinhemmern (siehe auch Kapitel
«Antikoagulation bei Vorhofflimmern», Seite 166) • Heparin (niedermolekulares Heparin oder unfraktioniertes
Heparin) z.B. 200 E Dalteparin (Fragmin) pro kg Körpergewicht (KG) 1× tgl. s.c., Nadroparin (Fraxiforte) nach KG 0,4–0,9 ml 1× tgl. s.c., Enoxaparin (Clexane) 1 mg = 100 E per kg KG 2mal tgl. s.c. Gleichzeitiger Beginn mit oraler Antikoagulation mit VitaminKAntagonist, Heparin bis der INR an 2 aufeinanderfolgenden Tagen im therapeutischen Bereich (Ziel INR 2–3), aber mindestens 5 Tage oder • Rivaroxaban (Xarelto®): 2× 15 mg p.o. tgl für 3 Wochen, dann 1× 20 mg p.o. (kein Heparin/LMWH initial notwendig) • Dabigatran (Pradaxa®): 2× 150 mg p.o. erwies sich in Studien als wirksam, es ist aber in der Schweiz und der EU nicht dafür zugelassen.
7 Bandagieren des Beines bis proximal des kranialen Thrombusende oder sofort Anpassung eines Kompressionsstrumpfes der
Klasse II. 7 Mobilisierung des Patienten und ambulante Therapie in der Regel möglich. Ausnahmen: Schwere Niereninsuffizienz, Blutungsanamnese, schwere Gerinnungsstörung, kürzliche Operation mit Blutungsgefahr, soziale Gründe oder fehlende Compliance. 7 Kontrolle der Thrombozyten 4–7 Tage nach Beginn der Heparin
Therapie. 7 Kompressionsstrümpfe der Klasse II (in der Regel Unterschenkel
Kompressionsstrumpf) für mindestens 2 Jahre.
Ausnahme
Isolierte UnterschenkelvenenThrombose, die kaum Symptome macht, kann mittels wiederholten Duplexsonographien (über 2 Wochen, alle 2–4 Tage) kontrolliert werden. Bei proximaler Extension des Thrombus Beginn mit Antikoagulation, bei stabilem Befund über 2 Wochen kann auf eine Antikoagulation verzichtet werden (Empfehlung Grad 2 B, vor allem bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko zu erwägen).
Thrombolyse, Thrombektomie bei TVT
Mögliche Verbesserung des Outcomes bei selektionierten Patienten mit iliacofemoralen Venenthrombosen durch kathetertechnische Thrombusentfernung und lokale Lysetherapie (siehe Vasa. 2018 Jan;47(1):56–62).
Dauer der Antikoagulation1
7 Bei reversiblem Risikofaktor (Operation, Immobilisation, Flugreise > 8 Stunden): 3 Monate 7 Erste TVT ohne Risikofaktor: Mindestens 3 Monate 7 RezidivTVT: Länger als 3 Monate 7 Bei Patienten, die eine Langzeitantikoagulation erhalten: Dauer abhängig vom Blutungsrisiko, Allgemeinzustand, Alter etc.).
Periodische Reevaluation der RiskBenefitRatio
1 Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. CHEST 2012;141 (2 suppl):1S01S
7 Katheterassoziierte Thrombophlebitis • NSAR, topisch DiclofenacGel oder HeparinGel 7 Thrombophlebitis (Abb. 3) • Ausdehnung der Thrombose >5 cm: Prophylaktische Dosis eines niedermolekularen Heparins (Empfehlung Grad 2B) für 4 Wochen • Kompression 7 Thrombophlebitiden können auch nur symptomatisch mit oralen oder topischen NSAR behandelt werden, müssen aber duplexsonographisch nachkontrolliert werden (Ausdehnung der
Thrombophlebitis in die Tiefe). 7 Eine Duplexsonographie zur Bestimmung der genauen Ausdehnung der Thrombophlebitis muss obligat durchgeführt werden, da die oberflächlich sichtbare Rötung häufig nicht der Ausdehnung des Thrombus entspricht. Bei 10% findet man eine tiefe
Venenthrombose.

Abbildung 3: Klinisches Bild einer Thrombophlebitis
Therapie der akuten tiefen Venenthrombose der oberen Extremitäten
Bei Patienten mit Thrombose der Vena axillaris oder weiter proximal gelegenen Venen wird die Antikoagulation in gleicher Weise wie bei den unteren Extremitäten empfohlen. 7 Die empfohlene Dauer der Antikoagulation ist ebenfalls 3 Monate. 7 Bisher gibt es keine Studien (und wird es wegen ihrer Seltenheit auch kaum je geben) mit den neuen oralen Antikoagulantien bei
Thrombose der oberen Extremitäten. Aus diesem Grund wird in den ACCP Richtlinien von 2012 (2) die Therapie mit parenteralem
Heparin (niedermolekulares Heparin oder unfraktioniertes Heparin) und gleichzeitigem Beginn mit oraler Antikoagulation mit
Vit.KAntagonisten empfohlen. In Zukunft ist zu erwarten, dass sich im klinischen Alltag auch für diese Indikation die Therapie mit einem der neuen oralen Antikoagulantien durchsetzen wird. 7 Eine Thrombolyse wird nicht generell empfohlen, in speziellen
Fällen mit sehr schweren Symptomen und vertretbarem Blutungsrisiko kann sie aber durchaus durchgeführt werden, wobei wir die lokale Lyse der systemischen Lyse klar vorziehen. 7 Zu beachten ist, dass die Prognose der Armvenenthrombose sehr gut ist und es praktisch nie zur Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms kommt. 7 Ein Kompressionsverband ist, falls überhaupt, meistens nur in den ersten Tagen notwendig, eine länger dauernde Kompression mit einem Armstrumpf ist selten notwendig und wird nicht generell empfohlen.
Thrombose bei liegendem zentralvenösen Katheter (ZVK)
Falls der Katheter noch funktioniert und noch gebraucht wird, muss er nicht entfernt werden. Eine Antikoagulation soll durchgeführt werden solange der Katheter liegt und ab dem Zeitpunkt des Entfernen des Katheters für weitere 3 Monate (Grad 2 B). Bei klar Katheterassoziierter Thrombose muss die Antikoagulation auch bei Patienten mit Malignom nicht länger als 3 Monate erfolgen.