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Antikoagulation bei Vorhofflimmern
Jan Steffel und Thomas F. Lüscher
Risikostratifizierung: CHA2DS2-VASc Score
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Risikofaktor Herzinsuffizienz Hypertonus Alter ≥75 J. Diabetes mellitus St.n. Stroke/TIA Vaskuläre Erkankung Alter 65–74 Weibliches Geschlecht Punkte 1 1 2 1 2 1 1 1
Therapie
7 0 Punkte: Keine blutverdünnende Therapie (auch kein Aspirin!) 7 1 Punkt: Antikoagulation (Klasse IIa), vorzugsweise mit NOAC 7 ≥2 Punkte: Antikoagulation (Klasse I), vorzugsweise mit NOAC 7 Vorhoffflimmern mit Mitralstenose, St.n. Klappenersatz: Vitamin
K Antagonist
Wichtig
7 Ziel INR bei Marcoumar® (Phenprocoumon)
Sintrom® (Acenocoumarol): 2.0–3.0 7 Indikation zur Antikoagulation ist unabhängig von Art des Vorhofflimmerns (paroxysmal vs. persistierend vs. permanent) 7 ESC Guidelines (mit schwächerer Evidenz) gelten für Vorhofflattern (Eur. Heart J. 2016;37: 2893–2962) 7 Kardioversion (elektrisch oder medikamentös):
Vorgängig Antikoagulation während 3 Wochen bis mindestens 4 Wochen (oder TEE Ausschluss von Thrombus) oder NOACs mindestens 4 Stunden von Kardioversion nach TEE (Eur Heart
J. 2014; 35: 3346–55)
7 Bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko und / oder Kontraindikation für eine OAK kann ein perkutaner Vorhofohrverschluss zum Einsatz kommen. 7 Kein Aspirin zur Schlaganfallsprävention bei Vorhofflimmern! (Klasse III Indikation, Hinweis für mehr Schaden als Nutzen)
Zugelassen in den USA, Europa und der Schweiz: Apixaban (Eliquis®), Dabigatran (Pradaxa®). Edoxaban (Lixiana®), Rivaroxaban (Xarelto®). Sie hemmen entweder Faktor X (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) oder Faktor Ii (Thrombin; Dabigatran, Abb. 1)
Abbildung 1: Gerinnungskaskade und Thrombusbildung bei Vorhofflimmern (Modifiziert nach J. Steffel & E. Braunwald, Eur. Heart J. 2011;32:1968-76)
Einsatz Neuer Oraler Antikoagulantien beim Vorhofflimmern
7 Mindestens gleich gute Effizienz im Vergleich zu Vitamin K Antigonisten. Dabigatran 150 mg bid ist bezüglich Stroke Prävention von allen NOACs tendenziell am wirksamsten. 7 Verbesserte Sicherheit: Weniger Hirnblutungen, weniger schwere oder lebensbedrohliche Blutungen im Vergleich zu
VitaminKAntigonisten
7 Bei Vorhofflimmern und Indikation zur Antikoagulation (s.o.) wird grundsätzlich den neuen Antikoagulantien der Vorzug vor VitaminKAntagonisten gegeben (ESC Guidelines Eur. Heart J. 2016;37:2893–2962, Klasse I)
Zu Beachten ist:
7 Malcompliance kann die Wirksamkeit von NOACs erheblich beeinträchtigen (kurze Halbwertzeit, kein Monitoring) – aber: Compliance auch bei VitaminKAntagonisten schlecht! 7 Parallel doppelte Plättchenhemmung bei Patienten mit Vorhofflimmern nach ACS und/oder Stenting): Auch hier ist eine Verwendung der NOACs möglich. Die Kombination Rivaroxaban 15mg oder 2×5mg mit einem P2Y12Hemmer zeigt weniger Blutungen bei diesen Patienten als Triple Antikoagulation mit einem
VitaminKAntagonisten (PIONEER AFPCI NEJM 2016; 375: 2423–2434). Der WOEST Trial ergab mit Clopidogrel und Vitamin
KAntagoisten ohne Aspirin weniger Blutungen bei gleich vielen thrombotischen Ereignissen (Lancet 2013; 381: 11–7–1115). 7 Risiko für gastrointestinale Blutungen etwas erhöht mit Rivaroxaban 20 mg und Dabigatran 2×150 mg. 7 Mittelschwere Niereninsuffizienz → regelmässige Kreatininkontrollen. Kumulationsgefahr bei Dabigatran am grössten (80% renale Elimination). 7 Schwere Niereninsuffizienz: Kaum Daten, weder für NOACs noch für VitaminKAntagonisten. Apixaban und Edoxaban sind wahrscheinlich die besten Optionen. 7 Quantifizierung des antikoagulatorischen Effekts (AntiFaktor
XaAssay) nur zur Beurteilung im Notfall (dringende Operation,
Blutung etc.) – nicht verwendbar zur «Einstellung» in einen Zielbereich! 7 Notfallmanagement bei Überdosierung oder Blutung: • Stop des Medikaments! Vorteil kurze Halbwertzeit → rasche
Elimination • Chirurgische oder manuelle Blutstillung • Schwere/lebensbedrohliche Blutung: Unspezifische Gerinnungshemmung (ProthrombinKomplex). Sorgfältige Abwägung (Blutung vs. prokoagulatorischer Effekt). • Dabigatran: Effizientes Antidot verfügbar (Idarucizumab,
Praxbind®), alternativ Hämodialyse/Hämofiltration.
Prinzip
Die meisten Vorhofthromben sitzen im linken Vorhof (Abb. 2). Entsprechend wurde der perkutane Vorhofohrverschluss als eine Alternative zur oralen Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern und Kontraindikation zur Antikoagulation (Sturzgefahr, Status nach Subduralhämatom oder Hirnblutung, hohes Blutungsrisiko u.a.m.) entwickelt.

Abbildung 2: Thrombus im linken Herzohr im Rahmen einer transoesophagelaen Echokardiographie (llins). Schematische Darstellung des Herzohrs (rechts; T = Thrombus)
Komplikationen und Wirkung
Der Kathetereingriff ist mit einer gewissen Komplikationsrate verbunden (Blutung an der femoralen Einstichstelle, Perikardtamponade bei der transseptalen Punktion oder nach Platzierung des Devices).
Das Schlaganfallrisiko kann durch einen Vorhofverschluss im Vergleich zur Blutverdünnung mit VitaminKAntagonisten reduziert und durch Verhinderung von Blutungskomplikationen das Überleben verbessert werden (JAMA 2014; 312: 1988–1998) Vergleiche mit NOACs, welche ein besseres Sicherheitsprofil als VitaminKAntagonisten haben, liegen allerdings noch nicht vor. Daher empfehlen die ESC Guidelines (Eur. Heart J. 2016;37: Seite 2950) den Vorhofohrverschluss nur bei relativer oder absoluter Kontraindikationen für eine Antikoagulation.