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Diabetes mellitus

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Endokarditis

Endokarditis

Roger Lehmann

Diagnostik

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Blutzuckerkriterien für die Diagnose des Diabetes mellitus Es gibt vier Möglichkeiten einen Diabetes mellitus zu diagnostizieren

7 Plasmaglukose zu einem beliebigen Zeitpunkt ≥11,1 mmol/l (und/oder Symptome des Diabetes mellitus) 7 Plasmaglukose nüchtern (NPG) ≥7 mmol/l (nach >8 Std. Fasten) 7 Plasmaglukose 2 Std. nach oralem Glukosetoleranztest (OGTT) (75 g Glukose): ≥11,1 mM 7 Hämoglobin A1c (HbA1c) ≥6,5% (ein HbA1c von 5,7–6,4% entspricht einem Prädiabetes und hat etwa gleichen Stellenwert wie eine gestörte Nüchternglukose oder einer gestörten Glukosetoleranz. Im Zweifelsfall sollte ein OGTT durchgeführt werden)

Normale Glukosewerte und gestörte Glukosehomöostase1

Nüchtern Plasmaglukose OGTT: 2Std.Wert HbA1c

Normal <5,6 mmol/l <7,8 mmol/l <5,7 Gestörte Nüchternglukose ≥5,6 und – 5,7–6,4 <7,0 mmol/l Gestörte Glukosetoleranz – ≥7,8 und <11,0 mmol/l

Diabetes ≥7,0 mmol/l ≥11,0 mmol/l ≥6,5

Die Diagnose Diabetes mellitus ist an einem anderen Tag zu bestätigen. Eine Hyperglykämie, welche anlässlich von schweren Infektionskrankheiten, Traumen, kardiovaskulären Episoden (Myokardinfarkt, Apoplexie) oder anderen Stressfaktoren entdeckt wird, kann transitorisch sein. Hier ist das HbA1c hilfreich, weil es ein Integral des durchschnittlichen Blutzucker über die letzten 3 Monate darstellt.

Glukosemessung im Vollblut oder Plasma?

Vollblut, welchem Natriumfluorid zugesetzt wird, zeigt einen schnellen initialen Blutzuckerabfall von bis zu 10% bei 20° C. Der nachfolgende Abfall ist langsam. Eine Kühlung und schnelle Zentrifugation verhindert diesen initialen Abfall. Vollblutwerte liegen bei normalem Hämokrit 15% tiefer als Plasmawerte und arterielle Werte sind ca. 7% höher als venöse Werte. Glukose ist im Wasseranteil des Blutes gleichmässig gelöst. Der gemessene Unterschied zwischen Glukose im Plasma und Vollblut beruht auf dem unterschiedlichen Wassergehalt: Erythrozyten (71%) und Plasma (93%). Ein höherer Hämokrit vergrössert dementsprechend den Unterschied, ein tiefer verringert ihn (durchschnittlicher Fehler bei Hämokrit 30–50% = ±3,0%). Zusätzlich ist kapillär entnommenes Blut postprandial etwa 12% höher als venös entnommenes Blut.

Die für die Diagnose eines Diabetes oder einer gestörten Glukosetoleranz gültigen Werte beziehen sich immer auf venöse Plasmawerte. Venöses Plasma ist durchschnittlich 12,4% höher als venöses Vollblut. Heute sind alle Patienten-Blutzuckermessgeräte auf Plasmawerte geeicht. Umrechnung HbA1c in durchschnittlichen Blutzucker2

HbA1c (%) Blutzucker (mM)

6 7,0

8,6 +1,6 10,2 +1,6

9 10 11,8 +1,6 13,4 +1,6

11 15,0 +1,6

12 16,6 +1,6 HbA1c = (Glukose+2,6)/1,6 Glukose = (HbA1c×1,6)−2,6

Glykolisiertes Hämoglobin (HbA1c)

Das HbA1c wird durch den durchschnittlichen Blutzucker der letzten 3–4 Monate bestimmt. Das HbA1c eignet sich hervorragend, um das Risiko, einen Diabetes mellitus oder kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln, abzuschätzen: Ab einem Nüchternzucker von 5,6 mmol/l und ab einem HbA1c von 5,0% beginnt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen stark anzusteigen. Für jedes Prozent, welches das HbA1c über 5% ist, steigt das Risiko füt kardiovaskuläre Ereignisse um 20% und das Mortalitätsrisiko um 24%. 34

Screening für Diabetes mellitus3 Alle Personen >45 Jahre, auch früher im Falle von:

7 Übergewicht (BMI ≥25 kg/m2) 7 Familienanamnese von Diabetes (Eltern oder Geschwister) 7 Körperlicher Inaktivität 7 Rasse/Ethnizität (Schwarze, Latinos, Südostasiaten) 7 Anamnestisch gestörte Nüchternglukose oder Glukosetoleranz 7 Anamnese Schwangerschaftsdiabetes oder Kind ≥4 kg 7 Hypertonie (≥140/90 mmHg) 7 HDL Cholesterin ≤0,9 mmol/l und/oder Triglyceride ≥2,8 mmol/l 7 Polyzystischem Ovar Syndrom 7 Anamnese von Gefässerkrankung (KHK, PAVK,

CarotisStenose, u.a.)

1 American Diabetes Association; Diabetes Care 2012;35:11–13 2 Diabetes Care 2008;31:1473–1478 3 American Diabetes Association; Diabetes Care 2003;Suppl. 1:S21–24

Einteilung des Diabetes nach Ätiologie

I. Diabetes mellitus Typ 1 II. Diabetes mellitus Typ 2 III. Gestationsdiabetetes IV. Spezifische Diabetestypen

Die Bezeichnungen IDDM (Insulindependent Diabetes mellitus) oder juveniler Diabetes, NIDDM (NonInsulindependent Diabetes mellitus) oder Altersdiabetes, tropischer Diabetes oder durch Fehloder Mangelernährung bedingter Diabetes wurden eliminiert.

Typ 1 Diabetes mellitus

Diese Form wurde früher als Jugenddiabetes oder insulinabhängiger Diabetes mellitus (IDDM) bezeichnet. Typ 1 Diabetes tritt jedoch in jedem Lebensalter auf: 50% vor und 50% nach dem 20. Altersjahr. Nach dem 20. Lebensjahr ist diese Form des Diabetes in jeder Lebensdekade mit gleichbleibender Frequenz festzustellen. Die Prävalenz beträgt 0,25 bis 0,3% der Bevölkerung (in der Schweiz: 20 000–25 000 Personen). Patienten mit Typ 1 Diabetes sind meist nicht übergewichtig und weisen kein metabolisches Syndrom auf. Übergewicht schliesst die Diagnose jedoch keineswegs aus.

Pathogenese

Zellulär vermittelte autoimmune βZellzerstörung durch zytotoxische TLymphozyten (Abb. 1); gehäuft sind auch andere Autoimmunkrankheiten wie Autoimmunthyreoiditis (Morbus Basedow oder Hashimoto), Morbus Addison, Vitiligo, perniziöse Anämie usw., was als kombiniertes Autoimmunsyndrom bezeichnet wird.

Diagnostik

7 Fehlen einer Familienanamnese (in 90%) 7 Keine Leitsymptome des metabolischen Syndroms 7 Akuter Beginn (Autoimmunität über Jahre vorbestehend) 7 Nachweis von folgenden Antikörpern in 8085% aller Patienten mit Typ 1 Diabetes • AntiGAD65 • AntiIA2 (insulinoma associated antigen) • AntiZn8 Antikörper • AntiInsulin Antikörper • AntiInselzell Antikörper Es besteht eine HLAAssoziation mit AntiZn8Antikörper HLA DR 3 und 4 sowie HLA B 8 und 15 sowie DQ Genen. Dies ist nur für epidemiologische und grosse Präventionsstudien von Bedeutung.

Abbildung 1: Pathogenese Typ 1 Diabetes

Typ 2 Diabetes ist die häufigste Diabetesform, welche früher als nichtinsulinabhängiger Diabetes mellitus (NIDDM) oder Altersdiabetes bezeichnet wurde. Prävalenz in westlichen Industrienationen: 6–10% (in der Schweiz 5,7–6,4%; das heisst ca. 500 000 Personen, stark abhängig vom Grad des Übergewichtes und von körperlicher Inaktivität.

Pathogenese Insulinresistenz und Insulinsekretionsdefekt

Beide Zustände können bei bestimmten Subgruppen vorherrschend sein. Bei Diagnosestellung sind jedoch immer beide Defekte vorhanden. Zu Beginn der Krankheit brauchen Patienten mit einem Typ 2 Diabetes kein Insulin zur Verbesserung der Blutzuckereinstellung. Die meisten Patienten mit Typ 2 Diabetes sind übergewichtig (90%). Normalgewichtige Patienten mit Typ 2 Diabetes weisen meist eine zentrale Fettverteilung auf. Eine Ketoazidose tritt bei dieser Diabetesform nicht auf, es sei denn unter extremsten Stressbedingungen (Verbrennungen, Sepsis, usw.).

Zunehmendes Risiko für Typ 2 Diabetes

7 Zunehmendes Alter (Inzidenzmaximum jenseits des 60. Altersjahres) 7 Adipositas 7 Fehlende körperliche Aktivität 7 Metabolisches Syndrom 7 Starke genetische Komponente

Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2

Übergewicht, Inaktivität oder «Gene» «Gene»

Insulinresistenz

Lipotoxizität

Freie Fettsäuren Normoglykämie, Hyperinsulinämie

gestörte Glukosehomöostase

Diabetes Mellitus Typ 2

InsulinSekretionsstörung

Glukotoxizität

Hyperglykämie

Falls ein Elternteil einen Typ 2 Diabetes aufweist, beträgt das Diabetesrisiko für Nachkommen 30–50% (bei Typ 1 Diabetes lediglich 3–6%) und falls beide Eltern einen Typ 2 Diabetes aufweisen, steigt das Risiko auf 70%.

Gestationsdiabetes

Definition

Gestationsdiabetes = Glukosetoleranz und/oder Diabetes, welche erstmals während der Schwangerschaft diagnostiziert wird und zwar unabhängig von der Behandlungsmodalität. Falls ein Diabetes bei der ersten Schwangerschaftskontrolle in der Frühschwangerschaft mit den üblichen Diabeteskriterien diagnostiziert werden kann (Nüchternplasmaglukose (NPG) ≥7,0 mN oder HbA1c ≥6,5% oder ein Random Zucker ≥11,1 mmol/l ), spricht man von einem vorbestehenden Diabetes, da normalerweise Nüchtern und postprandiale Blutzuckerwerte in der frühen Schwangerschaft (erstes Trimester und erste Hälfte des zweiten Trimesters) tiefer sind als bei nichtschwangeren Frauen.

Diagnose

Alle Frauen sollten zwischen der 24.–28. Schwangerschaftswoche (SSW) mit einem 75g OGTT getestet werden. Bei Frauen mit erhöhtem Risiko sollte schon in der Frühschwangerschaft die NPG bestimmt werden. Liegt sie ≥5,1 mM besteht ein Schwangerschaftsdiabetes, andernfalls muss in der 24.–28. SSW ein OGTT durchgeführt werden.

Ein oder mehr Werte pathologisch beim OGTT

Zeitpunkt Nüchtern 1 Stunde 2 Stunden Venöse Plasmaglukosewerte ≥5,1 mmol/l ≥10,0 mmol/l ≥8,5 mmol/l

Auf den 2 Stunden Wert kann bei europäischer Herkunft verzichtet werden (Sensitivität 93%); ist der NPG <4,4 mN ist die Wahrscheinlichkeit eines Gestationsdiabetes sehr gering und es kann auf OGTT verzichtet werden (Surbek D, Schweiz. Med. Forum 2011; 11: 965–966)

a) Genetischer Defekt der βZellfunktion:

MODY (maturity onset diabetes of the young) und mitochondrialer Diabetes (zusammen 4–6% aller Diabetesformen) liegen vor bei einer positiven Diabetesanamnese über 3 Generationen, speziell wenn andere Aspekte des metabolischen Syndroms fehlen und der Diabetes vor dem 25.–35. Lebensjahr diagnostiziert wird. Beim MODY 2 Diabetes ist lediglich die Nüchternglukose erhöht, die postprandialen Werte fast normal und das

HbA1c selten >7%. Meist treten keine Komplikationen auf (Diagnose beim Testen für Gestationsdiabetes). Bei den übrigen

Formen des MODY besteht fast immer ein Insulinsekretionsdefekt und die postprandialen Werte sind stark erhöht. Die MODY

Typ 1 und Typ 3 sprechen initial gut auf Sulfonylharnstoffe an.

Der Typ 2 und 3 sind die häufigsten Formen, bei Typ 5 treten noch Nierenzysten auf.

MODY 1: Hepatocyte nuclear factor (HNF)4αMutation

MODY 2: GlukokinaseMutation

MODY 3: HNF1αMutation

MODY 4: IPT1Mutation

MODY 5: HNF1βMutation

MODY 6: NeuroD1/β2Mutation

Der mitochondriale Diabetes wird durch die Mutter vererbt und häufig treten eine Innenohrschwerhörigkeit oder Reizleitungsstörungen am Herzen auf. b) Erkrankungen des exokrinen Pankreas (chronische Pankreatitis, zystische Fibrose, Hämochromatose, fibrokalkulöse Pankreopathie, Neoplasien u.a.m.). c) Endokrinopathien (Akromegalie, CushingSyndrom, Glukagonom, Phäochromozytom, ConnSyndrom u.a.m.). d) Medikamenten induziert (Steroide, Proteaseinhibitoren, Pentamidin, Nikotinsäure, Diazoxid, Thiazide u.a.m.). e) Genetischer Defekt in der Insulinwirkung [Typ A Insulinresistenz (mit Acanthosis nigricans), Leprechaunismus, RabsonMendenhallSyndrom: Insulinrezeptordefekt, lipoatropher Diabetes u.a.m.]. f) Infektionen (kongenitale Röteln, Masern, Coxsackie, CytomegalieVirus).

g) Seltene Formen von immunogenem Diabetes (StiffmanSyndrom, AntiInsulinRezeptorAntikörper u.a.m.). h) Andere genetische Syndrome, welche mit einem Diabetes assoziiert sind (Trisomie 21, KlinefelterSyndrom, Turner Syndrom, myotone Dystrophie u.a.m.). Die Formen von a) bis d) umfassen ca. 5–7% aller Diabetesformen. Die übrigen spezifischen Diabetesformen sind viel seltener.

Therapierichtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie 2016 zum Management des Typ 2 Diabetes

Pharmakologische Therapie des Typ 2 Diabetes mellitus

In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es bei der Behandlung des Typ 2 Diabetes mellitus viele Veränderungen: von einem typischen Stufenschema bis zu einem Schema, welches Metformin als Erstlinienmedikament vorsieht und zu dem dann alle verfügbaren anderen Medikamente unter Berücksichtigung ihres Wirkmechanismus und Nebenwirkungen dazugegeben werden können. Auch die Zielwerte haben sich verändert und zwar von einem universellen HbA1c Ziel zu einem individuellen HbA1c Zielwert, welcher verschiedene Faktoren berücksichtigt. Innerhalb der letzten 2 Jahre wurde die Substanzklasse der SGLT2Hemmer neu eingeführt und die Resultate einiger kardiovaskulärer Endpunktstudien bei Diabetes veröffentlicht. Diese neue Substanzgruppe und die kardiovaskulären Endpunktstudien haben noch nicht in die Empfehlungen der European Association for the Study of Diabetes (EASD) oder der American Diabetes Association (ADA) Eingang gefunden. Die kanadischen Richtlinien wurden bereits 2016 angepasst, aber die neuesten Resultate von kardiovaskulären Endpunktstudien noch nicht berücksichtigt. Deshalb hat es sich die SGED zur Aufgabe gemacht, eine einfache, praktische Empfehlung zu erarbeiten, um die Übersicht bei der grossen Fülle von Diabetesmedikamenten zu vereinfachen. Dabei sollen alle Antidiabetika eingeschlossen werden, welche von klinischer Bedeutung sind (Nischenprodukte mit einem VolumenMarktanteil von <2–5% wurden der Einfachheit halber nur bedingt oder nicht berücksichtigt, Quelle: NIAD Markt DoT 2015). Anhand von klinisch wichtigen Faktoren und Prioritäten soll die

Medikamentenauswahl mit Hilfe eines einfachen Algorithmus/ Flussdiagramms getroffen werden.

Ziele der Blutzuckerkontrolle

Mehrere kontrollierte Studien bei Typ 1 und Typ 2 Diabetes mellitus haben zur Etablierung von Zielen bei der Blutzuckereinstellung beigetragen. Diese resultieren in einer Prävention oder Reduktion von Langzeitkomplikationen. Eine Metanalyse der bisherigen klassischen grossen Studien bei Typ 2 Diabetes mellitus wie UKPDS, ADVANCE, ACCORD und VADT, bei welchen durch Randomisierung in eine intensiv und konventionell behandelte Gruppe unterschiedliche HbA1c Werte erreicht wurden, zeigte eine signifikant tiefere Inzidenz von mikrooder makrovaskulären Ereignissen in der intensiv behandelten Gruppe. Die Mortalität hingegen konnte nicht gesenkt werden. Bei all diesen Studien wurden meist ältere orale Antidiabetika (Metformin, Sulfonylharnstoffe, Glitazone) oder Insulin getestet. Deshalb waren alle auf die kardiovaskulären Endpunktstudien der neuen Medikamente gespannt, welche von der FDA ab 2008 zwingend vorgeschrieben sind. Bisher sind drei Studien mit Dipeptidylpeptidase4 (DPP4)Hemmern und eine Studie mit einem kurzwirksamen Glukagonlike Peptid1 (GLP1) Rezeptoragonisten vorgestellt worden, welche alle vergleichbare Ergebnis zeigten: Keine Beeinflussung der makrovaskulären Komplikationen oder der Mortalität, aber auch keine zusätzliche Gefährdung der Patienten durch unerwünschte Wirkungen. Empagliflozin, ein Sodiumdependent Glucose Transporter2 (SGLT2)Hemmer, und Liraglutid, ein langwirksamer GLP1 Rezeptor Agonist, reduzierten bei Patienten mit etablierter koronarer Herzkrankheit oder hohem kardiovaskulären Risiko den kombinierten Endpunkt von kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Herzinfarkt und Apoplexie um 14%, respektive 13%. Dies wurde begleitet durch eine multifaktorielle, positive Beeinflussung von HbA1c, tieferem Blutdruck und Gewicht, Erhöhung von HDLCholesterin und leichte Reduktion der Triglyzeride oder LDLCholesterin, ohne dass es zu vermehrten Hypoglykämien kam. Die erstaunlichsten Resultate sind die Reduktion von kardiovaskulärem Tod um 38%, respektive 22%, und die Verringerung der Gesamtsterblichkeit um 32%, respektive 15%.

Auswahl blutzuckersenkender Massnahmen

Da es sich beim Typ 2 Diabetes mellitus um eine progrediente Erkrankung handelt, folgt die Behandlungsstrategie zur Erreichung der individuellen HbA1cZiele keinem starren Behandlungsschema, sondern wird regelmässig individuell auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten. Dabei ist einerseits auf die Wünsche des Patienten und den Grad seiner Motivation einzugehen, andererseits auf klinische Parameter und die Präferenzen des Arztes. Wesentlich bei der Wahl der blutzuckersenkenden Therapiemassnahmen ist daher auch grundsätzlich der Einbezug der Patienten im Entscheidungsprozess. Patientenpräferenzen haben nicht zuletzt einen deutlichen Einfluss auf die Therapieadhärenz (Tabelle 1).

Lebensstilmassnahmen: Lifestyle-Modifikation

Bei vielen Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus kann unmittelbar nach der Diagnose mit LifestyleVeränderungen (mehr Bewegung, Kalorienrestriktion und einem Körpergewichtsverlust von einigen Kilogramm) eine deutliche HbA1c Senkung bis zu 2% erreicht werden (dies wurde in der UKPDS vor Randomisierung über 3 Monate erreicht). Für Patienten mit Diabetes wirkt es häufig sehr motivierend, dass der Blutzucker auch ohne Medikamente nur durch gesunde Ernährung und erhöhte körperliche Aktivität deutlich gesenkt werden kann. Die LifestyleModifikation verbessert nicht nur die Blutzuckereinstellung, sondern wirkt sich auch günstig auf die bei diesen Patienten gehäuft vorhandenen kardiovaskulären Risikofaktoren (Hypertonie, Dyslipidämie) aus. Deshalb ist ein initialer Versuch über 3 Monate mit Lifestyle bei motivierten Patienten unbedingt zu befürworten, bevor Medikamente eingesetzt werden. Da die Umsetzung solcher Empfehlungen oft schwierig ist, empfehlen wir umfassende Programme zur konservativen Gewichtsreduktion und zur Förderung der körperlichen Aktivität. Die unterschiedlichen Massnahmen zur LifestyleModifikation bewirken allerdings nur bei 10–20% aller Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus eine länger andauernde adäquate Blutzuckerkontrolle. Deshalb ist rechtzeitig eine zusätzliche medikamentöse Therapie einzuleiten. Auch im späteren Verlauf bleiben die LifestyleAspekte ein wesentliches Therapieziel, welches wiederholt aufgegriffen werden muss. Die Motivation des Patienten, bzw. seine Schwierigkeiten mit den empfohlenen Massnahmen sind ebenso ein Ziel der Betreuung. Eine angemessene und kompetente DiabetesInstruktion ist daher sicherzustellen.

Medikamente zur Blutzuckersenkung

Wenn mittels Lebensstilinterventionen keine Blutzuckereinstellung im definierten Zielbereich erreicht werden kann, ist eine medikamentöse Therapie indiziert. Grundsätzlich sollte bei Therapieanpassungen nach 3 Monaten der ZielHbA1c erreicht sein, andernfalls ist eine Dosisanpassung oder die Gabe eines zusätzlichen blutzuckersenkenden Präparats vorzunehmen. Bei starken Hyperglykämien (d.h. einem HbA1c ≥8.5%) sind Doppelkombinationen früh zu prüfen. Eine frühe Kombinationstherapie wird bevorzugt, da durch niedrigere Dosierung Nebenwirkungen reduziert werden können (z.B. Metformin) und die sogenannte «Behandlungsträgheit» (Clinical Inertia) abgeschwächt wird. Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei der Kombination mehrerer Medikamente (inklusive Insulin), Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkmechanismen genutzt werden sollten. Die gleichzeitige Verabreichung von Präparaten mit ähnlichen Wirkmechanismen (z.B. DPP4 Hemmern und GLP1 Rezeptor Agonisten oder Sulfonylharnstoffe und Glinide) ist aktuell wissenschaftlich nicht getestet, macht pathophysiologisch keinen Sinn, und wird deshalb nicht empfohlen.

Die heute in der Schweiz am häufigsten eingesetzten blutzuckersenkenden Wirkstoffgruppen und ihre Wirkmechanismen:

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Wirkmechanismen der Antidiabetika basierend auf den pathophysiologischen Abnormitäten (adaptiert nach Inzucchi SE, Sherwin RS in: Cecil Medicine 2011)

Aufgrund der folgender Präferenzen sowie klinischer Parameter sollte die Wahl der geeigneten Antidiabetika individuell erfolgen:

Patienten/Arztpräferenzen (nicht abschliessend) Klinische Parameter (nicht abschliessend)

Senkung miko- und makrovaskuläres Risiko, Sendkung Mortalität

Vorhandensein kardiovaskuläre Erkrankungen Vermeidung von Hypoglykämien Niereninsuffizienz Gewichtsneutralität oder -abnahme Herzinsuffizienz Art der Applikation (oral, Injektion) Symptomatische Hyperglykämie Relative HbA1c-Senkung Multimorbidität / Lebenserwartung Schwere der Nebenwirkungen Alter Kosten Leberinsuffizienz Rückerstattung durch die Krankenkasse Diabetesdauer

Die Wahl des geeigneten Antidiabetikums beruht zudem auf den spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Wirkstoffklasse in Bezug auf die in Tabelle 1 genannten Kriterien: 7 Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen innert weniger

Jahre: Die Langzeitresultate der UKPDS Studie zeigten eine

Senkung der Mortalität nach ca. 17 Jahren (Legacy Effect). In einer viel kürzeren Zeitspanne konnten bisher nur Empagliflozin und Liraglutid eine Senkung der Mortalität erreichen (kardiovaskuläre Endpunktstudien anderer SGLT2Hemmer oder GLP1

RA folgen in den nächsten Jahren). 7 Senkung von makrovaskulären Ereignissen: Evidenz hierfür gibt es für Metformin, Insulin (bei Typ 1 Diabetes), GLP1 RA und

SGLT2Hemmer]. 7 Senkung von mikrovaskulären Ereignissen: Gezeigt wurde dies für Sulfonylharnstoffe (u.a. Gliclazid), Metformin, Insulin und die neueren Wirkstoffklassen SGLT2Hemmer und GLP1 RA. Die

Analyse der Nierendaten hat in der EMPAREG zu einer signifikanten 44% Reduktion des kombinierten Endpunktes (Makroalbuminurie, Verdopplung SerumKreatinin, Dialyse oder Tod infolge der Nierenerkrankung) geführt und in der LEADER Studie zu einer 22% Reduktion. 7 Dabei ist zu beachten, dass ein Klasseneffekt bisher nicht beweisen ist und diese Empfehlungen heute lediglich für Empaglifozin (SGLT2 Hemmer) und Liraglutid (GLP1 RA) gelten. Zukünftige kardiovaskuläre Studien werden zeigen, ob dies auch für die anderen Vertreter der gleichen Substanzgruppe gilt. 44

7 Effektivität (relative HbA1c-Reduktion): Bei einer grossen Differenz zwischen aktuellem HbA1cWert und dem individuellen

Zielwert ist eine möglichst hohe Effektivität erwünscht, um das

HbA1cZiel zu erreichen (alle Antidiabetika haben eine ähnliche

Potenz, mit Ausnahme von Insulin und langwirksamen GLP1

RA, die eine starke HbA1c Senkung bewirken). Bei hohen HbA1c

Ausgangswerten haben alle Antidiabetika eine höhere Potenz insbesondere aber die SGLT2 Hemmer (Tabelle 2). 7 Berücksichtigung von Kontraindikationen: • Bei Niereninsuffizienz ist der Medikamenteneinsatz in Abhängigkeit von der eGFR zu wählen. Bei einer eGFR<30 ml/Min. ist der Einsatz von Metformin, GLP1 RA und SGLT2Hemmern nicht empfohlen. Bei einer eGFR<30 ml/Min. muss beim Einsatz von DPP4 Hemmern die Dosis angepasst werden (nicht notwendig bei Linagliptin) und können mit Ausnahme von Saxagliptin (bis eGFR 15 ml/Min.) bis zur Dialyse verwendet werden. • Bei einer GFR <60 ml/Min. sollten keine langwirksamen Sulfonylharnstoffe eingesetzt werden (Glimapirid und Glibenclamid). Das einzige Mittel dieser Klasse, welches bei einer eGFR <30 ml/Min. eingesetzt werden kann ist Repaglinid. 7 Vermeidung von Hypoglykämien: Auf Insulin (sofern nicht notwendig) und langwirksame Sulfonylharnstoffe wird verzichtet, allenfalls kann Gliclazid oder ein Glinid eingesetzt werden, welche ein tieferes Risiko für Hypoglykämien aufweisen. Die anderen Medikamentengruppen verursachen keine Hypoglykämien. 7 Vermeidung der Gewichtszunahme: Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, ist auf Glitazone und Sulfonylharnstoffe zu verzichten. Der Einsatz von Insulin erfolgt, sofern klinisch als notwendig erachtet. 7 Administration der Medikamente: GLP1 Rezeptoragonist und

Insulin werden mittels Injektion appliziert. Alle anderen blutzuckersenkenden Wirkstoffklassen werden oral verabreicht. 7 Kosten: Metformin, langwirksame Sulfonylharnstoffe und geringe Insulinmengen (<20 E) sind in Bezug auf die Tageskosten günstig. Mittlere Insulindosen (2040 E) verursachen moderate

Medikamentenkosten, vergleichbar mit DPP4Hemmern und

SGLT2Hemmern. Hohe Dosen Insulin (>40 E) verursachen hohe Medikamentenkosten und GLP1 RA sehr hohe Tageskos

ten. Neuere Analoginsuline sind teurer als Human und NPHInsuline, verursachen aber auch weniger Hypoglykämien. Es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass gewisse

Kombinationen zwar vernünftig sind und zugelassen sind, aber nicht von den Krankenkassen rückerstattet werden (Bsp. SGLT2Hemmer in Kombination mit GLP1 Rezeptoragonist sowie in

Kombination mit den meisten DPP4Hemmer (mit Ausnahme von Dapagliflozin) (siehe Fachinformationen). In diesen Fällen muss eine Kostengutsprache erfolgen. Aus Erfahrung ändert sich die Kostenrückerstattung von Zeit zu Zeit und wird der jeweiligen Datenlage und den Bedürfnissen angepasst. Es ist daher anzunehmen, dass unter Berücksichtigung der guten

Datenlage und den nachgewiesenen Vorteilen, auch diese Kombinationen in Zukunft rückerstattet werden. 7 Medikamente mit Marktanteil <5%: Unter diese Medikamente fallen die AlphaGlukosidasehemmer, welche wegen den ausgeprägten gastrointestinalen Nebenwirkungen (Flatulenz,

Durchfall) und der begrenzten Wirkung in der Schweiz praktisch nicht eingesetzt werden. Die Glinide (Repaglinid und Nateglinid) teilen den Wirkmechanismus mit den Sulfonylharnstoffen, haben aber eine viel kürzere Halbwertszeit. Dies führt dazu, dass sie 2–3mal täglich eingenommen werden müssen, was

Patienten nicht schätzen. Ein potentieller Vorteil besteht darin, dass Repaglinid bis zur Dialyse eingesetzt werden könnte.

Diese Gruppe wird durch die Sulfonylharnstoffe ersetzt, wobei in dieser Gruppe praktisch nur Gliclazid mit einer kürzeren Halbwertszeit und weniger Hypoglykämien zum Einsatz kommt. Das einzige in der Schweiz noch verfügbare Glitazon, Pioglitazon, wurde wegen des tiefen Marktanteils und den vielen potentiellen

Nebenwirkungen nicht berücksichtigt (starke Gewichtszunahme, Neigung zu Ödemen und Osteoporose). Darüber hinaus darf es gemäss Arzneimittelkompendium wegen des potentiellen Blasenkrebsrisikos maximal 2 Jahre eingesetzt werden, falls die Vorteile die potentiellen Nachteile klar übertreffen.

Die Eigenschaften der verschiedenen Wirkstoffklassen in Bezug auf die wesentlichen, fallspezifisch zu berücksichtigenden Kriterien:

Wirkstoffklasse Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen Relative HbA1cSenkung (Effektivität) Einsatz Niereninsuffizienz (eGFR <45 / <30 ml/min) Hypoglykämierisiko Effekt auf Körpergewicht Applikation Tageskosten

Metformin ↓ (Langzeit) ↓ +/− ↔ ↓ oral $ SGLT-2 ↓↓ ↓–↓↓ +/− ↔ ↓↓ oral $$ Hemmer GLP-1 R ↓↓ ↓↓(↓) +/− ↔ ↓↓↓ Injektion $$$ Agonisten DPP-4 ↔ ↓ +/+ ↔ ↔ oral $$ Hemmer Insulin ↔ ↓↓↓ + /+ ↑ ↑ ↑ ↑ Injektion $–$$ (i.d.R. (Art/ basal) Dosis) Sulfonyl- ↔ ↓ −/− ↑ ↑ oral $ harnstoffe

Initiale Therapie

Bei Personen mit einer Neudiagnose des Diabetes mellitus Typ 2 und einem HbA1c <8.5% soll, falls mit Lebensstilmassnahmen alleine innert 3 Monaten die individuellen HbA1cZiele nicht erreicht werden, die medikamentöse Therapie mit Metformin begonnen werden. Metformin soll aufgrund der gastrointestinalen Nebenwirkungen einschleichend dosiert werden. Liegt der initiale HbA1cWert ≥8.5%, wird üblicherweise mit den Lebensstilmassnahmen eine medikamentöse Therapie eingeleitet. Es gilt aber zu beachten, dass Veränderungen der Ernährung und eine regelmässige körperliche Aktivität auch bei HbA1cWerten ≥8.5% zum Ziel führen können. Personen mit symptomatischer Hyperglykämie oder metabolischer Dekompensation sollten initial mit Insulin mit oder ohne Metformin behandelt werden. Bei Monotherapie ist Metformin aufgrund der Vorgaben der Krankenkassen der Wirkstoff der Wahl. Frühe Kombinationstherapien – niedrigere Dosierungen von Metformin bei gleichzeitiger Gabe eines zweiten Wirkstoffes inkl. Insulin – sind früh zu prüfen, da dadurch eine bessere Blut

zuckereinstellung bei weniger Nebenwirkungen von Metformin erreicht werden kann und darüber hinaus kurzfristig makrovaskuläre Ereignisse verhindert werden können. Die Wahl der Therapie ergibt sich aus der Beantwortung von vier klinischen Fragen: 7 Besteht ein Insulinmangel? 7 Ist die Nierenfunktion stark eingeschränkt? 7 Besteht eine kardiovaskuläre Erkrankung? 7 Besteht eine Herzinsuffizienz oder möchte man die Entwicklung einer Herzinsuffizienz vorbeugen? Aufgrund des folgenden Flussdiagrammes kann die beste Therapie für den jeweiligen Patienten gewählt werden (Abb. 3):

1. InsulinMangel Basalinsulin Mischinsulin

Basalinsulin + GLP1 RA (Xultophy®) oder Basis Bolus

2. eGFR <30 ml/Min.? 3. Kardiovaskuläre Erkrankungen 4. Herzinsuffizienz

Ja Nein

DPP4Hemmer

Basalinsulin Metformin + SGLT2 H.

+ DPP4 H. od. Gliclazid od. Basalinsulin Metformin + GLP1 RA Metformin + SGLT2 H. oder Metformin + GLP1 RA oder Metformin + DPP4 H.

Gliclazid od. Basalinsulin + Gliclazid od. Basalinsulin Metformin + SGLT2 H.

+DPP4H.

Basalinsulin

Abbildung 3: Schweizerische Empfehlungen 2016, erstellt durch R. Lehmann, Vorsitzender der Arbeitsgruppe. 48

Limitierende Faktoren bei der Therapiewahl

Die Niereninsuffizienz ist der wichtigste limitierende Faktor. Weitere Faktoren, bei denen bestimmten Medikamenten der Vorrang gegeben wird, sind Herzinsuffizienz und Insulinmangel (lange Diabetesdauer und kein Ansprechen auf orale Antidiabetika). Bei Patienten mit einer Nierenfunktion eGFR <30 ml/Min. wird die orale Therapie stark eingeschränkt und es kommen praktisch nur noch DPP4 Hemmer in Frage. Bei den meisten DPP4 Hemmern (mit Ausnahme von Linagliptin) muss die Dosis der Nierenfunktion angepasst werden. Bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz hat Empagliflozin erstmals eine Mortalitätsreduktion gezeigt. Ein Insulinmangel kann bei sehr langer Diabetesdauer und bei symptomatischer Hyperglykämie mit metabolischer Dekompensation vermutet werden. Manchmal ist auch die Diagnose Typ 2 Diabetes falsch und es handelt sich um einen Typ 1 Diabetes oder einen spezifischen Diabetes. Hier sollte immer zuerst Insulin eingesetzt werden. Im Verlauf können andere Antidiabetika zusätzlich eingesetzt werden oder evtl. Insulin wieder abgesetzt werden, wenn sicher ein Typ 2 Diabetes vorliegt.

SGLT-2 Hemmer (Empagliflozin) und GLP-1 RA (Liraglutid) sind nephroprotektiv und wirken gerade bei einer eGFR <60, aber > 30 ml/Min. am besten, wobei die blutzuckersenkende Wirkung von SGLT-2 Hemmern mit abnehmender Nierenfunktion sinkt (zu beachten ist, dass die Zulassung den Resultaten aus Studien hinterherhinkt).

eGFR↓ (<45/<30) Herzinsuffizienz Insulinmangel SGLT2 Hemmerº Metformin* GLP1 RAº DPP4 Hemmer

Insulin Sulfonylharnstoffe +/− +/− +/− +/+ +/+ −/−

symptomanische Hyperglykämie + Metabolische Dekompensation • Polyurie • Polydispsie • Gewichtsverlust • Volumen Depletion → Insulin

° Nephroprotektiv * GFR <45 aber >30 ml/Min.: Keine neue Verschreibung, halbe Dosis, enge Überwachung & Saxagliptin

Allgemeine, zusammenfassende Prinzipien bei der Anwendung dieser Empfehlungen*

1. Festlegen des individuellen HbA1c Zielwertes: 6.0–8.0 (8.5%). 2. Festlegen der Patientenund ArztPräferenzen (Tabelle 1) . 3. Festlegen der medikamentösen Therapie unter Berücksichtigung wichtiger klinischer Parameter (Tabelle 1). 4. Bei Vorliegen einer kardiovaskulären Erkrankung werden aufgrund der aktuellen Datenlage Empagliflozin (SGLT2 Hemmer) und Liraglutid (GLP1 RA) bevorzugt. 5. Bei Niereninsuffizienz (eGFR <30 ml/Min.) wird die Wahl der

Antidiabetika stark eingeschränkt: Insulin und DPP4 Hemmer.

6. Bei sehr hohem HbA1c und unklarer Diabetesdiagnose ist Insulin nie falsch, sondern eine gute Wahl. Häufig kann nach initialer

Rekompensation Insulin wieder durch orale Antidiabetika oder

GLP1 RA ersetzt werden. 7 Einsatz von GLP1 RA nur bei BMI >28 kg/m2 indiziert und von den Krankenkassen übernommen. 7 Unter Einsatz von DPP4Hemmer (sofern diese noch wirksam sind, d.h. genügend endogenes Insulin vorhanden ist) ungenügende Blutzuckersenkung: Ersatz durch langwirksame GLP1

RA (sofern BMI >28 kg/m2). 7 Kombinierter Einsatz von DPP4Hemmer und GLP1 RA bringt aufgrund gleichen Wirkungsprinzips keinen Nutzen, aber erhöhte Kosten. Die GLP1 RA werden nicht durch das Enzym

DPP4 abgebaut (DPP4 Hemmer sind in diesem Fall nutzlos).

Falls DPP4Hemmer nicht mehr wirksam sind: Ersatz durch

SGLT2Hemmer, da die Wirkung insulinunabhängig ist oder

Einsatz eines Basalinsulins. 7 Einsatz von GLP1 RA bei eGFR<30 ml/Min. nicht empfohlen (aufgrund von LEADERStudie aber keine negativen Wirkungen). 7 Einsatz von DPP4Hemmer bei eGFR<30 ml/Min. erfordert bei fast allen Wirkstoffen dieser Gruppe (ausser Linagliptin) eine

Dosisanpassung. 7 Einsatz von SGLT2Hemmer bei eGFR <30 ml/Min. nicht empfohlen. Mit abnehmender Nierenfunktion nimmt auch die blutzuckersenkende Wirkung ab, die positiven Wirkungen auf Erhaltung der Nierenfunktion und Reduktion von kardiovaskulären

Ereignissen und Mortalität bleibt aber bis zu einer eGFR von 30 ml/Min. erhalten (EMPAREG). 7 Unter Einsatz von Gliclazid ungenügende Blutzuckersenkung:

Ersatz durch Basal oder prandiales Insulin (Nebenwirkung: etwas mehr Gewichtszunahme, höheres Hypoglykämierisiko).

Kombination von Gliclazid und Insulin wegen erhöhtem

Hypoglykämierisiko nach Möglichkeit vermeiden.

Bei Patienten mit fortgeschrittener, schwerer Lebererkrankung: ist Insulin die unbedenklichste Substanz. Zudem gibt es nur für ganz wenige Substanzen gute Daten für den Einsatz bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz. 7 Für Patienten ohne eine kardiovaskuläre Erkrankung oder einer

Niereninsuffizienz, welche mit älteren Diabetesmedikamenten behandelt sind (z.B. mit einem mittelang wirksamen Sulfonylharnstoff wie Gliclazid) und das HbA1c im Zielbereich liegt ohne

Auftreten von Hypoglykämien, gibt es keinen Grund die besehende Therapie mit neueren Medikamenten zu ersetzen.

Abschliessende Bemerkungen

7 Alle Bestrebungen unternehmen, HbA1cWerte nahe des individuell festzulegenden HbA1cZielwerts zu erreichen und aufrecht zu erhalten. 7 Lebensstilmodifikationen anstreben und bei der Wahl der medikamentösen Therapie die klinischen Parameter, aber auch die

Patientenbedürfnisse berücksichtigen. 7 Frühzeitig eine Kombinationstherapie vorzuschlagen, wenn die

Therapieziele nicht erreicht werden. 7 Falls nach einer 2-er oder 3-er Kombination die individuel-

len HbA1c Zielwerte nicht erreicht werden können, ist eine

Zuweisung zu einem Diabetologen/in in Betracht zu ziehen.

* für Details zu den einzelnen Substanzklassen und Spezialitäten, siehe Fachinformation und Übersicht über die oralen Antidiabetika.

Auswahl der in der Schweiz verwendeten oralen Antidiabetika

(Medikamente in Rot sind in der Medikamentengruppe in Bezug auf die aktuell bessere Datenlage bezüglich kardiovaskulärer und mikrovaskulärer Endpunkte zu bevorzugen)

Wirksubstanz

Biguanide Metformin SGLT2Hemmer Canaglifozin Dapaglifozin Empagliflozin DPP4Hemmer Alogliptin Linagliptin Saxagliptin Sitagliptin

Präparatename Kombination mit Metformin

Glucophage* oder Generika

Invokana* Forxiga* Jardiance* Vokanamet* Xigduo* HR* Jardiance Met*

Vipidia* Vipdomet*

Trajenta* Onglyza*

Jentadueto* Kombiglyze* XR* Januvia*, Xelevia* Janumet*, Janumet* XR*, Velmetia*

Vildagliptin Sulfonylharnstoffe Gliclazid Glibenclamid Galvus* Galvumet*

Diamicron* oder Generika Daonil® /Semi-Daonil® oder Generika Glucovance*/-mite

Glimepirid Glinide Repaglinid Nateglinid Glitazone Pioglitazine αGlukosidasehemmer Acarbose Amaryl* oder Generika

NovoNorm* oder Generika Satrlix*/Starlix*mite

Actos* oder Generika

Glucobay*

* mit verzögerter Wirkstofffreisetzung und potentiell weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen DPP-4: Dipetidylpeptidase 4; SGLT-2: Natrium (Sodium)-Glukose-Kotransporter 2

Auswahl der häufigsten injizierbaren Antidiabetika in der Schweiz

(Medikamente in Rot sind in der Medikamentengruppe in Bezug auf die aktuell bessere Datenlage bezüglich kardiovaskulärer und mikrovaskulärer Endpunkte zu bevorzugen)

Wirksubstanz Präparatename Kombination

GLP1 Rezeptor Agonisten (GLP1: Glucagonlike peptide 1) Exenatid Byetta* (2× täglich) Exenatid für Depotinjektion Bydureon* Pen (1× wöchentlich)

Liraglutid Victoza* (1× täglich) Kombination mit Insulin Degludec: Xultophy* (1× täglich)

Dulaglutid Trulicity* (1x wöchentlich) Insulinanaloga, langwirksam Degludec* Tresiba* Kombination mit Liraglutid: Xultophy* (1× täglich)

Detemir Levemir*

Glargin

Lantus* • Glargin 300** Toujeo* SoloStar* • Glargin-Biosimilar Abasaglar* Humaninsulin, mittelwirksam NPH Humaninsulin* Basal NPH Insulatard Insulinanaloga, kurzwirksam Lispro Humalog* Aspart NovoRapid* Glulisin Apidra* Mischinsulin mit kurz und langwirksamen Insulinanaloga oder NPHInsulin Lispro Humalog* Mix (NPH-Insulin) Aspart NovoMix* (NPH-Insulin) Degludec/Aspart Ryzodeg*

* kardiovaskuläre Endpunktstudie DEVOTE. In der DEVOTE Studie war das ultralang wirksame Insulin Deglutec nicht-inferior im Vergleich zu Insulin Glargine bei Hochrisiko-

Diabetikern (NEJM 2017;377:723–732). **gleiche Substanz wie Lantus (Sicherheit gewährleistet), aber Unterschied der längeren

Wirkung nicht in Langzeitstudie getestet.

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