Stadtbau Zellerau 90 Jahre

Page 1


Gartenstadt Keesburg, früher Hindenburg-Siedlung

Erste Bauvorhaben der Gemeinnützigen 1935

Barackensiedlung in der Zellerau

Die Gründung der „Gemeinnützigen“

Im Dezember 1934 wurde in Würzburg die „Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen“ gegründet – die Keimzelle der heutigen „Stadtbau Würzburg“. In der 90-jährigen Geschichte des Unternehmens nimmt die Zellerau einen besonderen Platz ein.

In Würzburg herrschte Wohnungsnot. Die Folgen des Ersten Weltkrieges waren

noch nicht verkraftet, die der Weltwirtschaftskrise sowieso nicht. Zwischen 1914 und 1920 war in der Stadt keine einzige Privatwohnung gebaut worden. Jetzt fehlten rund 2.000 Kleinwohnungen und weitere 3.000 Mieterinnen und Mieter waren auf der Suche nach einer besseren, gesünderen und menschen-

würdigeren Unterkunft. Trotz eingeschränkter finanzieller Mittel gelang es der Stadt Würzburg, im Jahr 1934 rund 200 sogenannte „Kleinwohnungen“ zu bauen, insbesondere in Grombühl und der Zellerau. Aber das war noch nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.

In dieser Situation erinnerte sich Stadtrechtsrat Eugen Wirth an eine bereits vor der Nazizeit geborene Idee, wie Würzburg aus dieser Situation herauskommen könnte. Mit einer „gemischtwirtschaftlichen“ Gesellschaft an der neben der Stadt auch Unternehmen beteiligt waren. Auf der Ratssitzung am 5. November 1935 verkündete Eugen Wirth, dass die „Gemeinnützige“ demnächst mit dem Bau von 250 Kleinwohnungen beginnen würde. Die Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen konnte bis 1945 immerhin 555 Wohnungen in Würzburg bauen.

30 Wohnungen an der Frankfurter Straße

Vor dem Bombenangriff am 16. März 1945 hatte die Gemeinnützige Baugesellschaft eine Baustelle mit 42 Wohnungen in der Frankfurter Straße besessen, die weit gediehen waren, aber während des Krieges nicht zu Ende gebaut werden konnten.

Zwölf dieser Wohnungen wurden Opfer der Bomben, aber die verbliebenen 30 konnten noch 1945 notdürftig fertiggestellt werden. Zur Jahreswende 1946/1947 arbeitete die Gesellschaft an der Instandsetzung von 75 Wohnungen, Ende 1947 waren bereits 371 Wohnungen bezugsfertig.

© Stadtbau Würzburg
© Stadtbau Würzburg
© Main-Post, Georg Heussner
Sofienstraße als Ruine
Wohnblöcke in der Brunostraße
Frankfurter Straße

Moschee, Moskau und Talavera

Die Zellerau liegt am linken Mainufer zwischen Fluss und Marienberg. Der Stadtteil wurde 1868 gegründet, als der bayerische König die Festungseigenschaft auch für den linksmainischen Teil Würzburgs aufhob.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war neben landwirtschaftlichen Gütern mit so klangvollen Namen wie „Moschee“, „Moskau“ und „Talavera“ das Militär lange Zeit bestimmend im Stadtteil, zu Spitzenzeiten lebten hier

8.000 Soldaten. Erst als die amerikanischen Truppen in den 1990er-Jahren aus Würzburg abzogen, endete die Zeit des Militärs.

Zwischen 1901 und 1928 war die Stadt in den Besitz der landwirtschaftlichen Güter gekommen und verkaufte sie an das Militär. Dadurch war es

möglich, 450 Wohnungen zwischen Mainau-, Wörth-, Mailinger- und Ysenburgstraße zu bauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Zerstörung der Stadt am 16. März 1945 lag auch die Zellerau größtenteils in Schutt und Asche. Was dort von den Kasernen noch halbwegs intakt war, wurde

von den Amerikanern belegt, in die Ruinen zogen Ausgebombte und Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten.

In den 1950er-Jahren beteiligte sich die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft für Kleinwohnungen mit mehreren Projekten am Wiederaufbau der Zellerau. In der Michel- und der Brunostraße konnten 121 Wohnungen und zwei Läden fertiggestellt werden, in der Weißenburg- und in der Hartmannstraße wurde mit dem Bau von 99 Wohnungen im Rahmen eines „Kasernenumsiedlungsprogramms“ begonnen. Damit war gemeint, dass die Menschen aus den menschenunwürdigen Bretterverschlägen in den Ruinen der ehemaligen Militärgebäude ausziehen konnten.

Der Himmel auf Erden

Ulla Aksun war eine der Glücklichen, die aus den Kasernen in eine neue Wohnung ziehen konnte. Sie erinnert sich an den Einzug.

„Das war der Himmel auf Erden, als ich hier reingekommen bin. Ich sehe die Badewanne, wir hatten ja da drüben kein Bad. Da gab es eine Blechbadewanne oder wir haben uns nur gewaschen. Oder die Glastür, das war für mich noch einmal ein Highlight, ich hatte ja sowas noch gar nicht gesehen. Also da habe ich gedacht, ich bin der King. Mensch, jetzt kann ich die Kinder in die Wanne setzen und kann die alle baden. Es gab auch einen Balkon, sowas hatten wir ja da drüben auch nicht, und Zentralheizung, vorher hatten wir nur Kohleöfen. Wir waren die Ersten, die hier eingezogen sind, und hatten die Auswahl: Ich habe dann gesagt: ‚Ich habe die drei Kinder, ich geh ins Parterre.‘ Und meine Mutter, die hat die Wohnung gegenüber genommen, sie war ja auch schon alt.“

Größte Vermieterin im Stadtteil

Die Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen hat im Herbst 1976 rund 300 Schlichtwohnungen in der Zellerau von der Bundesfinanzverwaltung erworben.

Diese in der Nachkriegszeit und in höchster Wohnungsnot errichteten Behausungen verdienten das Attribut „schlicht“ auf jeden Fall. 120 von ihnen hatten weder Dusche noch Bad, Wohn- und Schlafbereich waren nicht voneinander getrennt und hintereinander angeordnet, sodass die jeweiligen Räume nur durch das vorhergehende Zimmer zu erreichen waren. Die Wohnungen wurden von der Gemeinnützigen saniert, umgebaut oder abgerissen und neu gebaut.

Die Heuchelhofgesellschaft erwarb 1977 die Wohnungen der Stadt Würzburg, davon viele in der Zellerau, und 20 Jahre später weitere 126 Wohnungen in diesem Stadtteil aus der Insolvenzmasse der „Neuen Heimat“. Damit war der Grundstock für den großen Wohnungsbestand der Stadtbau in der Zellerau gelegt.

Rahmenplan Zellerau

Die Wohnungen befanden sich allerdings zu einem großen Teil in wiederaufgebauten Ruinen aus der Vorkriegszeit oder in schnell hochgezogenen Nachkriegsbauten. Als die amerikanische Armee in den 1990er-Jahren damit begann, ihre Präsenz in Würzburg zu verringern, bot sich die Gelegenheit, städtebaulich in der Zellerau in größerem Stil etwas zu verändern.

Die Stadt Würzburg erarbeitete einen Rahmenplan für den Stadtteil und beauftragte die Heuchelhofgesellschaft treuhänderisch mit der Umsetzung. Allerdings wurde in den Kasernengebäuden Asbest gefunden, was zu sehr hohen Kosten entsorgt werden musste und die Nachfrage nach Wohnbauflächen ging zurück. Die Stadtteilerneuerung kam ins Stocken. Anfang der 2000er-Jahre wurde der Rahmenplan schließlich deutlich abgespeckt. Der Treuhandvertrag zwischen der Stadt und der „Stadtbau“ (ehemals Heuchelhofgesellschaft) wurde aufgelöst, die wirtschaftliche Verantwortung für die Entwicklung des Gebietes ging ganz auf die Stadtbau über. Die machte sich daran, die Zellerauer Mitte zu entwickeln. Der Supermarkt wurde gebaut, Reihenhäuser, Doppelhäuser und Eigentumswohnungen, alles in einem überschaubaren Rahmen. Eine Verbesserung für den Stadtteil war das auf jeden Fall, eine grundsätzliche Trendumkehr nicht.

© Main-Post, Georg Heussner
© Main-Post, Georg Heussner
© Stadtbau Würzburg
© Stadtbau Würzburg

„Soziale Stadt“ Zellerau

Im Jahr 2007 wurde die Zellerau in das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen, dessen Ziel es ist, der sozialen Polarisierung in den Städten entgegenzuwirken.

Zuerst wurde ein „Integriertes Handlungskonzept“ entwickelt. Dass bei den dort benannten Handlungsfeldern in erster Linie die Stadtbau Würzburg gefragt war, ergab sich schon allein daraus, dass dem Unternehmen 2.500 Wohnungen in der Zellerau gehören. Die Stadtbau hatte bereits zu Beginn der 2000er-Jahre kräftig in die Sanierung und Modernisierung ihrer Wohnungen im Stadtteil investiert und setzte dieses Engagement im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ fort. So verdoppelte sich allein im Zeitraum 2012 bis 2017 die Zahl

und der barrierearmen Wohnungen. Ebenso verdoppelte sich

Fernwärme beheizten, während sich die Zahl der Wohnungen mit Ofenheizungen halbierte. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der geförderten StadtbauWohnungen von 13 auf 26 Prozent. Wohnen in der Zellerau blieb also auch für Haushalte mit niedrigem Einkommen bezahlbar.

Neues Wohnen Brunostraße

Auf dem Gelände an der Brunostraße standen sechs überwiegend leerstehende Schlichtbauten, die zwischen 1946 und 1948 unter dem damals herrschenden Druck, schnell Wohnraum in der zerstörten Stadt zu schaffen, hochgezogen worden waren. Eine Sanierung hätte wenig Sinn gemacht.

Nach dem Abriss wurden nach Plänen des Frankfurter Architekturbüros Stefan Forster zwischen 2010 und 2012 neun kubische Gebäude, sogenannte Stadtvillen, im KfW-Standard 70 errichtet. Der alte Baumbestand wurde dabei weitgehend erhalten.

Die Gebäude bieten 104 Wohnungen in einer Mischung von Eigentumswohnungen, frei finanzierten Mietwohnungen sowie Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung. Die Wohnungsgrößen variieren zwischen zwei und fünf Zimmern. Alle Wohnungen sind barrierefrei. Bei der Belegung der Mietwohnungen achtete die Stadtbau darauf, dass die Bewohnerinnen und Bewohner unterschiedlichen Einkommensgruppen und Altersklassen angehörten. So wurde eine Mischung aus sozialen Strukturen und unterschiedlichen Lebensphasen im Quartier erreicht.

Damit verwirklichte die Stadtbau Würzburg nicht nur die Ziele des Programms „Soziale Stadt“, sondern überzeugte auch die Jury des Deutschen Bauherrenpreises, den sie 2016 für das Projekt „Neues Wohnen Brunostraße“ verliehen bekam. © Lisa Farkas

Die Zellerau heute

Nach Abschluss des Projekts „Soziale Stadt“ Zellerau hat sich der Stadtteil auf allen Ebenen verändert. Es ist gelungen, das Image des Problemstadtteils abzustreifen, heute ist die Zellerau ein „hippes“ Quartier, das einen hohen Anteil an der Integration von Menschen mit niedrigem Einkommen und aus anderen Kulturen erbringt.

In der Zellerau leben rund 12.000 Menschen, die Stadtbau Würzburg besitzt 2.059 Wohnungen in diesem Stadtteil, das sind 37 Prozent aller Stadtbau-Wohnungen.

Ökologische Nachhaltigkeit und soziales Verantwortungsbewusstsein zeigt das Unternehmen beim Projekt in der Frankfurter Straße. In nur sechs Wochen entstanden zwei Holz-Hybridhäuser.

Es zeigt eindrucksvoll, welche Bauformen in Zukunft – bei gleicher Qualität – Zeit und Kosten sparen können und so die Mieten in Würzburg in einem verträglichen Rahmen halten.

In den nächsten Jahren wird die Modernisierung der Stadtbau-Bestände in der Zellerau ein großes Thema sein. Dabei werden baualtersbedingt Wohnungen saniert, z. B. mit neuen Steigleitungen und Bädern, und die Häuser an neue dekarbonisierte Energiequellen angeschlossen.

90 Jahre Stadtbau Würzburg

Eine Zeitschiene

Gründung der Gemeinnützigen Baugesellschaft für Kleinwohnungen

Zerstörung Würzburgs durch einen britischen Bombenangriff

Erster Spatenstich für die Lindleinsmühle

Gründung der Heuchelhofgesellschaft

Baubeginn des Abschnitts H 1 auf dem Heuchelhof

Die Gemeinnützige Baugesellschaft kauft 300 Schlichtwohnungen in der Zellerau von der Bundesfinanzverwaltung

Die Heuchelhofgesellschaft übernimmt 1.559 Wohnungen von der Stadt, viele davon in der Zellerau

Die Heuchelhofgesellschaft und die Gemeinnützige bilden eine Bürogemeinschaft

Beide Gesellschaften haben denselben Geschäftsführer

Die Heuchelhofgesellschaft kauft 126 Wohnungen in der Zellerau aus der Insolvenzmasse der Neuen Heimat

Heuchelhofgesellschaft wird in Stadtbau Würzburg umbenannt

Die Stadtbau Würzburg erwirbt die letzten Anteile der Gemeinnützigen

Die Zellerau wird in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen

Die Amerikaner verlassen die Leighton Barracks auf dem Hubland, ein neuer Stadtteil mit wesentlicher Beteiligung der Stadtbau entsteht

Die Stadtbau Würzburg und die Gemeinnützige Baugesellschaft verschmelzen zu einem Unternehmen

Die Stadtbau gewinnt den Deutschen Bauherrenpreis mit dem Projekt Neues Wohnen Brunostraße

Die Stadtbau wird 90 Jahre alt

Mehr zur Geschichte des Wohnens in Würzburg und der Zellerau lesen Sie in diesem Buch, erhältlich im Buchhandel ab 25.07.2024

Eigene Wohneinheiten GROMBÜHL LENGFELD

4,6% Fluktuationsrate 10,0 Mio. € Neubauinvestitionen 13,6 Mio. € Modernisierungs- und Instandhaltungsinvestitionen

© xtrakt media, Thomas Düchtel

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Stadtbau Zellerau 90 Jahre by xtrakt media GmbH - Issuu