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Corona ist kein Grund für Sorgenfalten
by medianet
Österreichische Kosmetikhersteller können auch in Krisenzeiten am hart umkämpften internationalen Beauty-Markt reüssieren.
j von Britta Biron
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Spricht man von der Schönheit Österreichs, dann ist in der Regel die Landschaft gemeint. Aber die Formel Österreich = Schönheit geht auch dann auf, wenn Schönheit im Sinne von Schönheitspflege gemeint ist. Zwar existiert kein österreichisches Kosmetikunternehmen, das in der selben Liga wie die internationalen Beauty-Konzerne à la Estée Lauder oder l´Oréal spielt, aber Größe ist schließlich nicht alles.
Mit Hyaluronsäure läuft alles glatt
Dass mittelständische österreichische Unternehmen in verschiedenen Segmenten – etwa bei Möbelbeschlägen (Julius Blum), Seilbahnen (Doppelmayr), LED-Systeme (Lumitec) oder Kunststoffverpackungen (Alpla) – zu den Weltmarktführer zählen, ist keine Seltenheit, und auch im Beauty-Business gibt es heimische Betriebe, die global ganz vorne mitmischen.
So zählt Croma Pharma zu den führenden Herstellern von Hyaluronsäure-Spritzen, ohne die in der minimalinvasiven ästhetischen Medizin – einem seit Jahren stetig wachsenden Feld – im wahrsten Sinne des Wortes nichts glatt laufen würde. Neben den Profiprodukten, die im Werk im NÖ Leobendorf entwickelt und hergestellt und über zwölf eigene Niederlassungen sowie zahlreiche Distributionspartner in mehr als 70 Ländern vertrieben werden, hat das Familienunternehmen seit einigen Jahren auch Skincare-Produkte für den Endverbraucher im Programm. Dieses Sortiment wurde im Vorjahr um eine flüssige Hyaluronsäuremaske und diesen Sommer um die farewell-Linie mit fünf SpezialSeren ergänzt. Parallel zum jüngsten Launch wurde auch ein Online-Shop für die Consumer-Produkte in den wichtigsten Märkten eröffnet.
Big Player bei Wimpern & Brauen-Styling
GW Cosmetics ist ein weiterer rot-weiß-roter Weltmarktführer, und zwar bei Färbemitteln sowie Pflege- und Stylingprodukten für Brauen und Wimpern, einem seit etlichen Jahren boomenden Markt. Mit RefectoCil und Beauty Lash bedient man sowohl den Profi- als auch Consumer-Sektor. Weiters gehört die Luxus-Naturkosmetikmarke Master Lin zum Portfolio, und auch im Private Label-Sektor ist GW Cosmetics erfolgreich. Insgesamt stellt das Unternehmen in seinem Werk in Leopoldsdorf 700 Artikel her, die jährliche Produktionsmenge liegt bei 25 Mio. Einheiten.
Während Corona bei vielen der großen Kosmetikmarken zu teils herben Geschäftseinbußen geführt hat, hat sich die Pandemie bei GW Cosmetics nicht negativ ausgewirkt – ganz im Gegenteil. 2020 konnte der Umsatz um rund 23 Prozent auf 32 Mio. Euro gesteigert und der gewohnte Wachstumskurs weiter fortgesetzt werden. „Darüber sind wir sehr glücklich. Wir verdanken diesen Erfolg einerseits unseren Mitarbeitern, die auch während des Lockdowns gearbeitet haben, und andererseits den Vertriebs- und Private Label-Partnern, die unermüdlich auch während der Pandemie um die Kundinnen gekämpft haben“, sagt Beatrice Cox-Riesenfelder, die das Unternehmen gemeinsam mit Eigentümer Rainer Deisenham-


GW Cosmetics zählt zu den Weltmarktführern bei Brauen- und Wimpernstyling.
mer leitet. Zwar war durch die Schließung von Friseur- und Kosmetik in vielen Märkten das Profi-Business, der größte Geschäftszweig, zeitweise stark beeinträchtigt, dafür ist die Nachfrage bei den Consumer-Produkten deutlich gestiegen – auch, weil durch die Maskenpflicht die Augenpartie und damit auch Wimpern und Brauen noch stärker in den Blick gerückt sind. „Wir haben das vor allem im UK, in Australien, Südamerika und Osteuropa festgestellt. Auch der Online-Verkauf hat geboomt, und Influencer haben bei manchen Produkten einen wahren Boost ausgelöst“, sagt Cox-Riesenfelder.
Um sich für eine weitere Expansion zu rüsten, werden Produktionskapazitäten, Entwicklungslabor sowie die Verwaltung ausgebaut; fünf bis sechs Mio. Euro wird GW Cosmetics in den Ausbau des Werks in Leopoldsdorf investieren.
Frischekick aus der Steiermark
Einen großen Expansionsschritt hat Ringana heuer abgeschlossen. Vor Kurzem hat der erfolgreiche Hersteller von Premium-Frischekosmetik (Pflege- und Reinigungsprodukte für Haut und Haare) sowie Nahrungsergänzungsmitteln den Firmensitz von Hartberg in das neue Headquarter in St. Johann i. d. Haide verlegt, wo auch Lager und Produktion untergebracht sind. Der Ringana Campus – die Investitionssumme von insgesamt 70 Mio. Euro wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert – wird noch um eine leistungsfähige Verteil- und Versandstation ergänzt, damit die Logistik mit dem rasanten Wachstum, das auch Corona nicht ausgebremst hat, Schritt halten kann. „Auch wenn die Pandemie für uns herausfordernd ist, konnten wir 2020 unseren Umsatz um 38 Prozent auf 160 Millionen Euro erhöhen. Diese erfreulichen Zahlen möchten wir natürlich heuer ebenso erreichen. Unser Ziel liegt bei 220 Millionen Euro, und die ersten Monate dieses Jahres stimmen uns sehr optimistisch, dass wir das auch erreichen“, sagt Andreas Wilfinger, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Lebens- und Geschäftsfpartnerin Ulla Wannemacher 1996 gegründet hat und seither leitet.
Exportiert wird bereits in 34 Länder, die Exportquote liegt derzeit schon bei 64 Prozent, Tendenz steigend. Schwerpunkt sind die europäischen Länder, aber auch in Übersee, wie z.B. in Hongkong, hat Ringana schon begeisterte Kunden. Wachstumspotenzial sieht man sowohl im Ausbau bestehender als auch der Erschließung neuer Märkte. „Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach ehrlichen Beauty-Produkten, die ohne Zusatzstoffe oder synthetische Konservierung auskommen, die auf Mikroplastik verzichten und vegan sind. Von Beginn an haben wir genau das umgesetzt – auch wenn da noch kein Trend in diese Richtung absehbar war“, erläutert Wannemacher. „Jetzt haben wir einen Vorsprung an Qualität und Know-how, der für unsere Produkte spricht.“
Damit sich daran auch in Zukunft nichts ändert, wird viel in die eigene Forschung & Entwicklung investiert und die Neuentdeckungen im Bereich der pflanzlichen Wirkstoffe sowie der Produktionsverfahren laufend beobachtet. „Die Mitarbeiter in unserer For-
© Ringana
Ringana konnte das rasante Tempo der letzten Jahre in der Coronakrise fortsetzen.
schungsabteilung sind angehalten, outside of the box zu denken und die besten Produkte zu kreieren, die nur irgendwie möglich sind. Dabei sind sie weder in ihrer Kostenkalkulation noch bei der Auswahl der Rohstoffe eingeschränkt. Durch regelmäßiges Um- und Neuformulieren ist gewährleistet, dass die Ringana-Produkte immer maximale Leistung bieten und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand sind. Unser einziges Ziel ist es, Highend-Produkte zu kreieren“, erläutert Wilfinger.
Hohe Standards setzt sich Ringana auch als Arbeitgeber: Im Corona-Jahr wurden 100 neue Mitarbeiter eingestellt und auch heuer wird die Belegschaft kräftig wachsen. Gesucht werden sowohl Fachkräfte als auch Lehrlinge, wobei das Ausbildungsprogramm deutlich erweitert wurde und neben Bürokaufmann/frau und Betriebslogistiker jetzt auch Lehrstellen in den Bereichen Metall-, Maschinenbau- oder Prozesstechnik, Informationstechnologie und Labortechnik umfasst. Sorgen, dass sich nicht ausreichend Interessenten finden (Stichwort: Fachkräftemangel), macht sich Wilfinger nicht: „Abgesehen von einem hochmodernen, neuen Arbeitsplatz und großem Entwicklungspotenzial bieten wir unseren Mitarbeitern viele Benefits, wie zum Beispiel kostenloses vegetarisches Mittagessen in unserer neuen ring(lunch), eine eigene Arbeitsmedizinerin und gratis Öffi-Tickets für den Wiener Raum, um nur einige zu nennen. Außerdem haben wir ein eigenes internes Personalentwicklungsprogramm aufgesetzt, das auf Basis des Feedbacks der Mitarbeiter ständig verbessert wird.“
Innovative Rezepturen aus Wachauer Trauben …
Beispiele dafür, dass auch kleine Unternehmen, die erst dabei sind, sich am äußerst kompetitiven Beauty-Markt zu etablieren, selbst an großen Krisen nicht scheitern, gibt es ebenfalls. Eines davon ist dieNikolai, ein ambitionierter Newcomer in der seit etlichen Jahren stark wachsenden Nische ökologischer, nachhaltiger und natürlicher Pflegeprodukte, die durch Corona noch einen zusätzlichen Schub bekommen haben. „Vor fünf Jahren haben wir die ersten Naturkosmetikprodukte, die aus den ungenutzten Rohstoffen der Weingärten des Nikolaihofs hergestellt werden, ausgeliefert. Mittlerweile sind unsere Produkte in neun Ländern in über 150 Bio- und Naturläden sowie Reformhäusern vertreten“, freut sich Martin Saahs, Gründer und Geschäftsführer der Demeter-zertifizierten Traubenkosmetik aus der Wachau. „2020 war wohl für niemanden am Markt leicht. Wir merken nach wie vor, dass es im Einzelhandel an Frequenz und Kauflust fehlt. Trotzdem sehen wir, dass regionale, österreichische Produkte auch in der Krise gefragt sind.”
Seit dem Start wurde das Sortiment kräftig ausgebaut und umfasst heute Hautpflege für Gesicht und Körper, Dusch- und Badegels, Shampoo, Hand- und Fußlotionen, Anti-Aging-Seren sowie Spezialprodukte für Babies und Kinder. Nachhaltigkeit und Natürlichkeit bestimmten nicht nur die Inhaltsstoffe – Rebwasser, Traubenkernöl, Lindenblüten, Holunderkernöl oder Safran in 100%iger Bioqualität stammen aus dem eigenen Betrieb und werden vor Ort verarbeitet –, sondern auch die Verpackungen. Denn die bestehen aus Glas oder Alu, sind somit recycelbar und frei von Mikroplastik und Chemikalien.

… und frischer Molke aus Oberösterreich
Ein weiteres heimisches Kosmetik-Start-up, das sich von der Krise nicht hat aufhalten lassen, ist vielö aus dem oberösterreichischen Sattledt. Die auf frischer Molke aus der Region basierenden Reinigungs- und Pflegeprodukte für Hände und Körper sind bio-zertifiziert und unterliegen damit wesentlich strengeren gesetzlichen Bestimmungen als Naturkosmetik. Anfangs – die ersten Produkte wurden Ende 2018/Anfang 2019 gelauncht – mussten die Gründer Christian Pauzenberger und Alexander Daspersgruber noch viel Aufklärungsarbeit leisten, da die beiden Produktgruppen fälschlicherweise oft „in einen Topf geworfen werden“. Trotzdem sei es, so Pauzenberger, gelungen, „vielö rasch zu einer hochwertigen und kompromisslos biologischen, nachhaltigen Hautpflegealternative für anspruchsvolle und kritische Kunden, die sich mehr als nur ein nettes Label erwarten, zu entwickeln. Das vor
© dieNikolai dieNikolai ist die weltweit einzige Demeter-zertifizierte Traubenkosmetik-Marke.

Die Biokosmetik-Marke vielö erweitert ihr Sortiment von Reinigungs- und Pflegeprodukten für Hände, Körper und Haare heuer um eine Skincare-Linie für den Teint.
allem auch dank all unserer tollen Partner.“ Die Pandemie hat die erfreuliche Entwicklung zwar nicht gestoppt, aber doch beeinträchtigt. Fast alle Retail-, Restaurant- und Hotelpartner waren geschlossen und hatten nach dem Lockdown noch ausreichend Ware und wenig Bedarf an zusätzlichen Lieferungen. „Wir hatten also Produktionskosten für Mengen, die wir dann großteils nicht über unsere Partner vertreiben konnten. Das war jedenfalls eine Challenge, wobei wir diese Phase aber durch unsere stetige Internationalisierung und die Breite an Partnerschaften im Vertrieb trotzdem gut meistern konnten“, erklärt Daspersgruber und weist darauf hin, dass es zum Glück auch positive Pandemie-Effekte gegeben hat: „Corona hat ein massives Umdenken im Kaufverhalten mit sich gebracht, da Konsumenten vermehrt nach hochwertigeren, authentischen, regional produzierten und nachhaltigen Alternativen suchen.“ Ein großer Vorteil sei auch gewesen, dass die Handhygiene einen so hohen Stellenwert bekommen hat. „Dass Menschen Dutzende Male ihre Hände mit unserer Handseife gewaschen und festgestellt haben, dass diese die Haut nicht austrocknen, hat sich dann sowohl auf die Handpflegeprodukte als auch die anderen Artikel wie Body Wash oder Shampoo positiv ausgewirkt.“ vielö vertreibt seine Produkte über einen eigenen Webshop sowie mehr als 75 Partner in Österreich und Europa. „Der Exportanteil liegt aktuell bei 20 Prozent mit stark steigendem Trend, wobei wir unseren Heimmarkt und unsere Wurzeln nie vernachlässigen werden. vielö ist designed and made in Austria, somit bleibt Österreich weiterhin immens wichtig für uns.“ Sowohl am Heimatmarkt als auch jenseits der Grenzen sieht Pauzenberger noch viel Potenzial für Wachstum. Das soll – passend zur Marke – aber nachhaltig erfolgen: „Wir wählen unsere Kooperationspartner sehr selektiv aus und schließen Partnerschaften, basierend auf gemeinsamen Werten und Prinzipien.“
Ausgebaut wird auch das Sortiment. Neu eingeführt wurde eine to-go-Linie mit Handbalsam, Körperpeeling und Bodylotion in 50 ml-Tuben, das im B2B-Sektor bereits erfolgreich etablierte RefilSystem wird in Kürze auf die B2C-Produkte erweitert, und heuer wird auch noch eine komplette Skincare-Linie gelauncht.
Österreich forscht mit Chanel
Last but not least mischt auch die heimische Wissenschaft im internationalen Kosmetikbusiness kräftig mit. Seit Ende 2020 arbeiten MedUni Wien, Universität für Bodenkultur Wien und TU Wien gemeinsam mit der französischen Luxusmarke Chanel im Christian Doppler Labor, um das Zusammenspiel von Metabolismus, Zellkommunikation und zellulärer Qualitätskontrolle in der durch Umweltstress beschleunigten Hautalterung zu erforschen und so die Grundlage für wirksamere Anti-Aging-Produkte zu schaffen. Ein weiteres Ziel des Forscherteams ist die Entwicklung von neuen Methoden, mit denen Alterungserscheinungen der Haut bei gesunden Personen einfach, schnell und schmerzfrei verfolgt werden können. ◆