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Kärnten – mit Bioökonomie zum europäischen Vorreiter
by medianet
IV-Präsident Timo Springer und WK-Präsident Jürgen Mandl über „ihre“ Betriebe und die sehr nützliche „Das pack ma“-Mentalität.
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Kärnten trat im wirtschaftlichen Bundesländervergleich dank einer beeindruckenden Außenhandelsbilanz mit dem kleinsten blauen Auge aus der Pandemie und dem Krisenjahr 2020. Der Export sei nun auch die treibende Kraft des Aufschwungs, analysierte Christoph Schneider, Leiter der Abteilung für Wirtschafts- und Handelspolitik der WKÖ: „Die Exporte sind das Zugpferd in der Aufholphase.“ 53 Prozent der im Zuge des WKÖ-Wirtschaftsbarometers befragten Kärntner Unternehmen hätten das Vorkrisenniveau bereits wieder erreicht, Gesamtumsätze und Auftragslage werden dementsprechend wieder deutlich positiver gesehen. Zurückhaltung ist noch bei der Investitionsbereitschaft feststellbar, obwohl Kärnten laut Schneider „fast am besten“ durch die Krise gekommen sei: „In Tirol war der Einbruch fast doppelt so groß.“ Die größte Herausforderung sei aus Sicht der Unternehmen ganz eindeutig: Knapp 80 Prozent finden nicht die geeigneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit steht Kärnten jedoch nicht alleine da – der Facharbeitermangel macht den Unternehmen im gesamten Bundesgebiert das Leben schwer.
Mehr Einblicke in Kärntens Wirtschaft und Industrie geben Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung Kärnten, und Jürgen Mandl, Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten.
Herr Mandl, Herr Springer – wie geht es ‚Ihren‘ Unternehmen und Betrieben? Jürgen Mandl: Kärntens Wirtschaft hat die Coronakrise relativ gut überstanden. Mit einem wirtschaftlichen Minus von 5,6 Prozent hat Kärnten das Krisenjahr 2020 besser überstanden als der Österreich-Schnitt (-6,5 Prozent), die kürzlich veröffentlichten Exportzahlen für 2020 bestätigen das vergleichsweise gute Ergebnis: Das Minus von 7,8 Prozent ist weit besser als zu Beginn der Pandemie befürchtet, der dennoch erwirtschaftete Überschuss in der Außenhandelsbilanz von 630 Millionen Euro ein beeindruckend starkes Lebenszeichen.
Timo Springer: Wir erleben derzeit einen kräftigen Aufschwung, von dem fast alle Unternehmen profitieren. Da unterscheiden wir uns nicht von anderen Bundesländern. Es gibt nur geringfügige Unterschiede unter den Branchen. Das war in der Krise noch anders. Einzig die Rohstoffknappheit und die Lieferprobleme machen den Betrieben zu schaffen und verhindern teilweise, dass sich die hervorragende Auftragsentwicklung auch entsprechend in Erträgen niederschlägt.

Jürgen Mandl, Präsident der WK Kärnten: „Die Krise hat ganz klar gezeigt, in welchen Bereichen Kärnten Aufholbedarf hat, aber auch, welche Stärken uns auszeichnen!“
Schon vor dem Sommer stieg die Durchimpfungsrate bei fallenden Infektionszahlen. Das Ärgste scheint überstanden. Aber ist es tatsächlich überstanden? Ist die Krise vorbei? Worauf wäre nun besonders zu achten? Mandl: Das hoffe ich doch sehr. Wir müssen alles daransetzen, gut durch den Herbst und den Winter zu kommen. Die Impfung ist aus meiner Sicht das einzig probate Mittel, um das Virus in Schach zu halten. Es kann nicht mehr sein, dass wir noch einmal zumachen. Wirtschaftlich geht es jetzt darum, uns dem Wandel intelligent anzupassen, wo immer das möglich ist. Ungewöhnliche Situationen verlangen manchmal ungewöhnliche Maßnahmen und bieten oft auch ungewöhnliche Chancen: Investitionen werden derzeit gut gefördert. Wer kann, ist derzeit gut beraten, sich für die Zukunft zu rüsten. Denn irgendwann werden wir das Kapitel Coronapandemie abschließen können. Und ein neues, erfolgreiches Kapitel der Kärntner Wirtschaftsgeschichte aufschlagen.
Springer: Die von Ihnen skizzierte steigende Durchimpfungsrate bei fallenden Infektionszahlen ist zweifellos ermutigend. Das Gröbste scheint überstanden. Die Öffnungsschritte haben bisher keine Probleme gemacht. Es ist also Zeit, zu einer gewissen Normalität zurückzukehren. Wir haben inzwischen genug über dieses Virus und seine Mutationen gelernt, um zu wissen, dass es nicht mehr verschwinden wird. Es ist zu unserem Alltag geworden. Die ‚3Gs‘ weisen uns den Weg zu einem vernünftigen Umgang damit.
Man sollte ja immer positiv denken – konnten Sie beziehungsweise die IV etwas Positives aus der Coronakrise mitnehmen? Wenn ja, was? Mandl: Es war beeindruckend, was die Unternehmerinnen und Unternehmer samt deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet haben. Optimismus ist für uns Selbstständige eine genetische Grundvoraussetzung. Es war und ist überaus motivierend, zu sehen, was für eine ‚Das pack ma‘-Mentalität an den Tag gelegt wird. Darüber hinaus hat die Krise ganz klar gezeigt, in welchen Bereichen Kärnten Aufholbedarf hat, aber auch, welche Stärken uns auszeichnen! Springer: Die Coronakrise hat zweifellos auch ihre positiven Seiten gehabt – denken Sie an den Digitalisierungsschub, der dadurch in Wirtschaft und Gesellschaft ausgelöst wurde. Leider muss man sagen, dass Europa davon nicht so stark profitiert wie etwa die USA und China, wo die großen Digitalisierungsplattformen ihren Sitz haben. Es zeichnet sich aber auch ab, dass viele Betriebe Unternehmenszweck und Geschäftsmodelle grund-

Visualisierung des Koralmtunnels im Lavanttal, Kärnten. Mit seiner Inbetriebnahme werden Klagenfurt und Graz auf eine Fahrzeit von 45 Minuten zusammenrücken.
legend überdacht haben. Da sind vielfach die Weichen in Richtung grüner Technologien gestellt worden.
Worauf wird die Wirtschaftskammer Kärnten ihren Fokus im kommenden Jahr 2022 legen? Mandl: Wichtig ist, dass wir die noch immer stark betroffenen Branchen unterstützen. Wir müssen noch Wege finden, um Veranstaltungen und Märkte in vernünftigem Rahmen abhalten zu können – auch im Hinblick auf diverse Virusmutation. Außerdem liegt der Fokus ganz klar auf den bevorstehenden Entwicklungen im neuen Wirtschaftsraum Südösterreich. Da wird der Koralmtunnel mit seiner Inbetriebnahme 2026 eine enorme Wirkung ausstrahlen. Die Zentralräume Klagenfurt und Graz werden auf eine Fahrzeit von 45 Minuten zusammenrücken; wir müssen uns also schon im Vorfeld auf neue wirtschaftliche Strukturen jedenfalls in Kärnten und der Steiermark, aber über die Baltisch-Adriatische Achse auch zwischen Triest und Danzig einstellen, um daraus das Beste für unsere Region zu machen.
Ein gemeinsamer wirtschaftspolitischer Schwerpunkt wird dabei – am Puls der Zeit – die Bioökonomie sein: Eine Wirtschaftsform, in der fossile Ressourcen Schritt für Schritt durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden und die Kärnten zum europäischen Vorreiter für erneuerbare Energieformen und das damit verbundene Know-how machen kann. Um diese einmaligen Chancen auch für unsere Betriebe und den Wohlstand unserer Bevölkerung nutzen zu können, wird es allerdings nötig sein, die jungen Menschen im Land zu halten und für eine Fachausbildung zu begeistern. Sonst werden wir am Ende vor vollen Auftragsbüchern stehen und zu wenig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, um sie auch zu erfüllen.
Und bei Ihnen, Herr Springer? Was steht bei der Kärntner Industriellenvereinigung im kommenden Jahr auf der ‚industriellen‘ Agenda? Springer: Ich denke, wir werden wieder ein Stück weit Normalität zurückgewinnen. Das heißt aber auch, dass wir endlich wieder an den für Kärnten wichtigen Themen weiterarbeiten können: Einem attraktiven urbanen Zentralraum inklusive Bildungscampus, der mehr junge Menschen auch von außerhalb anzieht, an der wirtschaftlich technologischen Profilbildung und dem Schließen von Lücken in Wertschöpfungsketten, an der Vermarktung unseres Bundeslands als Industrie-, Technologie-, Bildungs- und Lebensland.
Wie inzwischen weithin bekannt sein sollte, tragen Industrie und ihre Dienstleister 55 Prozent zur Wertschöpfung des Landes bei, Tourismus inklusive Freizeitwirtschaft 15 Prozent. ◆