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Daten zu Coronafolgen Ärztliche Versorgung war auch im Lockdown immer gegeben

© OÖGKK Auf Druck der Wirtschaft hat die ÖGK die elektronische Krankschreibung mit Anfang September wieder reduziert.

Sorge unbegründet

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Wirtschaftskammer fürchtet Missbrauch der telefonischen Krankschreibung; Zahlen zeigen nun aber das Gegenteil.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Die während des CoronaLockdowns erlaubte Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung, um Arztpraxen und Patienten zu schützen, ist offenbar nicht ausgenutzt worden. Die Zahl der Fälle stieg nämlich während der ersten Hochphase der Corona-Pandemie nicht an, sondern ging sogar deutlich zurück, WIEN. Die Frage, ob und wie viele niedergelassenen Ordinationen während des Lockdowns geöffnet hatten, beschäftigt seit Monaten die Politik. Die Ärztekammer pocht darauf, dass die Ordinationen erreichbar waren, dass aber die Politik den Patienten empfohlen habe, diese eher zu meiden. Das habe bei einzelnen Ärzten zu kräftigen Honorarrückgängen geführt, zeigt eine Anfragebeantwortung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) an den SPÖAbgeordneten Andreas Kollross.

Zahlen sinken

Abgefragt wurden die Zahlen von Februar bis Juni dieses Jahres. Obwohl es bis September leichter war, zu einer Krankschreibung zu kommen, da man dafür nicht mehr persönlich weshalb man Entschädigungen fordert. Nun bestätigt Franz Kiesl, zuständiger ÖGK-Fachbereichsleiter für „Versorgungsmanagement 1“, zu dem die Ärzte gehören, dass die niedergelassenen Ärzte mehrheitlich geöffnet hatten. Die Hausärzte waren praktisch durchgehend da, die Fachärzte zwischen 85 und 100%. Die Patienten nutzten das zu mehr als 80%. (rüm) zum Arzt musste, gingen die Krankmeldungen zurück. Schon im März lag man 3.000 Fälle unter dem Vorjahreswert. Später setzte sich der Trend fort, und das auch noch weit nach dem Lockdown. So waren es im Juni bei Arbeitern und Angestellten rund 214.000 Fälle und damit deutlich weniger als die etwa 259.000 Fälle im gleichen Monat 2019.

Die Vereinbarung, dass auch telefonisch krankgeschrieben werden kann, war Mitte März zwischen Ärztekammer und Gesundheitsministerium etabliert worden. Seit 1. September besteht diese Möglichkeit nur noch für Patienten mit CoronaSymptomen. Mit dem bisherigen Verlauf ist man zufrieden. Sowohl bei der ÖGK als auch bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau ist keine Beschwerde bekannt – weder von Ärzten noch von Patienten, heißt es in der Anfragebeantwortung. Den Trägern sowie dem Ministerium liegen auch keine Missbrauchsfälle oder Versuche vor.

Ärzte fordern Neuauflage

„Das Argument des Missbrauchs, das unserer Ansicht nach immer schon auf tönernen Füßen stand, ist nun völlig entkräftet – es spricht weiter nichts dagegen, die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung für alle Patienten sofort wiedereinzuführen und mindestens bis Jahresende beizubehalten“, kommentiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Er will mit dem System Ärzte und Pati-

Ärzte waren doch erreichbar ÖGK bestätigt Öffnung während Corona-Lockdown.

enten vor Infektionen schützen.

© APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul e-Card-Daten zeigen: Nur wenige niedergelassene Ärzte hatten geschlossen..

Krise macht krank

Die Regierung will versuchen, die Krise der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt abzufangen. Psychische Belastungen nehmen zu.

••• Von Katrin Pfanner

WIEN. Die psychische Gesundheit der Österreicher leidet an den Corona-Maßnahmen, der sozialen Distanz und der Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung. Angst, Reizbarkeit und der Verlust an Lebensfreude sind die Symptome. Tabak und Alkohol werden zu „Krisenbewältigern“, die persönliche Probleme jedoch verstärken können. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Michael Musalek vom Institut für Sozialästhetik und psychische Gesundheit der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien.

Industriestandorte wackeln

Die wirtschaftliche Situation könnte die Entwicklung verstärken. Unternehmen wie MAN Steyr, FACC, ATB in der Steiermark und die Tourismusbranche kündigen Standortschließungen oder Jobabbau an. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) warnte am Montag vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung. Der wöchentliche BIP-Indikator der Nationalbank sei in den vergangenen beiden Wochen wieder zurückgegangen. Die Erholung bremse sich merklich ein, so die Ministerin. Vor allem die SPÖ kritisierte zuletzt die Regierung allerdings scharf und warf ihr Untätigkeit vor. Die Regierung unternehme nichts gegen das Wegbrechen ganzer Flaggschiffe der heimischen Industrie und verweigere das Gespräch mit den Betroffenen, hieß es heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) scheint aber nun doch zu reagieren und will das Thema „Arbeit“ neben der Bekämpfung der Pandemie zum zentralen politischen Thema im nächsten halben Jahr machen. Neben der Gesundheitskrise soll eine

© APA/Herbert Pfarrhofer

Krisenhilfe

Industrie und Tourismus leiden unter der Coronakrise. Nach anfänglicher Kritik reagiert Bundeskanzler Sebastian Kurz nun doch und kündigt Hilfen an.

© APA/Pool/AFP/Aris Oikonomou

anhaltende Wirtschafts- und Arbeitskrise „mit allen Mitteln“ verhindert werden, teilte der Regierungschef in einer Stellungnahme mit. „Wir führen einen Dreikampf: Den Kampf um jeden Covid-Patienten, den Kampf um jeden Betrieb und den Kampf um jeden Arbeitsplatz“, so Kurz.

Regierung will gegensteuern „Arbeit wird unser zentrales Thema der nächsten Monate werden. Überall, wo Betriebsschließungen drohen oder Abwanderungen ins Ausland angedacht sind, werden wir mit aller Kraft um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagte der Kanzler. Die Weltwirtschaftskrise stelle auch Österreich vor „enorme Herausforderungen“. „Wir sind ein exportorientiertes Land, und es brechen derzeit wichtige Märkte weg. Ganze Branchen wie der Tourismus kommen zum Erliegen.“ Kurz verwies auf die steigenden Ansteckungszahlen, die Reisewarnungen auslösen und damit die Konsumlust reduzie-

Kritik

SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner traf sich mit Betriebsräten von betroffenen Unternehmen und forderte rasche Maßnahmen der Regierung.

© APA/Robert Jäger ren, „was im Ergebnis Arbeitsplätze vernichtet“. „Österreich braucht jetzt einen noch nie da gewesenen Schulterschluss zwischen Politik, Arbeitnehmern und Arbeitgebern“, sagte der Regierungschef. „Eine Betriebsschließung bedeutet nicht nur für jeden Unternehmer den Ruin, sondern auch die Existenz aller Mitarbeiter und deren Familien. Darum werde ich persönlich alles dafür tun, dass wir die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise bestmöglich abwehren können und die Menschen im Land weiter Arbeit haben.“ Als Maßnahmen will er die bestehenden Hilfsprogramme verlängern – „und mit der Arbeitsstiftung sowie der Kurzarbeit gezielte Instrumente einsetzen“. „Zusätzlich werde ich um jeden Arbeitsplatz vor Ort kämpfen“, verspricht Kurz. In den kommenden Tagen und Wochen plane er daher „eine Reihe von Gesprächen“, etwa mit den Landeshauptleuten, Wirtschaftsforschern, Experten und den Sozialpartnern.

Novartis als Modell

Beispiel könnte auch die Sicherung des Novartis-Standorts in Tirol im Sommer sein. Der Pharmakonzern überlegte, die letzte in Europa verbliebene PenizilinProduktion abzusiedeln; die Regierung hat jetzt ein 50 Mio. €Standortpaket geschnürt.

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