Thun Magazin März 2022

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AK TIONSTAGE

«Im Alltag erlebe ich Rassismus oft in kleinen Dingen» Seit ihrer Kindheit erlebt die SRF-Moderatorin Angélique Beldner Rassismus. 2021 schrieb sie mit Martin R. Dean das Buch «Der Sommer, in dem ich Schwarz wurde». Im Rahmen der Aktionstage gegen Rassismus sind die beiden am 21. März in Thun zu Gast. mehr als andere darauf bedacht sind, keine Fehler zu machen. Wenn ich beispielsweise vergesse, mein Bus-Billett abzustempeln, bestätige ich damit ein Klischee, das ich auf keinen Fall bestätigen will. Was löst die Diskriminierung bei Ihnen aus? Ähnliche und schlimmere Erfahrungen erzeugen in der Wiederholung das Gefühl, in der Schweizer Gesellschaft nie als gleichwertig angesehen zu werden. Ich kann damit umgehen. Für viele, die nicht die Möglichkeit haben, sich zu wehren, hat es aber schlimme Folgen. Denken Sie zum Beispiel an Benachteiligungen bei der Joboder Wohnungssuche. Und ich bin überzeugt, dass solch negative Erfahrungen dazu führen können, dass sich Menschen deswegen weniger zutrauen.

Im SRF-Dokumentarfilm «Rassismus in der Schweiz: Der Sommer, in dem ich Schwarz wurde» sprachen Sie erstmals öffentlich über Rassismus. Danach folgte das Buch. Warum brachen Sie Ihr Schweigen? Angélique Beldner: Es war eine Mischung aus «jetzt reichts» und der Feststellung, dass ich auf einmal Worte für etwas hatte, für das mir die Worte früher fehlten. Ich habe den erlebten Rassismus seit der Kindheit unterdrückt. Also konnte ich auch nicht über ihn sprechen. Hat die Bewegung «Black lives matter» Sie zum Reden animiert? Dadurch kam alles in mir hoch. Mir wurde bewusst, dass man durch Schweigen Probleme nicht lösen kann. Über Rassismus zu sprechen ist eine Voraussetzung dafür, dass wir als Gesellschaft daran arbeiten können, ihn abzubauen. Nur wenn wir als Betroffene davon erzählen, ist es möglich, an negativ festgefahrenen Struk­turen etwas zu verändern.

Bild: Angélique Beldner hofft, dass die Aktionstage ein breites Publikum ansprechen.

Welche festgefahrenen Strukturen meinen Sie? Rassismus existiert in vielen Formen, nicht nur in lauten Beschimpfungen oder Bedrohungen. Im Alltag erlebe ich Rassismus oft in kleinen Dingen, die Nichtbetroffene meistens gar nicht erkennen. Um dies erkennbar zu machen, war es unumgänglich, dass Martin R. Dean und ich vieles von unseren Lebensgeschichten preisgeben. Wie erleben Sie denn Rassismus im Alltag? Es gibt Menschen, die reden mit uns, als wären wir etwas dümmlich, oder sie behandeln uns herablassend. Beim Anstehen kommen wir oft als Letzte zum Zug, obwohl wir längst an der Reihe gewesen wären. People of Color machen solche Erfahrungen gehäuft. Das zeigt sich auch daran, dass wir wahrscheinlich

Was können die Aktionstage gegen Rassismus leisten? Es freut mich, dass Gemeinden solche Aktionstage organisieren. Es zeigt auch, dass sich einiges getan hat in den letzten Jahren. Ich wünsche mir natürlich, dass die Aktionstage in Thun ein breites Publikum ansprechen – Menschen, die bereits sensibilisiert sind, und auch Menschen, die sich erst aktueller mit dem Thema auseinandersetzen. Interview: Jan Miluška Bild: Sven Schnyder / Kampa Verlag

Aktionstage gegen Rassismus 18. bis 21. März 2022

Lesung mit Angélique Beldner und Martin R. Dean: 21. März 2022, 20 Uhr, Theater Alte Oele Thun. Tickets: www.alteoele.ch. Im Rahmen der Aktionstage organisiert die Stadt Thun zahlreiche weitere Events, Workshops und Ausstellungen. Programm: www.thun.ch/tagegegenrassismus 1/22 | ThunMagazin

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