
2 minute read
bIlduNg brauCht: ZeIt
PädagogISChe raNdNotIZ ZuM tag der offeNeN tür aM SaMStag, 19. JäNNer 2019
Waldorfpädagogik möchte Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, zu selbständigen und urteilsfähigen jungen Menschen zu werden; zu Menschen, die in der l age sind, auch über den „eigenen tellerrand“ hinaus zu sehen. Wer eine solche entwicklung fördern möchte, muss sich selbst um eine weite Perspektive bemühen. Waldorfpädagogik versucht daher, SchülerInnen nicht auf in einzelnen unterrichtsfächern erbrachte „leistungen“ zu reduzieren, sondern über fächer und Schuljahre hinweg die persönliche entwicklung der heranwachsenden wahrzunehmen.
Advertisement
Denn Bildung ist immer ein Prozess; ein Prozess, der Zeit braucht – und dessen „Ergebnisse“ daher auch nicht punktuell „überprüfbar“ sind, sondern sich oft erst viel später in Haltungen oder Handlungen zeigen. Waldorfschulen sind auch deswegen als (in der Regel 12-jährige) Gesamtschulen angelegt, weil sie Heranwachsenden diese Zeit für ihre Entwicklung geben wollen und weil dafür manchmal auch gewisse „Wieder-Holungen“ nötig sind. So erscheinen Themen und Motive im Laufe der Jahre in verschiedenen Fächern und Klassenstufen immer wieder, doch in bewusst veränderter methodischer Form und inhaltlicher Gewichtung. Wenn etwa in der 2. Klasse über das Leben des Heiligen Franziskus und sein Verhältnis zu den Tieren erzählt wird und in der 4. Klasse in der ersten Tierkunde-Epoche versucht wird, ein sinnreiches Bild des Tintenfisches in seinem Lebensraum zu zeichnen – geht es dabei nicht auch um Fragen nach dem Wesen des Menschen und seines Verhältnisses zur Natur, genauso wie, in veränderter Form, im Biologieunterricht der Oberstufe? Und wenn in einer 12. Klasse im Philosophieunterricht über „gut“ und „böse“ diskutiert wird, tauchen dann nicht Fragen wieder auf, die den SchülerInnen bereits in den in der 1. Klasse erzählten Märchen als Bilder implizit begegnet sind?
In diesem Sinn kann wohl so manches, was am 19. Jänner durch die geöffnete Tür einer Oberstufenklasse zu beobachten ist, auch eine „Fortsetzung“, eine „Weiterentwicklung“ eines Unterrichts der Unterstufe darstellen, und manches, was in einer der unteren Schulstufen zu erleben ist, die Grundlage für Späteres sein. BesucherInnen dieses „Tages der offenen Tür“ ist da- her zu empfehlen, sich Zeit zu nehmen und möglichst viele unterschiedliche Klassen zu besuchen. Vielleicht kann so die eine oder andere „Querverbindung“ zwischen Fächern und Schulstufen erlebt werden. Raum und Zeit zu geben für solche Verbindungen und Bezüge, darum bemüht sich Waldorfpädagogik – und das seit 100 Jahren.

Eine Randnotiz von Leonhard Weiss, Schülervater und Lehrer an der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer sowie Juniorprofessor für Bildungsphilosophie und Pädagogische Anthropologie am Zentrum für Kultur und Pädagogik. An-Institut der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Tilgnerstr. 3, 1040 Wien die 10. klasse: Wir sind… Waldorf, aber nicht nur auf der bühne, nicht nur an zwei abenden!
Erzählen, Dichten, Darstellen: Das sind die literarischen Genres Epik, Lyrik und Dramatik, die wir zum hundertjährigen Jubiläum auf die Bretterbühne bringen. Neuerlich haben wir dem Keller(theater) abgeschworen, dessen Bestand nicht zuletzt in Erwartung von Bau und Baggern fraglich schien. Mit einem maßgeschneiderten Konzept für die 10. Klasse und mit Fokus auf den horizontalen, alle Unterrichtsgegenstände umfassenden Lehrplan starteten wir in den Schaffensprozess, der vor allem den Formaspekt, aber auch Gestaltungskraft und Sprachregister auslotet. So ste- hen die Aufführungen am 22. und am 23. Januar 2019 am Ende eines kompakten kreativen Prozesses. Mögen die Theaterabende wohl anregen und unterhalten, so steht dennoch die Entwicklung, nicht das Ergebnis allein im Vordergrund. Theaterpädagogik vermag so vieles, das weit über den flüchtigen Moment der Vorstellung hinausgeht. Wir casten keine Schauspieler und Schauspielerinnen, wenn auch schon bekannte Größen aus der Schule im Maurer Schlössl hervorgegangen sein mögen: Jeder und jede soll die eigenen Fähigkeiten auf der Indoor-Pawlatschenbühne erproben können und sich selbst dabei ein wenig tiefer entdecken, den seelischen Innenraum entfalten.
