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Eine glosse zum thema von peter gluchi

Respekt war einmal gemeinhin eine Einbahnstraße: von Jung zu Alt, von Frau zu Mann, von Mittellosen zu Besitzenden etc. Mittlerweile ist der Wunsch nach genauerer Abstimmung, wer wem Respekt-pflichtig ist, in unsere Gesellschaft gedrungen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat dazu einen Kanal geöffnet, der „das Ringen um Respekt in der Gesellschaft als Kampf um symbolisches Kapital in bestimmten Gesellschaftsbereichen“ erklärt. Das Resultat der Eigenschaften, die ein Individuum auszeichnen, nennt er zusammenfassend „Symbolisches Kapital“. Nach den unterschiedliche Arten unterscheidet er im Sozialen persönliche Ressourcen wie Netzwerke und Kontakte; kulturell gesehen zählen Bildung, Titel (zum Beispiel ein Schulabschluss) und wertvolle Kulturgüter dazu, und natürlich spielt alles, was ich direkt in Geld umwandeln kann – also persönlicher Besitz – auch eine entscheidende Rolle.

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Betrachten wir nun unsere Schule, wo sich unsere Kinder ja bewegen, treten Differenzen zutage, wer wem warum (keinen) Respekt entgegenbringt. Alter, Geschlecht und unterschiedliche Maßstäbe in den Familien beeinflussen dies naturgemäß. Auch von Freundeskreis zu Freundeskreis und ganz allgemein von kulturellem Milieu zu Milieu, von Land zu Land gibt es Unterschiede.

Der Reflex, es gebe ja Grundfeste des Respekts, ist hier natürlich angebracht. Die mutwillige Missachtung der Würde anderer Menschen und deren Arbeitsleistung – wie dies etwa gegenüber unseren Putzfrauen in einer teils schon an Schikane grenzenden Intensität praktiziert wird – übertritt jedenfalls unbestritten den „Spielraum“ des Respekts.

Warum tun das die Kinder? Sind sie sich im Klaren, dass unterschiedliches Symbolisches Kapital ihre Handlungen “intuitiv“ lenkt? Und ist es immer so klar und offensichtlich wie im Beispiel mit den Putzfrauen? Wie tief geht Respektlosigkeit, und wo sind die Grenzen bei diffizileren Konstellationen?

Im Allgemeinen sind doch bestimmte Eigenschaften oder Leistungen Grundlage für Anerkennung. Aber nicht alle werden gesamtgesellschaftlich in gleicher Weise als wertvoll betrachtet: Es gibt viele Leistungen, denen eine mindere Rolle zugeordnet wird. Zu ersteren zählen zum Beispiel, bezahlt zu arbeiten oder Zivilcourage zu zeigen. Zu letzteren gehören zum Beispiel unbezahlte Arbeiten, die daheim, in sozialen Einrichtungen oder im Grätzel geleistet werden.

Natürlich besteht bei uns Konsens, dass beide oben genannten Bereiche Gründe für gegenseitigen Respekt sind. Vielleicht gibt es Personen, die letzteres „intuitiv“ als nicht respektabel „leben“? Wie wir wissen, wirkt ein (bloßes) Bekenntnis gegen Abwertung schwächer als unbedachte Gesten und gesetzte Handlungen, die Respekt mindern. Die Putzfrauen unserer Schule leisten jedenfalls bezahlte Arbeit – und dennoch mangelt es ihnen gegenüber an Respekt.

Was tun? Darüber zu reden ist eine Möglichkeit, was im Moment auch geschieht. Kann bei einem Ohr hinein- und beim anderen wieder hinausgehen. Einprägsamer als Worte sind Erfahrungen: die Erfahrung zum Beispiel, wie wertvoll die Reinigung oder Instandhaltung des Schulgebäudes ist, wenn (alle?) Schülerinnen und Schüler einer betreffenden Klasse in deren Freizeit – also etwa während der Mittagspause oder nach dem Unterricht – nach Anleitung der Putzfrauen und/oder des Schulwarts über mehrere Male deren Tagespensum verrichten dürfen. Aber vielleicht ist unseren jungen Menschen ja nur der Übermut, die bewusste Provokation, der Wettstreit im Coolsein im Wege. Denn in ihrem Innersten wissen sie ja, was sich gehört (auch Putzfrauen gegenüber).

PS: Dies ist eine Glosse (die zeigt, was mensch so denken kann) und keine Handlungsanleitung oder -aufforderung. Die Entscheidung über tatsächlich durchgeführte Maßnahmen oder Konsequenzen obliegen naturgemäß den Betroffenen und Verantwortlichen.

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