Museum Herisau: 75 Jahre – 75 Objekte

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Museum Herisau

75 Jahre – 75 Objekte

Herausgegeben vom Historischen Verein Herisau und Umgebung

© 2023 Appenzeller Verlag, CH-9103 Schwellbrunn

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Radio und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Autorinnen und Autoren: Ingrid Brühwiler IB | Ursula Butz UB

Thomas Fuchs TF | Roman Hertler RH | Anna Schindler AS

Redaktion: Thomas Fuchs

Lektorat: Claudia Andri Krensler | Susanna Schoch | Hans Toggenburger

Gestaltung: Brigitte Knöpfel

Satz: Verlagshaus Schwellbrunn

Gesetzt in Arno Pro und Helvetica Neue Lt Std

Druck: Appenzeller Druckerei, Herisau

Herstellung: Verlagshaus Schwellbrunn

ISBN 978-3-85882-884-2

www.appenzellerverlag.ch

7 Geleitwort

8 Einleitung

10 75 Jahre Historischer Verein Herisau und Umgebung – 75 Jahre Museum Herisau

10 Vorgeschichte | TF

11 Kauf der Burgruinen durch die Gemeinde Herisau | TF

14 Vereinsgründung | TF

19 Aufbau und Eröffnung des Heimatmuseums | TF

20 Das Heimatmuseum im Haus Baumgarten | TF

24 Haus zum Baumgarten | TF

25 Aus der Vereinsgeschichte | TF

26 Albert Kläger – 44,5 Jahre an der Vereinsspitze | TF

28 Allmähliche Inbesitznahme des Alten Rathauses | TF

31 Das Alte Rathaus am Platz | TF

34 Neuorientierung unter Peter Witschi | TF

36 «Ich war immer mehr Historiker als Archivar» | RH

51 Konsolidierung nach Innen | RH

51 Objektsammlung und Depot | TF

54 Museum unterwegs | TF

57 Mit 75 Museumsobjekten durch die Kulturgeschichte von Appenzell Ausserrhoden

58 Ausguss eines Aquamanile | RH

59 Standesscheibe des Landes Appenzell | TF

60 Grenzstein und Karte des Grenzgebiets Appenzell

Ausserrhoden und Fürstabtei St. Gallen | TF

62 Messbecher mit Eichmarken von Appenzell Ausserrhoden | TF

63 Predigtbuch mit Exlibris von Anna Lutz | AS

64 Prob- oder Examensschrift (Osterschrift) | TF

66 Gremplerpferd mit originalem Zubehör | UB

67 Schild des Gasthauses Bären in Herisau | UB

68 Appenzeller Holzräderuhr | TF

69 Archivkiste der Armenhausverwaltung Herisau | TF

70 Kupferstich aus der Serie Russische Prospekte | TF

71 Hebammenbuch und Porträt von Anna Ursula Stump | TF

72 Münzen des Kantons Appenzell Ausserrhoden | IB

73 Die Brandstätte vom 1. Januar 1812 in Herisau | UB

74 Porträtgemälde von Textilkaufmann Johannes Fisch | TF

76 Bemalter Schrank «Die verkehrte Welt» | TF

78 Schirm mit Eigentümermonogramm | RH

79 «Der Canton Appenzell und seine Umgebungen» im Massstab 1:21 600 | TF

80 Sechsteilige Klarinetten in C und in D | TF

81 Glückwunsch-Teller für Anna Barbara und Konrad

Haas-Ramsauer | TF

82 Tschako kantonale Ordonnanz Appenzell

Ausserrhoden | TF

83 Bad- und Ziegenmolkenkuranstalt Heinrichsbad | UB

84 Volksausgabe von Johann Wolfgang von Goethes

Werken | TF

85 Feuerspritze für den Bezirk Schwänberg | TF

86 Porträtgemälde von Schützenmeister Johann Kaspar

Sturzenegger | TF

87 Gestickte Gardine (Rideau) «Die Jungfrau Ct. Bern» | TF

88 Ein landschaftlicher Hausgarten für Johann Heinrich

Tanner in Herisau | UB

89 Daguerreotypien von Johann Ulrich und Katharina

Barbara Sonderegger-Thörig | IB

90 «Cassen-Schein für Drucker und Formstecher bei Herrn Laurenz Meyer» | TF

91 Familientafel Frischknecht-Bruderer | TF

92 Tafel mit den Symbolen der Handwerksberufe in Herisau | RH

94 Älteste Ansichten vom Platz in Herisau | TF

96 Fotoporträt der Internierten Foussard und Ab Del Kader | TF

97 Gruppenbild des Turnvereins Herisau | TF

98 Absolventinnen und Lehrerin eines Zuschneidekurses in Schwellbrunn | IB

99 Papier- und Getreidemühle im Kubel | TF

100 «Firmenlogo» aus Haar | RH

101 Porträtaufnahme von Hausiererin Lisette RoyerRamsauer | TF

102 Faschingszeitung des Veloklubs Herisau | TF

103 Häuser an der Poststrasse in Herisau | IB

104 Tourismusplakat mit Sommerfahrplan 1898 der Appenzeller-Bahn | TF

Inhalt

105 «Relief des Kantons Appenzell & Umgebung» im Massstab 1:50 000 | IB

106 Kochherd für die eigene Tochter | AS

107 Heinrichsbader Kochbuch | AS

108 «Herisauer Jahrmarkt. Ein heiteres Gesellschaftsspiel» | TF

109 Herisauer Waffe | TF

110 Fahnen Allgemeiner Arbeiterbildungsverein Herisau und Katholischer Gesellenverein Herisau | TF

112 Personal und Eigentümer der Firma Suhner & Cie., Herisau | TF

113 Foto des Kindergartens Säge in Herisau | IB

114 Fahrzeuge der Automobil-Gesellschaft St. PeterzellHerisau A.-G. vor dem Kurhotel Hirschen in Waldstatt | TF

116 Gemälde und Farbkasten von Johannes Zülle | TF

118 Kartengruss aus der Nachstickerei der Schifflistickerei Moosberg | IB

119 Ansichtskarte mit aufklappbarem Fotoalbum | TF

120 Transport eines Dampfkessels zur Firma Suhner & Cie. in Herisau | RH

121 Korpskommandant Ulrich Wille verlässt das Haus von Oberst Emil Sonderegger | RH

122 Gemälde «Der Dornenweg» von Luigi Grigoletti | TF

123 Bierflasche der Brauerei Wilhelm Fleck in Heiden | TF

124 Entwürfe für die neue Frauentracht | IB

126 Kropf-Präparat von Dr. Hans Eggenberger | TF

128 Fotos der Schwäger Seppetoni Fässler und Jan van Albert, kleinster und grösster Mann der Welt | TF

130 Shellackplatte der Appenzeller Streichmusik

Edelweiss Trogen | TF

131 Hausanschrift von Dr. med. Olga Rorschach | TF

132 Fotodokumentation zu den Produkten der Ernst Scheer AG | TF

134 Schnappschuss von der Bergprüfungsfahrt HerisauSchwellbrunn | RH

135 Blechdose für das Getränkepulver Schneider’s Nervennahrung | AS

136 Skiausrüstung aus Teufen | TF

138 Bettdeckenanzug aus Leinen, hergestellt aus selbst angebautem Flachs | IB

139 Hundekontrollmarken | IB

140 Ferienkoloniekinder hinter dem Ferienheim Veltheim in Reute | TF

142 Gruppenfoto der Eishockeyvereine Liverpool Leopards und EHC Herisau | RH

144 Mikrowa Präzisions-Schnellwaage Type FW-24 | TF

145 Werbeplakat der Mineralquelle Walzenhausen | TF

146 Interviews mit Zeitzeugen über Robert Walsers Jahre in Herisau | TF

148 Fahrrad-Thermoshirt «Bergamo M. Initima Antivento, Col. Bianco» | TF

Anhang

150 Vorstand des Historischen Vereins Herisau und Umgebung

152 Sonderausstellungen des Museums Herisau

154 Anmerkungen

158 Bildnachweise

159 Autorinnen und Autoren

Die Gemeinde Herisau ist stolz auf das 75-Jahr-Jubiläum des Historischen Vereins Herisau und Umgebung. Der Verein leistet einen wertvollen Beitrag an das vielseitige kulturelle Leben in Herisau und betreibt zudem das Museum Herisau, das ebenfalls 75 Jahre alt geworden ist. Dieses ist das kulturhistorische Museum für Appenzell Ausserrhoden. Die Ausstellungen vermitteln vielfältige Einblicke in Alltag, Wirtschaft, Politik und Kultur des Kantons. Die Themen reichen von Rittern und Burgen über die Kropfprophylaxe, den bekannten Rorschach-Test bis hin zu bemalten Möbeln oder dem Verkehr. Das Museum ist auch Träger des Robert Walser-Pfads und widmet dem Schriftsteller einen eigenen Raum. Es befindet sich im Alten Rathaus, direkt am Platz. Weiter pflegt der Verein eine Kooperation mit der Schwänberg-Stiftung und betreibt im dortigen Rathaus eine Aussenstelle, die Einblicke in die wechselvolle Geschichte des Weilers Schwänberg und seiner Bewohner gibt. Der Schwänberg ist die älteste urkundlich bezeugte Örtlichkeit im Appenzellerland.

Viele Schönheiten von Herisau und dem Appenzellerland, manchmal etwas versteckt gelegen, warten darauf, von Ihnen entdeckt und geschätzt zu werden. Sei dies im Dorf, in der näheren oder weiteren Umgebung, im Museum oder in diesem Buch mit 75 wertvollen Objekten aus der Sammlung. Einige Porträts von Personen, die kulturhistorisch und auch für das Museum von grosser Bedeutung waren, runden dieses Werk ab.

Herisau ist ein kultureller Kraftort – entdecken Sie diesen. Wir wünschen Ihnen dabei alles Gute, viel Vergnügen und einige Stunden zum Eintauchen in vergangene Zeiten von Herisau, dem Appenzellerland und seinen Leuten.

Namens des Gemeinderats gratuliere ich dem Verein mit seinem aktiven Vorstand einerseits zum Jubiläum und andererseits zu den verschiedenen gelungenen Projekten, zu denen auch dieses wertvolle und interessante Buch gehört. Wir wünschen dem Verein und dem Museum weiterhin viel Schaffenskraft und Initiative.

Sönd willkomm z Herisau im Museum

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Einleitung

Am 10. September 1946 wurde der Historische Verein Herisau und Umgebung gegründet. Bereits ein Jahr später, am 13. September 1947, erreichte er sein wichtiges Ziel, die Eröffnung des Heimatmuseums Herisau, wie es anfänglich genannt wurde. Die beiden 75-Jahr-Jubiläen durften wir am 24. September 2022 im Beisein der Regierungsräte Alfred Stricker und Paul Signer und vielen Besucherinnen und Besuchern mit einem Museumsfest feiern. Das Jubiläum war auch der Startschuss für diesen Rückblick in Buchform.

Die wichtigste Aufgabe des Vereins war und ist der Betrieb des Museums und die Pflege der dazugehörigen Sammlung. Auch wenn es vom Namen her nicht auf den ersten Blick ersichtlich wird, ist das Museum Herisau weit mehr als ein Ortsmuseum. Was im Erdgeschoss des Hauses Baumgarten bescheiden begann, entwickelte sich zu einem Kompetenzzentrum für Sachkultur sowie für die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte von Appenzell Ausserrhoden. Mit seiner vielfältigen, mittlerweile gut 10 000 Objekte umfassenden Sammlung und den Kenntnissen zu den einzelnen Objekten ergänzt das Museum Herisau die kantonalen Gedächtnisinstitutionen Staatsarchiv und Kantonsbibliothek. Mit dem neuesten Projekt «Innen und Aussen» werden mittels digitaler Elemente – Actionbound, Geocaching, Webpage mit digitalen Zusätzen und QR-Codes im Museum – eine Profilstärkung und Sichtbarmachung des Museums Herisau angestrebt und generell mögliche neue Wege für Museen in Appenzell Ausserrhoden beschritten.

Das vorliegende Buch bietet im ersten Teil einen Rückblick auf die Geschichte des Museums und seines Trägervereins. Im zweiten Teil präsentiert es anhand von 75 repräsentativen Objekten und Objektgruppen aus der grossen Sammlung einen vielfältigen Parcours durch die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte wie auch die Sachkultur von Appenzell Ausserrhoden vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart: von den Burgenfunden aus dem 14. Jahrhundert und einer Osterschrift von 1711 über das Kartenwerk von Vater und Sohn Merz und Porträts mit der ersten Fototechnik Daguerreotypie aus dem frühen 19. Jahrhundert bis zur Skiausrüstung aus Teufen und dem Werbeplakat im Papa-Moll-Stil für das Walzenhauser Mineralwasser aus dem 20. Jahrhundert.

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Wir bedanken uns sehr herzlich bei der Gemeinde Herisau, die seit November 1962 das Alte Rathaus als Museumsgebäude zur Verfügung stellt und mit einer Vertretung im Vereinsvorstand mitwirkt, aktuell durch Gemeinderat Glen Aggeler, der mit seinem grossen Engagement das Museum tatkräftig unterstützt. Ein ebenso grosses Dankeschön gehört dem Kanton, insbesondere dem Amt für Kultur, für die mit einer Leistungsvereinbarung geregelte finanzielle Unterstützung sowie für die Finanzierung des Transformationsprojekts «Innen und Aussen» im letzten Jahr. Sehr herzlich bedanke ich mich bei den Vorstandsmitgliedern, die sehr viele Stunden Fronarbeit leisten und zum Teil auch als Autorinnen und Autoren oder Lektorinnen und Lektoren dieses Buchs in Erscheinung treten. Ein grosser Dank gebührt zudem unserem Kurator Thomas Fuchs. Unermüdlich setzt er sich für unser Museum ein und setzt Ideen und Projekte meisterhaft um. Bei diesem Buch leistete er die grösste Arbeit.

Die Finanzierung des Buchs wurde durch grosszügige Beiträge der Dr. Fred Styger Stiftung für Kultur, Bildung und Wissenschaft, der Friedrich und Anita FreyBücheler-Stiftung, der Huber+Suhner Stiftung, der Johannes Waldburger-Stiftung und der Steinegg Stiftung ermöglicht. Vielen herzlichen Dank!

Präsidentin Historischer Verein Herisau und Umgebung Herisau, im März 2023

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Historischer Verein Herisau und Umgebung Museum Herisau

Die wichtigste Aufgabe des am 10. September 1946 gegründeten Historischen Vereins Herisau und Umgebung war und ist der Betrieb des Museums Herisau und die Pflege und Erweiterung der dazugehörigen Sammlung. Der Verein leistet eine vielseitige Vermittlungsarbeit zu vielen Aspekten der appenzell-ausserrhodischen Kulturgeschichte: mit den Ausstellungen im Museum, mit der Bewahrung und Erforschung der «Biografien» der Objekte, mit Führungen, Vorträgen und Exkursionen. Die Schwerpunkte und Inhalte der Arbeit haben sich mit der Zeit verändert. Der Verein konnte 2021, das Museum 2022 das 75-Jahr-Jubiläum feiern.

Vorgeschichte

Anlässlich seines Rücktritts aus dem Vereinsvorstand 1972 erinnerte Aktuar Arthur Bollinger (1896 – 1992) an die drei Wurzeln, die zur Gründung des Museums Herisau führten:1

– Die Ausstellung «Alt- und Neu-Herisau» im März 1928, die Walter Rotach (1872 –1928) während seiner Arbeit zum Buch über die Herisauer Gemeindegeschichte2 organisierte und damit «den Sammelgedanken für alte Werte im Orte» weckte.

– Die Arbeit der Burgenfreunde Herisau in den Jahren 1936/1937.

– Der Versuch von Carl Meyer (1873 – 1947) in den Jahren 1944/1945, «die aussergewöhnlichen Sammelwerte in Herisau in einem Museum von nationaler und internationaler Beachtung unterzubringen».

Daraus «resultierte dann lediglich ein Heimatmuseum mit einigen internationalen Werten (dank Ehepaar Baumann-Junker)», bilanzierte Bollinger. Unerwähnt liess er die teils hervorragenden Objekte im Realschulhaus und im Estrich des Gemeindehauses, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von Lehrern und von Gemeindebaumeister Alfred Ramseyer (1884 – 1957) gerettet wurden.

Die eigentlichen Vorgänger des Historischen Vereins Herisau waren die Burgenfreunde Herisau. Mit ihnen entstand erstmals eine Vereinigung, die sich den Erhalt des kantonalen historischen Erbes zum Ziel setzte. Bereits um 1900 hatte es

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Kauf der Burgruinen durch die Gemeinde Herisau

Die Burgruinen Rosenberg und Rosenburg (Ramsenburg) in Herisau blieben nach der Zerstörung während der Appenzeller Kriege von 1403/1405 im Besitz der Abtei St. Gallen. 1803 gingen sie an den neu gegründeten Kanton St. Gallen über. Dieser verkaufte 1805 den vorderen Herisauer Burgstock, die «Vesti genant Rosenberg, gelegen bi Braitenfeld [Breitfeld, Anm. TF]»,3 wie er in einer Urkunde von 1415 genannt wurde, an Privatleute in Herisau. Später ging er in den Besitz der Bürgergemeinde über.

Als im Februar 1809 die Überreste der Rosenburg (Ramsenburg) zur Versteigerung gelangten, wollte die Gemeinde Herisau eine Privatisierung unbedingt verhindern. Der Kaufpreis von 440 Gulden wurde über freiwillige Beiträge finanziert. Mit 99 Gulden waren die Brüder Johannes (1757 – 1819, vgl. Seite 24) und Johann Christoph Fisch (1759 – 1826) die grössten Spender.4 Der Name Ramsenburg wurde erst im 19. Jahrhundert gebräuchlich, um die beiden Burgruinen besser unterscheiden zu können.

notdürftige Sicherungsarbeiten an den Mauerresten der Burgruinen Rosenburg –heute Ramsenburg genannt – und Rosenberg gegeben. 1924 und 1930 versuchte Albert Müller, der Inhaber von «A. Müller’s Bazar» am Platz, eine grundlegende Sanierung in die Wege zu leiten, ohne jedoch zu reüssieren. Er wollte mit Pfadfindern, Kadetten, Schulkindern und anderen Freiwilligen arbeiten.

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Die Ruine Rosenburg (Ramsenburg), um 1890.

Die Initianten der Burgenfreunde Herisau waren Textilunternehmer Hugo Nef (1892 – 1961), Lehrer Johann Ulrich Meng (1887 – 1988), Apotheker Arnold Lobeck (1866 – 1952) und Rechtsanwalt Joachim Auer (1906 – 2005). Sie nutzten den Umstand, dass 1934 ein Archäologischer Arbeitsdienst als Abteilung des Freiwilligen Arbeitsdienstes für arbeitslose Jugendliche gegründet wurde. In einer ersten Etappe wurde im Sommer 1936 die Burgruine Rosenberg freigelegt und gesichert. Für die Leitung der Arbeiten konnte Burgenvater Gottlieb Felder (1866 – 1950) aus Gossau SG gewonnen werden. Transportdienste übernahm die Armee.

Am 9. Januar 1937 fand im «Löwen»-Saal ein Burgenabend statt. Die Grabungsfunde von der Rosenberg waren ausgestellt, und Gottlieb Felder hielt einen Vortrag. Der Abend endete mit dem dringenden Appell der Burgenfreunde, auch die Rosenburg (Ramsenburg) anzupacken und ein Hinterländisches Regionalmuseum zu gründen. Otto Frehner dazu in der Presse:

«Dass diese ehrwürdigen Altertümer [Burgenfunde, Anm. TF] der Gemeinde erhalten bleiben, ist nun sicher. Zu hoffen ist nur, dass sie nicht einfach magaziniert werden wie gewisse Stücke im Estrich des Gemeindehauses oder an einem ähnlichen Ort. Die Sammlung […] sollte vielmehr mit andern vorhandenen und aufbewahrungswürdigen Gegenständen den Grundstock zu einer Altertumssammlung oder einem Heimatmuseum (oder wie man das nennen will) bilden und sich allmählich zu einer gesamthinterländischen Sammlung weiten. Seit der schönen, noch von Walter Rotach angeregten Ausstellung ‹Alt- und Neu-Herisau› (März 1928) im Casino, die leider nicht zu der damals erhofften bleibenden Einrichtung wurde, ist keine Gelegenheit mehr so günstig gewesen zur Gründung einer ständigen und allgemein zugänglichen Sammlung wie die durch die Rosenbergfunde nun gebotene.»5

Als Trägerschaft sah Frehner die Mittwochsgesellschaft oder die Umwandlung der Burgenfreunde zu einer Historischen Gesellschaft. Thematisch solle man sich auf das Hinterland beschränken. Trogen und Heiden sollen eigene Sammlungen haben. Die Sicherung der Burgruine Rosenburg (Ramsenburg) erfolgte im Sommer 1937, wiederum durch den Archäologischen Arbeitsdienst unter Leitung von Gottlieb Felder. Beschäftigt wurden 42 Arbeitslose, die meisten aus Herisau. Sie waren, betreut von einem Lagerleiter, einer Hausmutter und einem Küchenteam, im Freiwilligen Arbeitslager Schochenberg untergebracht. Von April bis Dezember 1937 leisteten sie insgesamt 3601 Arbeitstage. «Nach der Abführung unendlicher Schuttmassen ist ähnlich wie auf Rosenberg das Bild der Burganlage völlig verändert, imponierender, […] sozusagen eine Burg wie sie im Buche steht», heisst es in Gottlieb Felders Schlussbericht. Als Besonderheit strich er die beiden Zisternen hervor,

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Grabungsarbeiten auf der Rosenburg (Ramsenburg), 1937.

Die Ruine Rosenburg (Ramsenburg) nach der Freilegung im November 1937.

Materialtransport durch Militär zur Grabungsstelle auf der Rosenburg (Ramsenburg), 1937.

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in denen zum ersten Mal überhaupt in der Schweiz Überreste von Schöpfkübeln gefunden wurden.

Finanziert wurden die Burgenprojekte durch Bund, Kanton und Gemeinde sowie private Gönner, den Schweizerischen Burgenverein und den Historischen Verein St. Gallen, der zwei Jahreszinse aus seinem «Näf-Burgenfonds» beisteuerte. Den Burgenfreunden Herisau verblieb die Deckung eines Defizits von ein paar hundert Schweizer Franken.6 Gesamthaft beliefen sich die Ausgaben für die Rosenberg auf rund 8000, für die grössere Rosenburg auf 26 000 Franken.

Keine Beachtung fand in dieser Zeit die Burgruine Urstein. 1955 wurde sie ins Inventar der kommunalen Schutzobjekte aufgenommen. Notgrabungen in den Jahren 1971 bis 1978 brachten dann bemerkenswerte Funde zutage.7

Der Appell vom Januar 1937 hallte nach. 1944 unterbreitete der einflussreiche Jurist und Alt-Kantonsrat Carl Meyer (1873 – 1947) dem Inlandredaktor der Appenzeller Zeitung, Alfred Bollinger, die Frage, ob nicht in Herisau ein Museum geschaffen werden könnte, in dem er seine fünfzehn Sammlungen (Münzen, Inkunabeln, Briefmarken und so weiter) «würdig» zeigen könnte. Auch die Sammlungen von Naturheilpraktiker Hans Baumann-Junker («vor allem asiatische und ägyptische Kulturwerte und Waffen») und Kaufmann Albert Müller am Platz («vor allem heimatliche Werte») sollten miteinbezogen werden. Die Sammler und weitere Interessenten trafen sich mehrmals, um über geeignete Räume zu reden. Eine Geldsammlung ergab ein schönes Startkapital. Das als Anziehungspunkt für Herisau gedachte Museum kam jedoch nicht zustande. Meyers Inkunabeln-Sammlung ging deshalb an die Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden. Seine übrigen und die anderen genannten Sammlungen, ausgenommen Hans Baumann-Junkers Waffen, «sind dem Appenzellerland verloren gegangen».8

Vereinsgründung

Im Frühling 1946 unternahm Alfred Bollinger einen neuen Anlauf, um «auf die Notwendigkeit der Schaffung eines Museums hinzuweisen». Eine von ihm auf den 2. April 1946 in den «Storchen» einberufene Versammlung beschloss die Gründung eines Trägervereins. Es fehlte allerdings ein geeignetes Gebäude. Das anvisierte Haus Tanner-Fritsch an der Kasernenstrasse hatte unvermutet die Kantonalbank gekauft. Da anerbot sich Arthur Freund, die Räume im Parterre seines Hauses zum Baumgarten mietweise zu überlassen. «In Anbetracht dessen war die Gründung eines Historischen Vereins gegeben, wollte man nicht riskieren, einmal mehr eine günstige Chance zu verpassen»,9 rapportierte die Appenzeller Zeitung.

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Die schlanken ersten Statuten vom 10. September 1946.

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«An unsere Freunde der Heimat!» Mitgliederwerbeaktion im Oktober 1946. Zu den Jahresbeiträgen ist angemerkt: «[…] was selbstverständlich nicht ausschliesst, dass uns höhere Beiträge jederzeit sehr willkommen sind».

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Zur Gründungsversammlung im «Casino» am Dienstag, 10. September 1946, fanden sich 27 Männer ein, darunter je ein Vertreter der Lesegesellschaften Dorf und Saum.

«Nach einer kurzen Orientierung über die Vorarbeiten durch den Sprecher der Gründungsgruppe, Dr. Bollinger, und nach einer Darlegung der positiven Stellungnahme des Vorstandes der Kasinogesellschaft durch deren Präsidenten, Vizehauptmann Dr. Auer, stimmte die Versammlung einmütig der Gründung eines Historischen Vereins zu.»10

Die Anwesenden wählten einen siebenköpfigen Vorstand, verabschiedeten die Vereinsstatuten und beschlossen den Aufbau eines Museums. Den Jahresbeitrag für Einzelpersonen setzten sie auf 5, für Korporationen und Gesellschaften auf 10 Franken an. Der Vorstand erhielt den Auftrag, einen Mietvertrag über die drei östlichen Zimmer im Parterre des Hauses Baumgarten abzuschliessen und diese für Wechselausstellungen und Museumszwecke einzurichten.

Bereits vier Tage nach der Gründung führte der Historische Verein Herisau und Umgebung eine erste Exkursion durch. Unter der Leitung von Albert Kläger «ging der stattliche Trupp an die Entdeckung einer der ersten Siedlungen im Appenzellerlande»: den Weiler Schwänberg. «Dank dem Entgegenkommen der Bewohner der wichtigsten althistorischen Gebäulichkeiten konnten die Räume über und unter der Erde, die Einblick in die vergangenen Jahrhunderte ermöglichen, eingehend besichtigt werden.»11

Weitere vier Tage später nahm der Vorstand seine Arbeit auf. Bei der Chargenverteilung gab es ein paar Differenzen bezüglich der Besetzung des Präsidiums und des Kassieramts. Zum Präsidenten bestimmt wurde schliesslich das zweitjüngste Vorstandsmitglied, der Bankbeamte Albert Kläger. Im Vordergrund der Arbeit standen zunächst die Mitgliederwerbung sowie die Beschaffung der Finanzmittel und der Objekte für das Museum. Nach einem Monat zählte der Verein bereits 115 Mitglieder. Durch private Spenden kamen innert Jahresfrist 23 000 Franken zusammen. Die Einzelbeiträge der 71 Spender, darunter mehrere Firmen und Geschäfte, variierten von 5 bis 5000 Franken. «Die über alles Erwarten sehr zahlreich eingegangenen Gelder ermöglichten den Ankauf von uns gutscheinenden Werten für das Museum.»12

Im Frühjahr 1947 wurden die Exkursionen mit einer Führung durch die Ratsäle in Herisau und dem Besuch der Stiftsbibliothek St. Gallen fortgesetzt. Zudem organisierte der Vereinsvorstand einen ersten öffentlichen Vortrag zum Thema «Die Alemannen in der Ostschweiz». Damit war eine Tradition begründet, die fünfzig Jahre anhalten sollte.

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Der erste Vereinsvorstand (von oben links)

Dr. Alfred Bollinger (1896 – 1992), Staatswissenschaftler, Inlandredaktor der Appenzeller Zeitung; Aktuar 1946

1972, verfasste 109 Protokolle, viele Zeitungsberichte und «manche aufrüttelnden Worte».

Dr. Otto Frehner (1887 – 1973), bis 1930 Französischlehrer an der Realschule Herisau, Forschungen zu Älplersprache und Alpwirtschaft; Custos 1946 – 1956.

Albert Kläger (1906 – 1998), Bankbeamter; Präsident 1946

Hugo Nef (1892 – 1961), Teilhaber des Textilunternehmens

J. G. Nef & Co.; 1. Kassier 1946 – 1952, diverse Schenkungen ans Museum.

Dr. Bruno Griesshammer (1915 – 1985), Rechtsanwalt; 2. Kassier 1946 – 1952, Vizepräsident 1952 – 1962.

Johann Ulrich Meng (1887 – 1988), Primarlehrer; Vizepräsident 1946

1952.

Hans Balmer (1881

1954), Architekt; Beisitzer 1946

1954.

1991.

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Aufbau und Eröffnung des Heimatmuseums

Die Gründung des Heimatmuseums Herisau – so der anfängliche Name – erfolgte sozusagen im letzten Moment. Ein grosser Teil des appenzellischen Kulturguts war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits in private Sammlungen oder ins Landesmuseum in Zürich und ins Historische Museum St. Gallen abgewandert. Noch waren aber sammlungswürdige Objekte auffindbar. Im Rückblick auf die ersten eineinhalb Jahre hielt Präsident Albert Kläger im Mai 1948 fest: «Saftig grüne Wiesen – kaum merklich unterbrochen von kleinen Äckern – breiten sich vor uns aus und steigen zu sanft geschwungenen Hügelketten an oder verlieren sich in tiefeingeschnittenen Wasserläufen. Darüber erheben sich bewaldete Höhenkuppen, leiten über zu den Weiden und Gipfeln in der mild von der Sonne angestrahlten Bergeswelt. […] Das ist unsere Heimat, unser liebes Appenzellerland. […] Ohne indessen in der Kunst- und Kulturgeschichte gross aufzufallen, haben wir doch manches, das wert ist, der Nachwelt überliefert zu werden. […] Sind es doch sehr oft gerade die einfachen und unscheinbaren Dinge, die uns mehr sagen als Werke grosser Meister. Sie sind uns Ausdruck einer Zeit, die noch nicht viel von Massenfabrikation wusste, dafür aber dem Einzelstück die Aufmerksamkeit zu teil werden liess, die es verdiente, weil es für die halbe Ewigkeit geschaffen war. Denken wir z.B. nur an die berühmt und gesucht gewordenen bemalten Schränke und Truhen, die heute gewisse Sammler zur Zahlung von übermässigen Preisen verlockt. […] So ist der Gedanke zur Schaffung eines Heimatmuseums in Herisau aufgekommen.»13

Die Nostalgiewelle der 1960er- bis 1980er-Jahre brachte dann einen Boom im Handel mit Appenzeller Antiquitäten, der einige Restauratoren gar zu Fälschungen hinreissen liess. Die Klagen über den Exodus der «guten Appenzeller Werte» durchziehen die Jahresberichte des Historischen Vereins Herisau in dieser Zeit. «Werte» war der Begriff, den die Vorstandsmitglieder lange für die sammlungswürdigen Objekte verwendeten.

Die ersten Sammler hatten definiert, was das Appenzeller Kulturgut ausmacht: bemalte Möbel, Senntumsmalerei, Sennenartikel, Osterschriften und Produkte der Handweberei und -stickerei. An diesen Kriterien orientierten sich auch die Herisauer Museumsgründer, als sie «in langsamer, mühevoller Such- und unendlich viel Kleinarbeit»14 ihre Sammlung aufbauten. Einen Grundstock bildeten zudem die archäologischen Funde von den Burgruinen Rosenberg und Rosenburg. Sie wurden um relevante Gegenstände zur Kantonsgeschichte ergänzt. Wichtige Schenkungen und Leihgaben kamen von Alt-Kantonsrat Carl Meyer und den Familien Schlumpf und Meier-Holderegger in Herisau sowie von Alt-Gemeindehauptmann

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Jakob Müller in Stein. Bei der Eröffnung des Museums umfasste die Sammlung Kulturgüter aus ganz Appenzell Ausserrhoden mit Schwergewicht auf den Gemeinden im Hinterland.

Das Heimatmuseum Herisau und Umgebung im Haus zum Baumgarten konnte ein Jahr nach der Vereinsgründung eröffnet werden. Am Donnerstag, 11. September 1947, waren der Gemeinderat und die Donatoren und Gönner eingeladen, am Samstag danach die gesamte Bevölkerung. Geöffnet war das Museum anfänglich mittwochs und samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 12 Uhr. Da fast keine Fotos vorhanden sind, sei folgend der Beschrieb der Museumsräume aus der Presse wiedergegeben.

Das Heimatmuseum im Haus Baumgarten

«Der weite lange G a n g ist zum fünften Ausstellungsraum geworden. Die Wände zieren Landammänner und Statthalter aus verschiedenen Gemeinden. Ebenso hat der erste Bundeskanzler ein Plätzchen gefunden. Ein weitgespanntes Brückenmodell erinnert an die technische Pionierarbeit des Autodidakten [Hans Ulrich] Grubenmann. An Möbeln finden wir eine Truhe und einen Kasten mit Traubenmustern aus Stein vor, ferner eine Standuhr mit Orgelpfeifen und eine Neuenburger Uhr alten Stils.

Im lichtesten und freundlichsten der Zimmer ist die ‹g u e t S t u b e› eingerichtet. Darin dominiert Landammann Adrian Wetter, als ‹Freier› im roten Purpurmantel dargestellt. Er hat die neue ‹Rose› gebaut, die mit dem andern WetterHaus am Platz in Stichen zu sehen ist. Eine mächtige Karte von 1640 zeigt St. Gallen, das Fürstenland und die angrenzenden appenzellischen Gebiete. Aus dem alten Wandschmuck stechen zwei Bilder von Moskau und Petersburg heraus, die zu Ende des 18. Jahrhunderts von einem Walser geschaffen worden sind. An etwas, was wir nicht mehr haben, erinnern die köstlichen Kadettensilhouetten aus der Zeit vor rund neunzig Jahren. Ein gewichtiges, weil sehr schweres Stück ist der eiserne Kassenschrank, der vermutlich früher die ausserrhodische Staatskasse beherbergte und später Gemeindezwecken diente, bis er im Zeitalter des Tresors überflüssig wurde. Ein paar Bibeln tragen Daten aus der Zeit nach 1600. Eine Truhe und ein Kasten mit Scheinintarsien bilden neben einem Schiefertisch die ansprechende Möblierung. Im Kasten konnten u. a. die hinterländischen Gemeindegeschichten untergebracht werden; nur Schönengrund muss sich mit einem Auszug aus einer der Chroniken begnügen. Eine Sumiswalder Uhr aus dem Schwänberg ergänzt das Inventar.

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Einen ziemlich einheitlichen Eindruck hinterlässt das M i t t e l z im m e r, dessen Mitte die Funde der Ausgrabungen im Rosenberg- und Rosenburggebiet beanspruchen. Die Vitrinen ringsum enthalten zahlreiche Urkunden, deren älteste in lateinischer Sprache aus dem 10. Jahrhundert stammt und erstmals einen appenzellischen Ortsnamen, den Schwänberg, nennt. Die kostbaren Landbücher, Chroniken, Karten und Alpbücher, die ersten Zeitungen, vom Wochenblatt des Kantons Säntis bis zu den vielen andern Publikationen vor hundert Jahren, geben einen Einblick in die Schreib- und Buchdruckerkunst, aber auch in das Recht, die Geschichte und die Anliegen früherer Jahrhunderte. Von den Wänden grüssen die hinterländischen Gemeinden mit ihren Wappen in studierenswerten Stichen und Photos. Bedeutend ist namentlich die Zahl der Stiche von Herisau, die dem Besucher frühere Quartiergestaltungen enthüllen. Die Fenster tragen zwei schmucke Standesscheiben aus der Zeit vor und nach der Landteilung. In zwei Ecken stecken Fähnchen, wie sie seinerzeit als erste Preise an Schützenfesten beim Heinrichsbad abgegeben wurden. Noch fehlt die wertvolle Nieschberger Scharfahne, die als einzige neben der Schwänberger im Landesmuseum erhalten ist; sie muss restauriert werden, was allein 500 Fr. kosten wird. Die am Stoss erbeuteten Fahnen finden sich wenigstens in einem kolorierten Stich wieder. Eine Sammlung der ausserrhodischen Münzen steuerte die Kantonskanzlei bei.

Im A l p e n z i m m e r paradiert das letzte ausserrhodische Saumpferd, das Alt-Kantonsrat Müller in Stein fachgerecht ausgerüstet hat. Sattelzeug mit prächtigen Beschlägen, Produkte unserer kunstvollen Weissküferei, zwei bemalte Kasten, weitere kostbare Stücke und Stiche von Johann Ulrich Fitzi vervollständigen das Bild dieser die Bauern interessierenden Schau.

Das vierte Zimmer birgt ein S c h l a f g e m a c h zu Beginn des letzten Jahrhunderts, das durch seine Einheitlichkeit in Form, Farbe und Ornamentik auffällt. Es handelt sich um die Leihgabe der Familie Meier-Holderegger in Stein und besteht aus einem gediegenen bemalten Himmelbett mit eingebautem kleinen Buffet am Fussende, dessen frische Farben die sorgfältige Behandlung während Jahrhunderten bezeugen, aus einem wunderbar dazu passenden Schrank und zwei Wandschränklein, das eine mit zierlichem Kindergeschirr, das andere mit feinem Tafelzeug gefüllt. Das Kindertischli und -stühli mit niedlichem Puppenzeug könnte jedes Mädchen zum Bleiben veranlassen. Aus Herisauer Besitz hängt eine in ihrer Ornamentik sich hübsch eingliedernde Uhr, die noch in Gang gebracht werden kann. Eine Ausserrhoder Tracht aus dem vergangenen Jahrhundert, deren Harmonie in Farbe und Schnitt unsern Frauen besondere Freude bereiten wird, ist zu einem Schmuckstück des Zimmers geworden. Sie war bisher im St. Galler Heimatmuseum zu sehen. Kleine Bildchen zeigen uns Ausschnitte aus Stein mit der alten Brauerei, die früher im Besitz dieser Familie war. Nicht übersehen möchten wir die beiden aparten Muster der bekannten Osterschriften, die einst in unsern Schulen üblich waren.»

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Alfred Bollinger in der Appenzeller Zeitung vom 15. September 1947

Eintrag zur Eröffnung des Heimatmuseums in der von Albert Kläger geführten Vereinschronik.

Das Schlafgemach (MeierHolderegger­Zimmer) im Haus Baumgarten, 1947. Seit September 2022 ist über diesen QR­Code im Museum mehr über das Bett zu erfahren.

«Bescheiden ist das Museum … die Waffensammlung soll im Rathaus ausgestellt werden … aber es ist überblickbar, geniessbar. Und wenn der Sammler und Hüter, Dr. Frehner, bei jedem Bilde, jedem Werklein der Kleinkunst, jedem alten Dokument die Fäden anspinnt, so klingen auch im Zuhörer und Beschauer die Saiten mit aus den Zeiten, da die Mutter und die Grossmutter erzählten und man noch Zeit hatte!»

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Fanny Rittmeyer im St. Galler Tagblatt vom 17. September 1947
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Das Haus zum Baumgarten (Pfeil) um 1865, vor dem 1871 erfolgten Bau der Eggstrasse.

Haus zum Baumgarten

Das stattliche vierstöckige Wohn- und Geschäftshaus wurde um 1780 im Baumgarten, wo bis dahin der Frühlingsviehmarkt abgehalten wurde, anstelle eines älteren Gebäudes errichtet. Die Obergeschosse sind in Strickbauweise erstellt. Die Innenräume schmücken Rokokostuckaturen des bekannten Vorarlberger Künstlers

Andreas Moosbrugger (1722 – 1787). Das Familienwappen und das Monogramm JCF über der Tür zur Eggstrasse verweisen auf den Bauherrn: Textilkaufmann

Johann Christoph Fisch (1718 – 1790). Auch die zu einem dreieckigen Emblem vereinigten Fische an der Wetterfahne auf dem Treppenturm illustrieren das Familienwappen. Der Anbau mit der Veranda wurde 1913 erstellt.

Ab 1856 befand sich das Haus im Besitz der Textilunternehmerfamilie Freund. Als 1969 der Abbruch drohte, regte sich erstmals in Herisau entschlossener Widerstand. Eine Petition sollte den Gemeinderat zum Kauf bewegen. 1971 bildete sich dann die Baumgartengesellschaft um Rechtsanwalt Joachim Auer (1906 – 2005), die das Haus erwarb, obwohl sie keine 500 Franken in der Kasse hatte. Zugesicherte Spenden und Subventionen sowie ein zinsloses Darlehen des Heimatschutzes berechtigten jedoch zur Hoffnung, die notwendigen 550 000 Franken zusammenzubringen.

Nach dem Auszug des Museums nutzte der Kirchenrat der Evangelisch-Reformierten Landeskirche das Erdgeschoss für sein Sekretariat. 1977 mietete die Einwohnergemeinde Herisau das ganze Haus, um Büros für Teile der Verwaltung einzubauen. 1985 kaufte sie das Gebäude.

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